Festhalle

Katie Freudenschuss bringt meisterlich verpackte Denkanstöße nach Brühl

Die Musikkabarettistin Freudenschuss begeistert mit einem Programm, das viel Raum zur gekonnten Improvisation bietet. Der Auftritt war oft verschoben worden.

Von 
Marco Montalbano
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Katie Freudenschuss weiß mit viel Spontaneität zu begeistern. © Montalbano

Brühl. Ein neues Gesicht war auf der Bühne in der Festhalle zu sehen – obwohl sie schon mehrfach angekündigt worden war, wegen der Pandemie aber nicht auftreten konnte. Diesmal bremste sie nichts – Katie Freudenschuss. Lustvoll beschäftigte sie sich, im schwarzen Abendkleid und roten Turnschuhen, mit aktuelle Themen wie der Klimakrise, Fake News, Sexismus oder dem Paketservice, dessen Service so seine Tücken habe. Erst wenn man den Transporter dank Ortung per App zu Fuß verfolgt habe, damit das heiß ersehnte Päckchen nicht wieder plötzlich kurz vor dem Ziel verschwinde, verstehe man, warum es „Sendungsverfolgung“ heiße.

Und vor allem ging es um eins: Die Zeit, worauf zahlreiche Sanduhren auf dem kommunalen Steinway-Flügel schon zu Beginn hinwiesen. Das Publikum goutierte das aktualitätsbezogene Programm und beteiligte sich nicht nur singend, sondern auch als Ideen- und Stichwortgeber für Improvisationen der Künstlerin.

Ein schwarzer Flügel, zwei Sitzgelegenheiten und effektvolle aber insgesamt dezente Bühnenbeleuchtung – mehr braucht die Wahlhamburgerin mit hessisch-österreichischem Migrationshintergrund nicht, um zu unterhalten. Musikalisch stieg sie mit „Wir sind alle über 40“ des Schlagerduos Brunner und Brunner ein, vorgetragen mit rauchiger Stimme, die an Hans Hartz, bekannt durch sein „Die weißen Tauben sind müde“, erinnerte.

In Brühl wird gefroren gegen Putin

Lustvoll dichtete sie die Schnellfahrerhymne „Ich will Spaß“ von Markus um, passend zur Energie- und vor allem Gasknappheit. Textzeilen wie „Putin, Putin, spürst Du mich? Heute Nacht friere ich für Dich!“ und „Kostet das Benzin auch 3,10 Mark – damals Spaß, heut‘ wär das schön“ begeisterten das Publikum und animierten zum Mitsingen.

Vom Publikum – es wird an diesem Abend immer wieder als Ideen- und Stichwortgeber eingesetzt – gibt es viel Applaus. © Marco Montalbano

Eigentlich hieße sie ja Katja, verriet Freudenschuss. Und wäre ihr Leben anders verlaufen, säße sie mit Mann und Kindern jetzt im eigenen Häuschen in einem hessischen Dorf. Doch in dieser Realität habe sie eine kleine Mietwohnung in der Hansestadt, in die sie nach dem Abbruch ihres Studiums direkt gezogen sei. „Manchmal stelle ich mir vor, dass ich in einer Parallelwelt noch in Hessen bin und ein anderes Leben lebe“, meinte sie und führte vor, wie das aussehen könnte. Als sie Katja rief, kam diese prompt, schüttelte als esoterisch angehauchte Hausfrau mit hessischem Akzent „heilende Gedichte“ aus dem Ärmel und nahm dabei Stichworte von zuvor abgegebenen Zetteln als Ausgangsbasis.

Zum Thema, was früher und heute besser oder schlechter gewesen sei oder ist, hatte das Brühler Publikum zuvor einiges angegeben. Die „früher bessere Figur und damals freundlichere Menschen“, wurden so zu Sätzen wie „Früher waren die Menschen netter, heute bin ich leider fetter.“

In alten Schlagern laut ihr enthaltender Sexismus würde immer noch „einfach weg geschunkelt“. So dichtete sie unter anderem den beliebten Song „Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen“ von Hans Blum um, ersetzte das Mädchen durch einen „Toyboy“ und wurde selbst zum, nun weiblichen, Verfolger. Dumm nur, dass dies aufgrund männlicher Denk- und Sichtweise nicht richtig funktioniere, so Freudenschuss.

Katie Freudenschuss passt genau ins Konzept

Und vieles dürfte man heute nicht mehr sagen, sodass das leckere Fleischgericht in dem das heute geächtete Wort „Zigeuner“ vorkommt, nur noch Z-Wort Schnitzel genannt wird – oder einfach Paprika-Schnitzel, was ja wirklich nicht schwer sei. Viele weitere Gags, gelungene Improvisationen und lustig verpackte Denkanstößen später sparte das Publikum nicht mit Applaus, bevor es sich auf den Heimweg machte.

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Brigitte Wahlberg-Heinis aus Ketsch fand das Programm toll und fasste ihren Eindruck so zusammen: „Einfach super, schade für jeden, der das verpasst hat.“ Zusammen mit ihrem Mann Gerard besuche sie gern und oft die Veranstaltungen in der Festhalle.

Auch die Ketscherin Sigrid Retzke-Hoffmann fand den Auftritt gut und meinte: „Wie schnell und gut sie improvisiert, das ist sensationell.“ Kulturamtschef Jochen Ungerer verriet: „Wir sahen sie 2019 auf der Kulturbörse in Freiburg, auf der ich zusammen mit meinem Vorgänger Lothar Ertl war. Dann kam Corona und der Auftritt verzögerte sich zweimal.“ Er ergänzte: „Wir sagten uns sofort, dass wir sie in unserem Programm haben wollen. Ihre Mischung aus Cabaret, Musik und Gesang passt genau in unser Konzept.“

Freier Autor Freier Journalist. Davor Pressereferent. Studium der Politikwissenschaft.

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