Villa Meixner

Podiumsdiskussion in Brühl: „Eltern müssen nicht perfekt sein“

Das Thema Familie stand im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde in der Villa Meixner, zu der die SPD-Politiker Sandra Reiff und Daniel Born eingeladen hatten.

Von 
Jörg Runde
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Christel Schmelz, Sandra Reiff, Erika Hohm und Daniel Born diskutierten in der Villa Meixner über das Thema Familie. © Jörg Runde

Brühl. Wie können Familien heute so unterstützt werden, dass aus dem täglichen Spagat zwischen Beruf, Betreuung, eigenen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Erwartungen echtes Miteinander entsteht? Mit dieser Frage luden Landtagsvizepräsident Daniel Born und Sandra Reiff, Gemeinderätin aus Ketsch, am Montag zum Diskussionsabend in die Villa Meixner in Brühl ein.

Die Veranstaltung, die rund 20 Personen anlockte, ging auf alle relevanten Punkte ein. „Familien leisten enorm viel – und das oft unter Bedingungen, die ihnen das Leben unnötig schwer machen“, betonte Moderatorin Sandra Reiff, die sich seit Jahren auf kommunaler Ebene für Familien starkmacht. Die Suche nach passenden Kita-Plätzen, die Vereinbarkeit von Schichtdiensten mit der Betreuung oder Pflege von Angehörigen: Es gibt viele Hürden, die Familien tagtäglich meistern müssen.

In Baden-Württemberg fehlen 60.000 Kita-Plätze

SPD-Politiker Daniel Born, ebenfalls leidenschaftlicher Streiter für Familien und Chancengerechtigkeit, unterstrich: „Familien brauchen keine Sonntagsreden, sondern verlässliche Unterstützung im Alltag. Frühkindliche Bildung, Ganztagsangebote, familienfreundliche Arbeitsmodelle – das alles sind Bausteine, die Familien wirklich stark machen. Wer Familien stärkt, sorgt auch für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“ In diesem Zusammenhang wies Born darauf hin, dass in Baden-Württemberg immer noch 60.000 Kita-Plätze fehlen und die Schulen nicht so ausgestattet sind, wie es sein sollte. „Dazu kommt, dass es immer noch zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Familien gibt. In diesen Bereichen ist natürlich vor allem die Politik gefordert“, fügte Born an.

Überhaupt sei die finanzielle Not in vielen Familien das größte Problem. Das bestätigten auch die Podiumsteilnehmer aus der Praxis. Erika Hohm, Leiterin des Fachbereichs Frühe Hilfen Mannheim und Christel Schmelz vom Kinderschutzbund Hockenheim sehen hier den größten Handlungsbedarf für die Politik.

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Hohm erläuterte dann, wie in Mannheim Familien bereits ab der Geburt unterstützt werden: „Wir wollen von Anfang an Ressourcen stärken – damit kleine Herausforderungen nicht zu großen Problemen werden.“ Das zentrale Stichwort lautet „Resilienz“.

„Die psychische Widerstandskraft ist wie das Immunsystem der Seele. Schon Säuglinge besitzen diese Fähigkeiten, sie müssen aber gestärkt werden – durch stabile Eltern und ein unterstützendes Umfeld“, sagte Hohm. Das Angebot der Frühen Hilfen ist bewusst niederschwellig. „Wer sich bei uns meldet, dem wird geholfen.“

Die Frühen Hilfen setzen genau dort an, wo vor allem Mütter besonderen Unterstützungsbedarf haben – oft schon in der Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren des Kindes. Dabei spielt auch der Umgang mit den sozialen Medien eine Rolle. „Da wird den Eltern oft eine heile Welt vorgegaukelt. Mit der Realität einer der Elternschaft ist aber eine ganz andere. „Eltern müssen nicht perfekt sein“, betonte Hohm.

Sind die Boomer bereit fürs Ehrenamt?

Christel Schmelz und ihre Mitstreiter im Kinderschutzbund Hockenheim und Umgebung, sehen das genauso. Seit über 40 Jahren ist der Verein „die Lobby für Kinder“, setzt sich für ihre Rechte ein, fordert eine kinderfreundliche Umwelt und stärkt Eltern durch Kurse, Beratung und niederschwellige Angebote. Mit ehrenamtlichen Familienpatinnen und -paten begleitet der Verband inzwischen Familien aus Hockenheim, Brühl, Ketsch und weiteren Kommunen im Alltag – lange bevor eine Krise eskaliert. „Wir sind im Alltag für die Familie da. Wir sind bei den Kindern, wenn die Eltern mal eine Auszeit brauchen. Eine Mütze Schlaf zum Beispiel oder Zeit für einen Spaziergang“, sagte Schmelz und fügte an: „Manche nutzen die freie Zeit einfach dafür, in Ruhe die Hausarbeit erledigen zu können.“

Angesichts dieser Unterstützung für Familien durch die Frühe Hilfen und die Familienpaten gehe ihr das Herz auf, sagte Moderatorin Reiff und zitierte das bekannte afrikanische Sprichwort, um ein Kind aufzuziehen, brauche es ein ganzes Dorf. An Hohm und Schmelz gerichtet, sagte Reiff: „Sie sind mit ihrem Angebot in der heutigen Zeit ein Teil dieses Dorfes. Ihre Arbeit ist wirklich sehr wertvoll.“

Um das Angebot auch in Zukunft aufrecht halten zu können, werden immer wieder ehrenamtliche Helfer gesucht. Ein Vorschlag, wer das in Zukunft übernehmen könnte, kam aus dem Publikum. Die Boomer, die jetzt in Rente gehen, könnten das doch jetzt übernehmen, sagte eine Besucherin. „Keine schlechte Idee“, sagte Born und dankte den vielen ehrenamtlichen Helfern, die sich in dem Bereich bereits engagieren.

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