Beratung in der Rudolf-Wild-Halle

Straßennamen aus der Nazi-Zeit in Eppelheim: Sind die Schilder noch tragbar?

Rund 35 Personen fanden sich in der Rudolf-Wild-Halle zum „Workshop zu Straßennamen“ mit Bürgermeisterin Patricia Rebmann und den Historikern Professor Frank Engehausen und Kevin Schmidt ein.

Von 
Dahnah Rudeloff
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Kevin Schmidt (mitte) präsentiert die Persönlichkeiten die sich hinter den kritischen Straßennamen stehen in einem neutralen Exposé. Daneben Bürgermeisterin Patricia Rebmann und Professor Frank Engehausen. Bild: Rudeloff © Rudeloff

Eppelheim. Rund 35 Personen fanden sich in der Rudolf-Wild-Halle zum „Workshop zu Straßennamen“ mit Bürgermeisterin Patricia Rebmann und den Historikern Professor Frank Engehausen und Kevin Schmidt ein. Rebmann erzählte, dass die Idee zu dem Abend von Bürgern stamme, die sie häufiger zur Straßenumbenennung kontaktiert hatten.

Sie berichtete aus eigener Erfahrung von ihrer Zeit in Mannheim, als sie die Umbenennung einer Straße wegen der Nähe des Namens zur Zeit des Nationalsozialismus mitbekommen hatte. „Das war nicht schön für die Bürger oder die Firmen“, so Rebmann. Ein solcher Prozess nehme aber viel Zeit und Geld in Anspruch, für die Firmen bedeute er diverse Umschreibungen unter anderem. „Der Mensch darf dabei nicht vergessen werden“, sagte Rebmann.

Kritische Straßennamen in Eppelheim: Arbeitsgruppe nimmt Hintergründe unter die Lupe

Eine Arbeitsgruppe aus Stadträten hat sich der Einordnung der Straßen in Eppelheim angenommen. Aus mehreren potenziell kritischen Namen sind vier übrig geblieben: Carl-Diem-Straße, Jahnstraße, Hermann-Löns-Straße und Wernher-von-Braun-Straße.

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Die Besucher konnten sich mit den Lebensläufen der Personen, nach denen die Straßen benannt sind, vertraut machen. Neben den Erfolgen, Großtaten und Leistungen waren auch die kritisch zu betrachtenden Punkte aufgelistet. Kevin Schmidt, der unter anderem Geschichte studiert hat und 2020 sein Examen machte, präsentierte die vier Persönlichkeiten in einem neutralen Exposé.

Hintergründe zu den Personen

Carl Diem war Sportfunktionär, -wissenschaftlicher und Publizist sowie Begründer der Verleihung des deutschen Sportabzeichens. Er äußerte sich antisemitisch, verbreitete Kriegspropaganda, arbeitete dem NS-Staat zu, publizierte in deren Zeitung, hatte Kenntnisse vom Holocaust und schickte minderjährige in den Krieg. Er wird als schwer belastend eingestuft.

Friedrich Ludwig Jahn war Pädagoge, Publizist, Politiker und Gründer der Turnerbewegung. Offen leb-te er Antisemitismus aus und war Vordenker des völkisch-rassistischen Nationalsozialismus. Er wird als schwer belastend eingestuft.

Hermann Löns war Journalist, Schriftsteller, erfolgreicher Autor und „Heidedichter“ sowie Naturschutzpionier. Er zeigte sich im privaten Kontext frauenfeindlich, xenophob, rassistisch und antisemitisch. Löns wird als belastend eingestuft.

Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun war Raketeningenieur mit Pionierleistungen in der Raketentechnik und Wegbereiter sämtlicher Raketenantriebswerke. Er setzte Zwangsarbeiter ein, wusste vom Einsatz der KZ-Häftlinge und suchte diese in Buchenwald aus. Damit ist er verantwortlich für den Tod von zehntausend Zwangsarbeitern im „Mittelbau Dora“. Als unzweifelhaft schwer belastend wird er eingestuft. dar

„Was war der Anlass zur Benennung“, war dann eine häufig gestellte Frage. Außer dem Zeitraum, nämlich Dezember 1969, sind keine Fakten dazu bekannt, so die Antwort. Rebmann erläuterte das Ziel des Abends: Wie soll mit den Straßen umgegangen werden, die die Stadträte als belastend ansehen? Dabei gäbe es mehrere Möglichkeiten: Umbenennung, belassen, belassen und mit einer kurzen Erklärung unter dem Straßenschild versehen oder als gesondertes Schild an geeigneter Stelle ergänzen.

Einige äußerten sich negativ gegenüber der Schildanbringung, die häufig wenig Beachtung fände und nichts an der eigenen Adresse ändere, andere votierten dafür. Das Argument „totschweigen und abschaffen ist auch keine Lösung“ regte eine hitzige Diskussion an und zeigte die gespaltene Meinung zum Thema.

Kritische Straßennamen in Eppelheim: 600 Löns-Straßen

Dr. Dahlhaus, Bürgerin aus Eppelheim, sprach in ihrem Brief, den Rebmann vorlas, davon, das früher gerne Hermann Löns Heidelieder gesungen wurden und die Lyrik vom NS uminterpretiert und vereinnahmt wurde. Daher sehe sie keinen Grund, seinen Namen zu unterdrücken. Dem widersprach Historiker Professor Frank Engehausen, der in Heidelberg in einer Kommission für Straßenumbenennung sitzt und Löns Popularität in der NS-Zeit betonte. Er sei nicht nur Heidendichter gewesen. Aktuell sind weitere 600 Straßen und 100 Schulen nach Löns benannt.

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Ein Anwohner der Wernher-Von-Braun-Straße in Eppelheim schrieb per Brief, wie belastend es für das Ehepaar sei, in der Straße zu wohnen und einen Kriegsverbrecher in ihrer Adresse zu nennen. Ein anderer Bürger hingegen stellte die Durchbrüche für die Raketentechnik in den Vordergrund und fragte, wie viel die Umbenennung fordern würde – auch finanziell. Er sprach sich gegen eine Änderung aus. Für die Bevölkerung war nach Vorstellen aller Persönlichkeiten klar, dass von Braun am kritischsten anzusehen ist.

Besonders die finanzielle Situation war ein Anlieger der Teilnehmer: Wie viel kostet mich eine Umbenennung? Wird es eine Ausgleichszahlung der Gemeinde geben? „Das wäre nur anständig“, findet Rebmann, letztendlich sei jedoch der Gemeinderat zuständig. Ein Bürger schlug zudem vor, in den Straßen der Betroffenen eine Umfrage zu starten, da an diesem Tag nicht jeder Einwohner anwesend sein konnte. Dies nimmt die Bürgermeisterin als Anregung mit.

Kritische Straßennamen in Eppelheim: Konsequenzen anderenorts

Der Stand des Projekts ist noch am Anfang. Die Bürger waren zum Schluss aufgerufen, ihr Empfinden aufzuschreiben und an Pinnwände zu heften. Diese Information wird nun an die Räte gehen, die ausgehend davon dem Gemeinderat eine Empfehlung aussprechen können. Es ist geplant, dass die Informationen zu den Personen der Straßennamen der Öffentlichkeit bereitgestellt werden, dies kann jedoch anhand der Fülle der Materialien dauern.

Die Bürgermeisterin schließt eine Einbringung der Bevölkerung dabei nicht aus, die es interessiert, wie eine Namengebung zustande kommt. Mehrere Städte haben bereits zu allen vier kritischen Straßennamen Konsequenzen gezogen: Schulen und Straßen wurden und werden umbenannt. Wie es in Eppelheim weitergeht, ist abzuwarten.

Autor Freie Mitarbeiterin

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