Katholische Gemeinde

So ist das Ergebnis der Brühler Hoffnungs- und Klagemauer

Der Brühler Pfarrer Erwin Bertsch sowie die Diakone Kurt Gredel und Heiko Wunderling ziehen eine positive Bilanz über die Hoffnungs- und Klagemauern in den Gotteshäusern.

Von 
Noah Eschwey
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Zum neuen Kirchenjahr wird die Klage- und Hoffnungsmauer abgebaut. Die Backsteine können bei der Gemeinde für den halben Preis gekauft werden, die Erlöse sind für einen guten Zweck bestimmt. © Wunderling

Brühl/Ketsch. „Die Kirche braucht dringend mehr Glaubwürdigkeit“, sagt Pfarrer Erwin Bertsch in seiner Predigt am vergangenen Sonntag. Auch die Institutionen selbst müssten vorleben, was sie verkünden. Ungewohnt direkte – aber dennoch notwendige – Worte des Katholiken, wie die Resonanz auf die Hoffnungs- und Klagemauer zeigt.

Brühler Bürger teilen Unmut, Dank und Verbesserungsvorschläge mit

Seit Mitte September bis zur angesprochenen Predigt konnten Gemeindemitglieder und andere Bürger Unmut, Danksagungen, Verbesserungsvorschläge und Gebete der Kirche vortragen. Möglich machten die Verantwortlichen das mit aufgestellten Backsteinen, die den symbolischen Titel „Hoffnungs- und Klagemauer“ trugen.

Die Idee sei im Frühjahr bei der Jahresplanung aufgekommen, doch nicht bei den Festangestellten der katholischen Kirche, verrät Diakon Heiko Wunderling: „Natürlich beschäftigten im vergangenen Jahr viele die negativen Schlagzeilen über die katholische Kirche. Die Ehrenamtlichen im Pfarrgemeinderat kamen daraufhin mit dem Vorschlag, den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihren Unmut zu äußern.“ Diakon Kurt Gredel fügt hinzu: „Wie es in der Bibel steht: Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten soll man sie erkennen.“ Also taten die Verantwortlichen – besser gesagt: sie bauten und zwar eine Mauer. Mitten in die Kirche – sowohl in Brühl als auch in Ketsch.

„Natürlich war die Idee an die berühmte Klagemauer in Jerusalem angelehnt. Allerdings heißt die dort Westmauer, denn sie war ursprüngliche die westliche Wand des Tempels, der im Jahr 70 nach Christus zerstört wurde“ – wichtige Fakten, die Pfarrer Bertsch beisteuert, denn in erster Linie sei die Mauer für israelische Juden ein zentraler Gebetsort. „Aber es wurde eben auch die Zerstörung des Tempels an dieser Mauer bedauert, so kam sie zu diesem Namen“, sagt Bertsch.

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Auch an der Brühler Mauer sei viel bedauert worden – hauptsächlich allerdings Missstände, die schwer zu verändern seien für die Brühl-Ketscher Katholiken, wie Wunderling ausführt: „Machtmissbrauch, Zölibat, Gleichstellung der Frau und vieles mehr. Zwar gab es sehr gute und sachliche Kritik, es ist allerdings schwer für uns, die strukturellen Probleme der Institution zu beseitigen.“ Doch die engagierten Kirchenvertreter möchten es trotzdem versuchen: „Die berechtigte Kritik soll nicht untergehen. Daher haben wir alle Punkte zusammengefasst und werden sie dem Pfarrgemeinderat vorstellen. Damit der Ausdruck der Unzufriedenheit unserer Gemeindemitglieder nicht in Brühl und Ketsch endet, werden wir die Kritik an die zuständigen Stellen brieflich weiterleiten.“ Und diese Kritik äußerten die Gemeindemitglieder ungehemmt – so zählt die Zusammenfassung aller Punkte ganze vier Seiten.

Der katholische Pfarrer Erwin Bertsch (v. l.) ist mit den Diakonen Kurt Gredel und Heiko Wunderling im Gespräch. © Eschwey

Doch auch an der örtlichen Institution in Brühl-Ketsch gab es Kritik, wie Gredel eingesteht: „Was unsere Kirche direkt betrifft, ging es um Kleinigkeiten. Der Gottesdienst solle musikalischer gestaltet und das Mikrofon anders eingestellt werden.“ Selbstverständlich wolle das Team den Wünschen der Kirchengemeinde nachkommen. Und zum Schmunzeln sei auch etwas dabei gewesen: „Der Pfarrer soll mal mehr lächeln“, wünscht sich ein Gemeindemitglied. „Die Gestaltung des Zettels spricht dafür, dass hier ein Kind am Werk war“, vermutet Diakon Wunderling. Natürlich nehme die Kirchengemeinde auch diesen Wunsch ernst.

Fundamentale Kritik an der Katholischen Kirche hat durchaus Berechtigung

Nachdem die Kirchengemeinde schon im vergangenen Jahr 250 Austritte hinnehmen musste, zählt sie auch in diesem Jahr 156 Menschen, die der Kirche in Brühl-Ketsch den Rücken kehrten. „Schon früher sagten die Menschen nein zur Kirche, aber ja zum Glauben. Heute sagen viele nein zum Glauben und zur Kirche erst recht nein“, sagt Pfarrer Bertsch. Seiner Ansicht nach gebe es berichtigter Weise fundamentale Kritik an der katholischen Kirche. „Trotzdem kann das nicht der einzige Grund für die vielen Austritte sein, sonst gebe es diese ja nicht in der evangelischen Kirche.“ Bei den Protestanten gebe es kein Zölibat, Pfarrerinnen und demokratische Mitwirkung und trotzdem viele Menschen, die sich von der Kirche abwenden. „Ich denke, es ist die Christengemeinde im Ganzen, die Glaubwürdigkeit zurückgewinnen muss. Eigentlich waren christliche Gemeinden attraktiv, weil sie zusammen standen.“

Wie wichtig die Aufpolierung des Kirchenimage in Deutschland sei, werde unterschätzt, denkt Kurt Gredel: „Wenn es die Kirche nicht mehr geben sollte, gibt es auch die Caritas nicht mehr. Die Jugendarbeit. Die Seniorennachmittage. Die soziale Unterstützung Bedürftiger. Das müssen wir verhindern.“ Schon jetzt könne in der Kirche viel nicht mehr so laufen, wenn es nicht die Ehrenamtlichen gebe, sagt Wunderlich. „Auch bei der Mauer sind wir sehr dankbar. Ohne die Hilfe der Ehrenamtlichen wäre das schon nichts geworden.“

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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