Rathaus

Minus geringer als erwartet: Brühler Rat verabschiedet Jahresrechnung 2023

Die Brühler Kommunalpolitiker verabschieden bei ihrer jüngsten Sitzung die Bilanz für das Jahr 2023. Dabei stellt sich heraus, dass das Haushaltsminus geringer als erwartet ist.

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Markus Müller
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Für die Fertigstellung verschiedener Projekte, wie auf dem Gelände des FV-Sportparks, hat die Gemeinde insgesamt 6,2 Millionen Euro investiert. © Lenhardt

Brühl. Gerechnet haben die Brühler Ratsmitglieder und die Verwaltung damit, dass die Gemeinde 2023 ein Minus von 4,6 Millionen Euro erwirtschaftet. Geworden sind es schließlich 2,7 Millionen. Das geht aus der Jahresrechnung hervor, die der Gemeinderat am Montag verabschiedet hat. Das Defizit im Ergebnishaushalt – vergleichbar einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung – fällt damit deutlich geringer aus als befürchtet. Dennoch bleibe es ein siebenstelliger Fehlbetrag und das schlechteste Jahresergebnis seit dem Einführen des neuen Hauhaltsrechts 2015, hob Bürgermeister Dr. Ralf Göck hervor.

Der Rathauschef fand an dem Zahlenwerk einschließlich der überraschenden Entwicklung auch positive Aspekte: „Es zeigt, dass wir in der Lage sind, unsere finanzielle Situation zu verbessern.“ Das deutlich bessere Abschneiden führte er auf mehrere Faktoren zurück: um jeweils rund 700.000 Euro gestiegene Erträge aus der Gewerbesteuer und Mehrzuweisungen vom Land sowie um 700.000 Euro niedrigere Personalkosten, da Stellen unbesetzt blieben. Durch die staatlichen Preisbremsen habe die Gemeinde zudem bei den Stromkosten 500 000 Euro gespart und bei den Heizkosten 254 000 Euro. Zugleich seien allerdings die Aufwendungen für den Unterhalt kommunaler Gebäude um 1,3 Millionen Euro höher ausgefallen und die Zuschüsse an Dritte – vor allem für Kinderbetreuung und für Umweltförderung – um 798 000 Euro gestiegen, gab er zu bedenken. So standen am Ende den Erträgen von 40,7 Millionen Euro Aufwendungen von 43,4 Millionen Euro gegenüber.

Göck: Kritische Trends

Zu den Personalaufwendungen merkte Bürgermeister Göck an, sie stiegen seit 2015 im Durchschnitt jedes Jahr um 5,86 Prozent. Trotz der Einsparungen blieben sie mit rund 11 Millionen Euro einer der größten Kostenfaktoren. „Diese Entwicklung sollte uns Sorgen bereiten“, sagte er. Besonders kritisch seien daneben die Transferaufwendungen. Hierzu zählen die Umlagen an das Land und den Rhein-Neckar-Kreis sowie die Zuschüsse an andere Institutionen und soziale Einrichtungen. Sie belaufen sich auf insgesamt rund 18,4 Millionen Euro. Allein die Zuschüsse für Kindergärten stiegen nach seinen Angaben um 13 Prozent, was 510 000 Euro entspreche. Das zeige, wie stark der Ausbau der Kinderbetreuung und die familienfreundliche Politik des Gemeinderats den Haushalt belasten. Dennoch sei es erfreulich, dass vergangenes Jahr drei neue Kleinkindgruppen und eine altersgemischte Gruppe im Sonnenschein-Kindergarten eröffnen konnten, betonte er.

Große Investitionen

Auf einem hohen Niveau bewegten sich laut Verwaltungschef Göck erneut die Investitionen. 6,2 Millionen Euro habe die Kommune in verschiedene Projekte gesteckt, etwa das Fertigstellen des FV-Sportgeländes und das Erweitern des Betreuungsangebots an der Schillerschule. „Besonders stolz sind wir auf die Modernisierungen, die der Gemeinde langfristig zugutekommen.“ Als Beispiele nannte er Vorhaben, die die Barrierefreiheit stärken, und die nachgerüstete Lüftungstechnik in den Kinderbetreuungseinrichtungen.

Bei den liquiden Mitteln habe Brühl 2023 mit 115 000 Euro das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Mindestmaß von 666 000 Euro deutlich unterschritten. Die Erlöse aus dem Verkauf der Schrankenbuckel-Grundstücke seien damit in nur zwei Jahren größtenteils aufgebraucht worden. „Das sollte uns als Warnsignal dienen“, mahnte er.

Schwindende Rücklagen

Diesen Herausforderungen zum Trotz sei der Schuldenstand von 5,3 auf 4,5 Millionen Euro gesunken. Die Pro-Kopf-Verschuldung der Brühler liege mit 314 Euro weit unter dem Landesdurchschnitt von mehr als 2000 Euro. Im Vergleich stehe die Kommune also noch relativ gut da.

Bisher sei es gelungen, die Fehlbeträge mit Hilfe der Rücklagen aus wirtschaftlich guten Jahren zu kompensieren, sagte Göck. Doch diese finanziellen Polster seien bald aufgebraucht. Denn: Im Vergleich zum Jahr 2022 seien die Einnahmen der Gemeinde vergangenes Jahr um rund 10 Prozent gestiegen, während die Ausgaben sich um 11,4 Prozent erhöhten. Dieser Trend werde sich wohl fortsetzen. Neben Einsparungen gelte es daher vor allem, andere Einnahmequellen zu erschließen und künftig stärker Prioritäten zu setzen.

Kieser: Fette Jahre sind vorbei

„Wir haben kein Einnahmen-, sonder ein Ausgabenproblem“, stellte Bernd Kieser (CDU) fest. So habe die Gemeinde 2022 durch den Verkauf des FV-Geländes noch ein hervorragendes Ergebnis erzielt und eine üppige Sonderrücklage gebildet. Außerdem habe sie ihre Erträge gegenüber 2022 um etwa 10 Prozent gesteigert und dennoch vergangenes Jahr das „mit Abstand schlechteste Ergebnis“ seit dem Umstellen des Haushaltsrechts eingefahren. Deswegen und wegen der erwartbaren Fehlbeträge 2024 und in den kommenden Jahren würden die Rücklagen komplett aufgezehrt. Besserung sei nicht in Sicht. „Einfach ausgedrückt: Die fetten Jahre sind vorbei. Die Luft nach oben wird immer dünner“, sagte er.

Diese Schieflage beruhe neben der Inflation vornehmlich auf erhöhten Zuschüssen an konfessionelle Kindergärten und bei der Umweltförderung. Letztere liege rund 430 000 Euro – oder 440 Prozent – über dem Planansatz. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob die Gemeinde alles und jedes an Umweltmaßnahmen fördern müsse. Zumal das nicht ihre originäre Aufgabe sei und selbst Bund und Land entsprechende Förderprogramme verringerten. Andere freiwillige Leistungen müssten angesichts der zunehmenden Pflichtaufgaben, auf die Kommune keinen oder nur bedingt Einfluss habe, ebenfalls überprüft werden.

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Dass dem Gemeinderat durch das Regierungspräsidium Karlsruhe das Haushaltsplanungsrecht ein Stück weit entzogen werden solle, wenn sich die Finanzlage weiter verschärft, „ist ein Treppenwitz“, kritisierte Kieser. Denn gerade Bund und Land verschärften die Situation für die Kommunen, indem sie diesen immer mehr Pflichten aufbürdeten. „Einführen der Ganztagsschule, Kinderbetreuung, Flüchtlingsunterbringung“, zählte er auf. In diesem Zusammenhang erinnerte der Christdemokrat an die Kosten für den Neubau des Sonnenschein-Horts, die sich auf 10 Millionen Euro beliefen. Der Bund bezuschusse das Vorhaben mit 2,5 Millionen Euro, das Land mit 630 000 Euro. Der Rest bleibe an der Gemeinde hängen. Seien die Rücklagen aufgebraucht, könne Brühl keine weiteren schlechten Jahre verkraften. Der Rat müsse mit der Verwaltung deshalb verstärkt prüfen, ob Ausgaben bei der Daseinsvorsorge angemessen und vertretbar sind.

Hufnagel: Es läuft etwas schief

Die meisten anderen Städte und Gemeinden im Umkreis hätten ebenfalls schlechte Jahresergebnisse erzielt, sagte Hans Hufnagel (SPD). Das sei jedoch kein Trost und zeige, dass „etwas im finanziellen Zusammenspiel Bund-Land-Kommune schiefläuft“. Die Schere zwischen Ertrags- und Aufwandsseite gehe zusehends auseinander. Bei neuen Vorhaben müsse der Rat abwägen und priorisieren.

Neben den gesetzlichen Vorgaben hänge der Haushalt sehr stark von der gesamtwirtlichen Entwicklung ab, auf der die Anteile an Einkommen- und Gewerbesteuer sowie die Schlüsselzuweisungen beruhten, erklärte Hufnagel. Darauf habe die Gemeinde Brühl keinen Einfluss. Deshalb müsse sie gerade bei großen Investitionen auch die Folgekosten im Auge behalten. Nicht sein könne hingegen, dass Veranstaltungen wie das Sommerfest oder die Kerwe in Frage gestellt werden. Stattdessen solle die Kommune zum Beispiel Photovoltaikanlagen weiter fördern.

Mit der kommunalen Wärmeplanung kämen neue Aufgaben und weitere Kosten auf die Gemeinde zu. Dieses Projekt nütze aber letztlich allen, da parallel die Preise für fossile Energieträger stetig stiegen. Positiv wertete er außerdem, dass mit der „Grünen Mitte“ circa 300 Wohnungen entstehen und nächstes Jahr die angestrebten Sozialwohnungen in der Albert-Einstein-Straße bezugsfertig werden. Angesichts der steigenden Personalkosten nicht zuletzt in den Betreuungseinrichtungen forderte der Sozialdemokrat von Bund und Land, diese stärker zu fördern.

Pietsch: Besorgniserregend

„Unsere von manchen als zu düster bezeichneten Prognosen nehmen nun leider doch Gestalt an“, kommentierte Klaus Pietsch (Freie Wähler) die Jahresrechnung. Die genannten Verbesserungen seien nur optischer Natur. Das geringere Minus zum Beispiel sei lediglich ein „besseres Negativergebnis“ und die geringeren Personalkosten nicht oder nicht schnell besetzten Stellen geschuldet. „Diese Kosten kommen zeitversetzt aber doch noch auf die Gemeinde zu“, wandte er ein. Auch ändere sich nichts an dem strukturellen Problem, dass die Kommune mehr ausgeben muss, als sie einnimmt. Die noch vorhandenen Rücklagen und der noch vergleichsweise niedrige Schuldenstand seien darüber hinaus nur Momentaufnahmen. Aufgrund der bereits beschlossenen und sich in der Umsetzung befindlichen Großprojekte wie dem Kinderbildungszentrum und bevorstehender hoher Investitionen unter anderem in die Feuerwehr werde der Schuldenberg stark wachsen. „Insofern blicke ich mit großer Sorge auf die kommenden Jahre“, erklärte Pietsch. Zugleich stellte er klar: Durch höhere Steuern und Gebühren die Einnahmen zu verbessern, hielten die Freien Wähler für problematisch und würden dem nicht zustimmen.

Dobrotka: Gürtel enger schnallen

Beim Erstellen des Haushalts 2023 habe seine Fraktion nicht mitgewirkt, da sie noch nicht im Brühler Rat vertreten war, erinnerte Tino Dobrotka (AfD). Die Jahresrechnung spiegele den allgemeinen Trend wider, dass alles teurer wird. Die Finanzlage der Gemeinde bleibe daher angespannt und werde immer schwieriger. Deshalb sei es unumgänglich, „dass wir den Gürtel enger schnallen und sparen“. Wo und wie genau Einsparpotenzial bestehe, darüber sei noch zu beraten.

Frank: Längerfristig planen

Peter Frank (Grüne Liste) betonte, Abweichungen vom Haushaltsplan werde es immer geben. Wichtig sei, Einnahmen und Ausgaben möglichst realistisch zu planen. Ändere sich nichts an dem grundsätzlichen Problem, dass die Aufwendungen die Erträge übertreffen, seien die Rücklagen in naher Zukunft aufgebraucht und negative Haushaltsergebnisse bald schon an der Tagesordnung.

„Hier müssen Lösungen erarbeitet werden“, forderte er. Dazu bedürfe es langfristiger Planungen für fünf bis zehn Jahre und darüber hinaus. Um die Pflichtaufgaben erfüllen zu können, müssten die „Kann-Aufgaben“ wohl zurückgeschraubt werden. Den Folgen aktueller Krisen in aller Welt und des Klimawandels müsse sich die Gemeinde aber schon jetzt stellen, indem sie klimaschützend haushalte. So seien Investitionen in die Feuerwehr und den Hochwasserschutz nötig.

Redaktion

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