Brühl. Er redet sich gern in Rage – das weiß sein Publikum in Brühl. Und wenn er dann mal lospoltert, dann gibt es kein Halten mehr. Dann kommt er vom Hölzchen aufs Stöckchen, ohne dabei das Große und Ganze aus dem Auge zu verlieren. Das alles macht er in der überaus direkten Art des gebürtigen Ruhrpöttlers. Und mit diesem Mix begeisterte Kabarettist Wolfgang Trepper sein Publikum in der Brühler Festhalle einmal mehr restlos. Politiker, Schlagersänger, der Nachbar und jeder aus dem Publikum bekam das Fett weg – der eine mehr, der andere weniger, er selbst in erfrischender Weise auch.
Im sehr politischen ersten Teil machte Trepper klar, dass er an keiner der aktuell aktiven Parteien ein gutes Haar lässt. Kaum ein Politiker biete wirkliche normale Alternativen für Deutschland. Und wo er schon mal bei dieser Bezeichnung war: Die Unterstützer der AfD seien nicht normal und bekämen in seinem Programm keinen Raum.
Die anderen schon: Kabinett und Opposition würden kein gutes Bild abgeben. Die undiplomatische Chefdiplomatin Annalena Baerbock, die stahlharte Verteidigungsministerin der Herzen Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die jeden Konflikt mit echtem Wumms beilegen wolle und sogar mit dem Schalke-Trikot die BVB-Fans im Fanblock in Zaum halten könne, die Pharisäerin Nancy Faeser und der absolut unauffällige Kanzler Olaf Scholz – ihnen allen stellt er ein schlechtes Zeugnis aus.
Mehr Frauen in Verantwortung
Dabei sei es richtig und gut, so Trepper, dass mehr Frauen in die Verantwortung vorrückten. „Denn dann sind die auch mal Schuld an allem.“ Das sei in einer Zeit wichtig, in der allen dem Denken verpflichtet seien, dass doch alles so, wie es ist, gut sei. Das „so haben wir es schon immer gemacht“, wird von ihm gnadenlos als Entwicklungsbremse entlarvt.
Übrigens sei es schlimm, wenn die ältere Generation ihr Unverständnis gegenüber der demonstrierenden Jugend zeige, immerhin sei es die ältere Generation, die „alles verkackt hat“ und den nachfolgenden Generationen die Trümmer der Gesellschaft und der Welt hinterlassen. Da sei es immer mal recht ernüchternd, das eigene Tagebuch zu lesen, um zu erkennen, wie man selbst seine eigene Meinung über die Jahre geändert habe.
Schließlich hätten die politisch aktiven Jugendlichen von einst auch gegen viele Themen aufbegehrt. Da sei es gut, wenn die Jugendlichen der nachfolgenden – nicht der letzten, so Trepper – Generation für ihre Zukunft kämpfen – in einer Zeit, in der man versuche, die Kinder immer mehr in Formen zu pressen, dabei statt Fantasie und eigener Meinung Schulwissen in kürzester Zeit zu vermitteln. „Lasst die Kinder spielen und Kinder sein!“ Auf der anderen Seite nicht weniger engagiert forderte Trepper, bei den Alten Respekt vor der Lebensleistung zu zeigen. Ein klares Nein Treppers gab es gegen die kleingeistigen Hetzer, denn „nicht die LSBT*Q ist das Problem, sondern ihr!“ Auch allen anderen Deutschen, die meinen, der Welt erklären zu müssen, wie sie zu funktionieren habe, riet er, lieber mal über sich selber nachzudenken.
Dissonanzen beim Schlager
Sein Lieblingsthema Schlager schlägt in der zweiten Hälfte des Programms richtig zu. Indianer und Zigeuner – sie alle finden sich in den kurzen Einspielungen wieder. Und es sind nicht wenige Songs von „Da sprach der alte Häuptling der Indianer“ von Gus Backus bis zu „Zigeunerjunge“ von Alexandra, in denen diese Bezeichnungen vorkamen und in denen einfache Stereotype gezeichnet wurden.
Da greift Treppers Kritik an der Kritik für solche Songtexte allerdings etwas kurz. Auch wenn er nur von persönlich positiven Emotionen bei diesen Gruppen berichtet, weil beim Cowboy-und-Indianer-Spielen seiner Kindheit die Indianer immer die Guten waren oder durch seine Kontakte zum Fahrenden Volk in der Jugend schöne Erinnerungen geweckt werden, ploppt auch in seiner Erinnerung sofort auf, dass seine Mutter lieber die Wäsche von der Leine genommen hat. Das Publikum lacht.
Die Klischees sind da allerdings bereits ausgesprochen, auch wenn er es wahrscheinlich anders gemeint hat. Ja, die Texte der großen Zeit des Schlager waren unbedarft – hoffentlich. Aber man muss sie auch im heutigen Kontext sehen. Und da mag man die Zeile von Backus unterschreiben: „Schwer ist der Beruf!“
Aber Trepper schafft es auch, sich selbstkritisch zu betrachten. Sport treiben? Ein absolutes Nein von der Bühne. Hätte er die Zeit, joggen zu gehen, würde er sich stattdessen lieber hinlegen. Und eines steht für ihn felsenfest: Er wollte niemals so werden wie sein Vater, der über alles hinweggepoltert sei, sich aufgeregt und richtig in Rage geredet habe. Im Auströpfeln der lautstark vorgebrachten Aussage wird auch dem Letzten im Publikum klar, dass er sich im Ahnen spiegele. Mehr als einmal macht Trepper deutlich, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt.
Gleichwohl: Seine Familie ist einmal mehr gut für den nachdenklich-ruhigen Teil. Trepper erzählt von seinem „Oppa“, den er eigentlich nie kennengelernt hat – nur in den Erzählungen seiner „Omma“. Ihm begegnet der Kabarettist im Traum, in einem fast schon philosophischen Gespräch über das Leben. Fast könnte man meinen, Trepper versinkt da in verklärter Nostalgie, doch schafft er es ein ums andere Mal, diese Klippe geschickt zu umschiffen.
Familie bremst ihn aus
Und das macht er mit viel Liebe für seine Ahnen, die er seit einigen Programmen immer wieder ins Rampenlicht bringt. Sie sind gut für die Zweifel an der Gesellschaft, der die Herzlichkeit der Familie gegenübergestellt wird. Und auch wenn „Oppa“ sagt, das alles nicht mehr zu verstehen, hat er schlitzohrig den Finger genau in die schmerzenden Wunden des heutigen Miteinanders gelegt. Ein emotional sehr fein gesponnener Moment des ansonsten eher lauten Programms.
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