Brühl. Die Daten zum Klimawandel werden immer dichter. Überall auf der Welt sind seine Spuren zu sehen. Für einige Regionen der Welt nutzen Forscher mittlerweile den Begriff „Habilität“. Ein Begriff, der aus der Astronomie stammt und am besten mit Bewohnbarkeit übersetzt wird. Das Leben braucht Voraussetzungen und bis dato weiß man nur von einem Planeten, der diese Voraussetzungen bietet – die Erde. Doch es könnte in Zukunft Regionen geben, wo diese Habilität, die Bewohnbarkeit, zunehmend infrage steht. Und genau deswegen, so Peter Kolbe von der Klimaschutz- und Energie-Beratungsagentur Heidelberg (Kliba), ist das Engagement an der Klimawendefront so wichtig. „Es geht um jedes Zehntelgrad weniger.“
Dabei keimt in seinen Augen in Brühl ein zartes Pflänzchen namens Hoffnung. Denn in der Hufeisengemeinde scheinen Klimaschutz und Energiewende wirklich angekommen zu sein. „Da tut sich im öffentlichen Bewusstsein wirklich was“, sagt Kolber, der am Klimaschutzkonzept der Gemeinde Brühl mitgearbeitet hat.
Die Zahlen rund um neue Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf Dächern und Balkonen, das betonten auch Bürgermeister Dr. Ralf Göck, der kommunale Umweltberater Andreas Askani sowie die Klimaschutzmanagerin Birgit Sehls im Gespräch mit unserer Zeitung, seien jedenfalls sehr erfreulich.
Allein im laufenden Jahr seien in Brühl 174 PV-Anlagen neu hinzugekommen. 114 an Balkonen und 60 auf Dächern. Das ist, wenn man in die Vergangenheit sieht, ein beachtliches Plus. In den Jahren seit 2006 verzeichnete Askani in Sachen Photovoltaik im Schnitt zehn bis 20 Neuanlagen pro Jahr.
Echte Solar-Offensive
Im Jahr 2020 waren es dann 44, im Jahr 2021 wieder nur 33 neue PV-Anlagen. Einen ersten Sprung gab es letztes Jahr mit insgesamt 103 neuen Anlagen und jetzt sind es bis Ende Juli 174 PV-Anlagen.
Von einer Solar-Offensive zu sprechen, wie das der Bürgermeister im Frühjahr tat, erscheint da nicht mehr zu hoch gegriffen. Auch Helmut Sprengel, Mitglied der Arbeitsgruppe „Erneuerbare Energien“ lässt keinen Zweifel daran, dass ihn diese Entwicklung „freudig überrascht“.
Als die Arbeitsgruppe ins Leben gerufen wurde, ahnte niemand so genau, wie es laufen wird. Jetzt ist das Urteil klar, es läuft. Bei den Beratungsterminen einmal im Monat in der Stadtbücherei kommen im Schnitt 30 bis 35 Interessierte und das Monat für Monat. Ganz wichtig, sagt Helmut Sprengel, es kämen Interssierte aus allen Generationen. Auch 70- oder 80-jährige würden nun ihre persönliche Energiewende angehen.
Förderung bis zu 3000 Euro
Diese Entwicklung hat natürlich auch mit der vom Gemeinderat beschlossenen Förderung zu tun. In Brühl werden PV-Anlagen für Balkone mit bis zu 500 Euro maximal gefördert. Das ist rund die Hälfte der Investition. Amortisiert hat sich das Ganze, so schätzt Sprengel, im Schnitt nach drei bis vier Jahren.
Bei PV-Anlagen auf dem Dach samt Speicher gibt es von der Kommune bis zu 3000 Euro. Ein Anreiz, der sich im Zuge der dichter werdenden Klimawandeldaten und auch dem Krieg Russlands gegen die Ukraine als sehr wirkmächtig erwies.
Trotzdem ist der Erfolg für Sprengel relativ. Es sei noch sehr weit bis zum Gipfel. In einer idealen Welt wären größere Parkplätze mit PV-Anlagen jetzt schon überdacht und alle geeigneten öffentlichen Gebäude mit PV-Anlagen geradezu zugekleistert. Am Ende, so der Kliba-Mann Peter Kolbe, wird das aber nicht reichen.
„Unabhängig von einem Energietransfer von außen wird Brühl nicht.“ Dafür seien die Gegebenheit nicht gut genug. Trotzdem und gerade deshalb sei es wichtig die örtlichen regenerativen Energiepotenziale bis an die Grenze der Wirtschaftlichkeit zu nutzen. „Und zwar so schnell und gut es geht.“ Denn das Energiesystem Deutschlands bleibe ein Solidarsystem. Und ein Solidarsystem bedinge den Einsatz von jedem, so gut er kann. Am Ende gelte daher, jeder müsse in Sachen Energiewende das Möglichste tun, um die Energiewende für alle zum Erfolg zu machen. Nur so könne für das Klima der maximal mögliche Schutz bewerkstelligt werden. Auch wenn es für das Pariser 1,5 Grad Ziel nicht gut aussehe. Für Brühl, Deutschland, Europa und die Welt gehe es in Sachen Erhalt der Habilität, also der Bewohnbarkeit des Planeten, um jedes Zehntelgrad weniger. Und dafür lohne sich jeder Einsatz, auch der für ein vermeintlich kleines Balkonkraftwerk. Ein Denken, das sich in Brühl allem Anschein nach zu verfestigen scheint.
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