Industriegeschichte

Schütte-Lanz in Brühl vor 100 Jahren: Vom Luftschiff zum Segelboot

Wegen der Versailler Verträge musste das Brühler Unternehmen Schütte-Lanz vor einem Jahrhundert auf neue Produkte umstellen.

Von 
Ralf Strauch
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Bei einem Sammler im tschechischen Prag hat das Mitglied des Vereins für Heimat- und Brauchtumspflege Marco Böhme diesen Satz von Prospekten für Schütte-Lanz-Boote erstanden. © böhme

Brühl. Es war keine leichte Zeit für das Unternehmen Schütte-Lanz – und das gerade einmal zehn Jahre nach der Gründung des Unternehmens 1909. Entsprechend der Versailler Verträge mussten 1919 die Luftschiffe zerstört oder an die Siegermächte abgeliefert werden. Alle Anlagen zur Herstellung sollten bis 1922 abgebrochen werden. Auch das zweite Standbein während des Ersten Weltkriegs, die Produktion von Flugzeugen, brach weg.

Doch die Unternehmensleitung zeigte sich innovativ in der Produktpalette. So wurden beispielsweise Herdplatten und Töpfe im Brühler Werk hergestellt. Doch die Kernkompetenz lag eigentlich in der Produktion und Verarbeitung von Sperrholz. Damit wurden nicht nur Möbel und ganze Innenausbauten gefertigt, sondern auch Boote.

Aus dem Sortiment von Schütte-Lanz: Ein Flachboot, wie es vor 100 Jahren in der Brühler Werft aus Sperrholz gefertigt wurde, präsentiert sich werbewirksam in einer Brühler Luftschiffhalle, die 1922 abgerissen wurden. © Böhme

Diese Linie der hölzernen Wasserfahrzeuge von Schütte-Lanz war zwar dem Verein für Heimat- und Brauchtumspflege bekannt, es gab auch eine Fotografie eines Flachbootes, doch weitere wirklich aussagekräftige Exponate hatte man nicht. Das hat sich nun geändert, denn Marco Böhme hat bei einem Sammler im tschechischen Prag eine Serie von Prospekten für die Schütte-Lanz-Flotte entdeckt und sofort als Dokumente für die Brühler Industriegeschichte erstanden.

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Der Clou der sehr leichten Brühler Sperrholzboote war der im Unternehmen entwickelte wasserfeste Holzkleber Luward. Und weil der eine Grundvoraussetzung für funktionierende Boote war, erhielt die Serie auch gleich seinen Namen. In Brühl wurden so Kanus mit und ohne Besegelung sowie Kanadier gebaut, außerdem Stakboote, Beiboote, Ruder- und Segeljollen. Sie alle hatten einen unschlagbaren Vorteil, nämlich ihr niedriges Gewicht bei gleichzeitig hoher Stabilität durch das verbaute Sperrholz. „Luwardboote sind daher Idealfahrzeuge für Wanderfahrten, sie lassen sich mühelos, selbst im beladenen Zustand, mit Ausrüstung und Gepäck transportieren und sind mechanischen und Witterungs-Einflüssen äußerst gewachsen“, lobt in den 1920er Jahren der Prospekt die Boote aus Brühl.

Doch so sehr man sich freuen darf, dass Schütte-Lanz in Brühl vor rund 100 Jahren von der Kriegsmaschinerie zu Freizeitgefährten gewechselt hat, ist der Umgang mit dem Unternehmen für viele Menschen bis heute schwierig.

Mit scharfer Kritik wenden sich aktuell die Grünen gegen die geplante Verlegung einer Gedenkplakette für das Schütte-Lanz-Luftschiff. Der Verein Kurpfälzer Meile der Innovationen will sie am Freitag, 24. März, auf dem Gehweg am Ehrenhof des Mannheimer Schlosses anbringen. Nicht nur dass die Luftschiffe und Flugzeuge wichtige Kriegswaffen gewesen seien, die Kritiker betonen auch, dass Konstrukteur Johann Schütte (1873-1940) ein glühender Anhänger des Naziregimes gewesen sei und die „Machtergreifung“ der NSDAP begeistert begrüßt hatte.

Redaktion

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