Eppelheim/Heidelberg. Im Schwurgerichtsprozess gegen einen 34-jährigen Mann aus Sri Lanka, dem die Staatsanwaltschaft versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorwirft, hörte die Strafkammer des Landgerichts Heidelberg am vierten Verhandlungstag die Plädoyers. Zuvor wurde mit dem Wirt der Café-Bar in Eppelheim, in der sich die Bluttat am frühen Morgen des 27. Juli 2022 ereignet hatte, der letzte Zeuge vernommen. Der 52-jährige Gastronom will von einem Streit an der Theke „nicht viel mitbekommen“ haben.
Der Angeklagte und sein späteres Opfer, beide Stammgäste des Lokals, seien „eigentlich immer ruhige Personen gewesen“. Als der Geschädigte den 34-Jährigen aufgefordert habe, „die Fresse zu halten“, sei er kurz dazwischen gegangen, um die Hitzköpfe auseinanderzubringen. Andere Zeugen hatten von einer laustarken Auseinandersetzung mit drastischen Formulierungen berichtet. Die Verteidigerin glaubte dem Wirt nicht, dass an diesem Abend alles so ruhig abgelaufen sein soll.
Prozess zur Bierflaschenattacke Eppelheim: Insgesamt keine seelische Störung
Die psychiatrische Sachverständige Dr. Sara Haack ging auf den soziobiographischen Werdegang des 34-Jährigen ein. Er habe als Kind und Jugendlicher keine Verhaltensauffälligkeiten gezeigt und auch keine Armut erlebt. Der langen Beziehung zu einer ehemaligen Kommilitonin aus Malaysia – die Frau hatte vergangenes Jahr auf Druck ihrer Familie einen anderen Mann heiraten müssen – trauere er immer noch nach.
Das habe ihn damals bestimmt belastet. Bei dem Angeklagten liege aber insgesamt keine seelische Störung vor, die einer psychiatrischen Diagnose zugeordnet werden müsste, so die Fachärztin. Nach der Trennung von seiner Freundin habe er mehr Alkohol getrunken, es sei aber beim „Feierabendkonsum“ geblieben. Am Tatabend habe er ein „übliches Trinkverhalten“ gezeigt. Der Mann hatte nach der Attacke auf sein Opfer einen Blutalkoholwert von 2,5 Promille. Ein Zeuge hatte ausgesagt, er sei bei dem Vorfall „wie im Blutrausch“ gewesen. Der 34-Jährige sei in einer „außergewöhnlichen psychischen Verfassung“ gewesen, führte die Psychiaterin aus.
Prozess vorm Landgericht Heidelberg: Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt
Nach einem für ihn belastenden Telefonat sei eine Mischung aus „Wut, Enttäuschung und Anspannung“ über ihn gekommen. Als das spätere Opfer mit üblen Worten seine Mutter beleidigt habe, sei er ausgerastet: „Dann kam der Griff nach der Flasche.“ Bei der Attacke sei er in einem „Wahrnehmungstunnel“, die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen. Die Tat sei eine „Abfolge ohne kognitive Zwischenschritte“. Für eine Unterbringung fehle es an einer entsprechenden Diagnose. Der Angeklagte habe mit Stichen durch Glasscherben „nicht töten wollen, aber auch nicht darüber nachgedacht, was passieren könnte“. Es gebe keine Anzeichen, dass seine Angaben Schutzbehauptungen sein könnten, meinte die Sachverständige.
Beim Ausgleichsverfahren waren die Parteien mit dem Vorschlag der Kammer einverstanden. Der 34-Jährige muss dem Geschädigten 20 000 Euro Schadensersatz zahlen. Die Plädoyers wurden von zwei Dolmetschern in tamilische Sprache übersetzt. Staatsanwalt Florian Jost lobte die Zivilcourage einiger Gäste des Lokals. Sie hätten sofort eingegriffen und dem Opfer das Leben gerettet. Das sei nicht selbstverständlich.
Der Angeklagte habe sich, von Liebeskummer geplagt, „erbost, enttäuscht und wütend in einem Gefühlschaos“ befunden. Er habe sich in den Streit zwischen Wirt und Geschädigtem eingemischt und zugeschlagen. Sein Opfer leide an den Folgen der schlimmen Tat, die bleibende Narben hinterlassen habe. Der Tatbestand des versuchten Mordes habe sich bestätigt: „Der Angeklagte hat den Tod des Mannes in Kauf genommen und ihm mit Tötungsvorsatz immer wieder nachgesetzt.“ In einem „hochdynamischen Geschehen“ in der Café-Bar habe er die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausgenutzt, sprach der Anklagevertreter von „erheblicher Brutalität aus nichtigem Anlass“ und forderte eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und zehn Monaten.
Nebenkläger-Vertreter Thomas Franz ging auf das Leid für den Geschädigten und dessen Familie ein. Sein Mandant werde jede Stunde an die von „Vernichtungswillen“ geprägte Bluttat erinnert, brauche noch lange Physio- und Psychotherapie und könne nicht mehr seinem Beruf nachgehen. Er schloss sich dem Antrag des Staatsanwaltes an.
Verteidigerin Kirsten Funk wollte die schrecklichen Schäden nicht in Frage stellen. Der Sachverhalt stelle sich aber anders dar. Ihr Mandant sei in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen, als es eine lautstarke und aggressive Auseinandersetzung gegeben habe. Er habe wohl einige Wortfetzen als Beleidigungen und ein paar Gesten des Geschädigten als Bedrohung aufgefasst: „Das war kein entspannter Austausch.“ Es sei auch nicht erwiesen, dass der erste Schlag von hinten gekommen sei. Der 34-Jährige habe aber „zu keinem Zeitpunkt einen Menschen töten wollen.“ Das Mordmerkmal der Heimtücke sei nicht zu erkennen.
Angeklagter zeigt beim Prozess in Heidelberg Reue
Es bleibe die schwere und gefährliche Körperverletzung übrig. „Er hatte keine Vorstellung, was passieren konnte, hat deutliche Reue gezeigt und einen Vergleich über Schadensersatz geschlossen“, forderte die Verteidigerin in einem minderschweren Fall eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
In seinem letzten Wort entschuldigte sich der 34-Jährige Tamile für die Tat. Er wisse nicht, wie es dazu kommen konnte. Das Schwurgericht des Landgerichts Heidelberg verkündet das Urteil am Mittwoch, 29. März, um 10 Uhr (Saal 1).
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