Brühl. Ob es ein Erfolg wird, erschien damals ungewiss. In einer achtstündigen Marathonsitzung wurde 1973 in Brühl-Rohrhof die Rhein-Neckar SPD gegründet. Keine leichte Geburt, so Dr. Andrea Schröder-Ritzrau, stellvertretende Kreisvorsitzende der Rhein-Neckar SPD, sowie der SPD-Landtagsvizepräsident Daniel Born.
Bei der Begrüßung zu einer Geburtstagsfeier in der Festhalle im Beisein der saarländischen SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger zitierten die Beiden aus einem Artikel der Schwetzinger Zeitung, der damals zwar konstatierte, dass das Kind geboren sei, aber ob es überleben werde, sei alles andere als sicher. Heute, 50 Jahre später, stehe außer Frage, dass die SPD Rhein-Neckar blendend dastehe. Rehlinger ergänzte später mit einem Bonmot aus dem Saarland, das besagt, dass schwere Geburten die schönsten Kinder hervorbrächten.
Auch wenn der Anlass ein freudiger war, gab es in diesen hochpolitischen Zeiten doch kein Ausweichen ins Seichte. Vom Krieg in der Ukraine über die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien bis zum Klimawandel und der daraus entstehenden Notwendigkeit einer tiefgreifenden Transformation lebe man in schwierigen Zeiten. Zugleich habe die SPD in den Augen der Beiden das wohl am besten passende Rüstzeug zur Bewältigung. Solidarität, Respekt und Verlässlichkeit seien die SPD-Konstanten und sie seien für den Zusammenhalt der Gesellschaft wichtig wie nie.
Wobei man auch für das Geburtsjahr 1973 einige weltpolitische Stürme vermerken kann. Im Zuge des Jom-Kippur-Krieges, als Ägypten und Syrien Israel angriffen, reduzierten die arabischen Länder die Ölfördermengen massiv und lösten eine erste Wirtschaftskrise im Westen aus. Als Reaktion wurde damals ein Fahrverbot an Sonntagen angeordnet. In den USA geriet Präsident Nixon in den Watergate-Strudel und erstmals lieferte die Sowjetunion Erdgas nach Deutschland. Es gab also auch damals gute Gründe, die Welt in den Blick zu nehmen, denn viele dieser weit entfernten Ereignisse hatten einen beachtlichen Einfluss auf die Lebensverhältnisse hier.
Ein Satz, der heute wieder gilt wie nie. Nach einem Grußwort von Bürgermeister Dr. Ralf Göck, einer Vorstellung Rehlingers durch den SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci und einem wunderbar musikalischen Intermezzo, Leonie und Michelle Kontos präsentierten ein Préludes von Rachmaninow und später von Brahms die Ungarischen Tänze, übernahm die Ministerpräsidentin des Saarlandes das Zepter in der Festhalle und vermaß die Welt mit Blick auf Deutschland.
SPD Rhein-Neckar: Angriffskrieg erfordert Antworten
Angesichts der verknoteten Welt kann auch eine Landespolitikerin nicht nur ihr Land, geschweige ihr Bundesland, in den Blick nehmen. Der russische Angriffskrieg erfordere Antworten, die noch vor einem Jahr unvorstellbar gewesen seien und auch Zumutungen mit sich brächten. Leiden, so Rehlinger, würden vor allem die Menschen in der Ukraine. Doch auch hier seien die Menschen betroffen. Von steigenden Kosten bis zur ideellen Herausforderung rund um die Fragen von Krieg und Frieden habe das Land einiges auszuhalten. Dabei formulierte die SPD-Politikerin einige Prämissen. Ganz vorne stünde, „Putin muss diesen Krieg verlieren“. Heißt in Richtung Ukraine, „wir müssen eine mitfühlende Gesellschaft bleiben“.
Genauso wichtig sei es aber auch, die Eskalationsgefahr im Blick zu haben. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass ihr ein umsichtig handelnder Bundeskanzler lieber sei als Politiker, die am liebsten per Twitter Waffenlieferungen auslösen möchten oder die Ukraine gar im Stick lassen wollten. Die beiden letztgenannten Impulse sind für sie, gemessen am Applaus der große Mehrheit im Festsaal, das Gegenteil von erwachsener Verantwortungsübernahme.
Das gelte auch für die Frage der Migration. Ja, die Belastungen seien groß. Aber am Ende gilt für sie, dass es gelingen muss. Für Rehlinger geht es um mehr als nur die momentane Notsituation. Denn der Mangel an Wohnraum sei systemisch und müsse systemisch angegangen werden: „Und zwar jetzt.“ Bei allem Reden über Krisen und Gefahren geraten für Rehlinger die Chancen aus dem Blick. Der regenerative Umbau des deutschen Energiesystems sei ein Weg für Deutschland, in Sachen Energieversorgung unabhängig zu werden und das Klima zu schützen. Ja, es würde auch Deutschland als Industriestandort und damit Arbeitsplätze schützen. Für Deutschland und Europa sei es der einzige Weg, um in der Weltwirtschaft bestehen zu können.
Zunehmend wichtig werde, dass das Land schneller und in der Folge auch wieder handlungsfähiger werden muss. Zuallererst müsse hierfür die Regelungstiefe verringert, also Bürokratie abgebaut werden. „80 Prozent zur richtigen Zeit sind besser als 100 Prozent zum falschen Zeitpunkt.“ Es gehe aber auch um Digitalisierung und mehr Mitarbeiter beim Staat.
Wichtig: Bei all dem dürfe das Soziale nicht aus dem Blick geraten. Rehlinger glaubt, dass Sozialpolitik das Instrument sei, um den Menschen die Angst vor der Zukunft zu nehmen. Auf der Habenseite verzeichnet sie hier etwa den auf zwölf Euro erhöhten Mindestlohn. Es wäre schön, wenn das auch schon für die Kindergrundsicherung gelte. Nicht viel beschäme ein Land mehr als Kinder in Armut. Die Zukunft darf für Rehlinger „kein Angstraum“ werden. Ja, sie müsse wieder ein Versprechen werden, voll Zuversicht hin zum Besseren.
Der Reigen zum 50. Geburtstag der Rhein-Neckar SPD führt mit einer dreirädrigen, knallroten Piaggio nun durch alle 54 Kreis-Kommunen und endet am 11. November in Walldorf mit einem SPD-Galaabend.
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