Brühl. Gleich dreimal 125 Jahre galt es am Wochenende rund um die Villa Meixner in Brühl zu feiern. Da war zum einen der 125. Geburtstag der Jugendstilvilla. Dazu wurde für die Festveranstaltung ein ganz besonderer Kulturgenuss geboten, bei dem der bekannte Moderator Martin Seidler und Tastenvirtuose Peter Grabinger an den ebenfalls 125. Geburtstag des deutschen Schriftstellers, Publizisten, Drehbuchautoren und Kabarettdichters Erich Kästner erinnerten.
Bevor es aber ins Innere des Brühler Musentempels ging, würdigte Bürgermeister Dr. Ralf Göck bei einem kleinen Stehempfang im Jugendstilgarten die Bedeutung des Gebäudes für die Hufeisengemeinde. Im Parforceritt ging es durch die Geschichte des altehrwürdigen Gemäuers; von der Entstehung als repräsentatives Haus des Ziegeleibesitzers und Bürgermeisters Albert Eder 1899 über den baldigen Verkauf an die Familie Meixner, die Beschlagnahmung durch die US-Streitkräfte, die Nutzung als Gemeindewohnhaus bis zur Erweckung als Musentempel in den 1980er Jahren.
Gebäude begrüßt die Besucher Brühls direkt am Ortseingang
„Dass ein Gebäude 125 Jahre alt ist und die Substanz hat, weitere 125 Jahre hier am Ortseingang die Menschen in Brühl zu begrüßen“, sei an sich schon erstaunlich, betrachte man die Halbwertszeit aktueller Gebäude, stellte der Bürgermeister fest. Mindestens ebenso erstaunlich sei die Tatsache, dass damals von der Planung 1898 durch den Architekten Ludwig Jahn, der zu dieser Zeit ganz moderne Stilelemente einbezog, bis zum Einzug 1899 durch Eder gerade einmal ein Jahr verging. Bei den Mehrfamilienhäusern in der Albert-Einstein-Straße habe diese Phase aktuell mehr als fünf Jahre gedauert. Dass vor nunmehr fast 40 Jahren die vor sich hin dämmernde Villa als Kulturzentrum wachgeküsst wurde, erscheine heute, zu einer Zeit in der die Gemeinde kaum das Geld habe, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen, unvorstellbar.
Mit Leben gefüllt wurde das Haus durch die Kulturchefs Uwe Donath, Lothar Ertl und Joachim Ungerer sowie Katja Rheude. Aber als gute Seele der Villa Meixner nannte Göck auch den seit 36 Jahren dort tätigen Hausmeister Ulrich Baar. Bevor er an drei der Genannten ein kleines Geschenk überreichte, stellte Göck noch fest: „Wir Brühler sind stolz auf unser Kleinod!“
Und das dürfen die Menschen in der Gemeinde auch sein, so lange solche Kulturgenüsse, wie der im Anschluss an den Empfang im Innern der Villa Meixner, geboten werden. Der Abend war dem Gedichtzyklus „Die 13 Monate“ von Erich Kästner gewidmet. Rezitator Seidler und Pianist Grabinger – beide sind alte Bekannte auf den Brühler Bühnen – erweckten die Verse, die durchs Jahr führen, mit wunderbaren Klangbildern zum Leben. In der Kombination aus Wort und Musik erwuchs eine eindrucksvolle Dynamik, die man beim stillen Lesen der wunderbaren Verse nicht erleben kann.
Rhythmus und atmophärische Zeilen in der Villa Meixner in Brühl
Mit viel Rhythmus und einer der jeweiligen Atmosphäre der Zeilen fein angepassten Stimme erweckte Seidler die gedruckten Worte so plastisch zum Leben, dass man die detaillierten Beobachtungen Kästners für jeden Monat fühlen konnte. In jedem Gedicht preist Kästner die Schönheit, aber auch die melancholischen Seiten der jeweiligen Jahreszeit. Und genau das wurde vom Rezitator sensibel ziseliert präsentiert.
Oftmals tritt dabei der jeweils besungene Monat selbst in personifizierter Form auf, mal als Neugeborenes, mal als Greis, der um die Stunde seines Endes weiß. Häufig wird dieses Thema des unweigerlichen Vergehens der Zeit aufgegriffen. Doch bevor das Jahr mit „Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise. Und werden kann nur, was schon immer war. Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.“ ausklingt, sorgte der fantastische Pianist Grabinger für die punktgenaue musikalische Adaption der Worte. Exakt interpretierte er Werke von Mozart bis Bernstein sowie eigene Kompositionen passgenau auf jede Silbe. In ihrer symbiotischen künstlerischen Beziehung schufen die beiden so einen unbeschreiblich intensiven Hörgenuss, für den man nur danken kann.
Bleibt nach dem Jubiläum 125 Jahre Villa Meixner und dem 125. Geburtstag von Erich Kästner noch eine Frage zu klären: Woher kommt die dritte 125? Nun, die beiden Künstler des Jubiläumsabends bringen es gemeinsam auf 125 Lebensjahre. Nur darüber, wie die sich zwischen den beiden aufteilen, zeigten sich Martin Seidler und Peter Grabinger humoristisch uneins.
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