Eppelheim. „Wir möchten unseren Teil zur Einheit der Kulturen beitragen“, erklärt der Imam und islamische Theologe Naweel Ahmed zum „Tag der offenen Moschee“ der Ahmadiyya Muslim Jamaat-Gemeinde in Eppelheim.
Es ist ein feierlicher Empfang, den die Muslime der Ahmadiyya-Gemeinde anlässlich zum Tag der deutschen Einheit vorbereitet haben – im Hof vor dem Gebäude ist eine Sitz-, eine Spielecke und ein Essensbereich mit Kuchen, Getränken und Snacks aufgebaut. Als besonderes Highlight bieten die Gläubigen das Spiel Cricket an, das in den Heimatländern der islamischen Reformbewegung Indien und Pakistan als Volkssport gefeiert wird.
Die Gäste, die zahlreich erscheinen, werden durch die Gemeindemitglieder persönlich begrüßt und durch das Gebetszentrum geführt. Im Eingangsbereich des Glaubenshauses haben die Gläubigen anhand einer Fotowand verschiedene Engagements der Glaubensgemeinschaft bildlich dargestellt. So helfen die Muslime unter anderem bei Obdachlosenspeisen oder gehen gemeinsam Blut spenden.
Friedlichen Islam wiederbeleben
Im Hauptraum des Gebetshauses ist eine Ausstellung über die Gemeinde zu sehen, die seit 100 Jahren in Deutschland besteht und als erste islamische Organisation als Körperschaft des Öffentlichen Rechts in Deutschland anerkannt wurde.
Unter anderem geht die Gemeinschaft hierbei auf den Unterschied ihres Glaubens gegenüber des herkömmlichen Islams ein – so glauben die Reformer, dass der Messias schon auf der Erde war und wählen, vergleichbar mit dem katholischen Papst, dessen Nachfolger, genannt Kalifen.
„Wir möchten mit der Ausstellung mit Vorurteilen gegenüber des Islams aufräumen“, erklärt der Imam mit Blick auf Informationstafeln. Diese lieferten Belege aus dem Koran, nach welchen die Frau in den Augen Gottes dem Mann gleichgestellt sei: „Schon der Prophet Mohammed meinte, dass man den Glauben am besten von Frauen lernen kann.“
Warum sich an diesem Tag nur männliche Gemeindemitglieder im Hauptraum des Gebetszentrums aufhalten, erklärt Ahmed im Nachhinein auf Nachfrage dieser Zeitung: „Die Frauen organisieren sich in unserer Gemeinde selbst und haben in einem Nebenraum eine Ausstellung zur Stellung der Frau vorbereitet.“ Zur dieser Ausstellung haben ausschließlich weibliche Personen Zugang.
Kostenlose Info-Flyer
Der Imam hat eine Theorie, warum andere muslimische Gemeinden den Koran anders lesen: „Das heilige Buch wird oft politisch missbraucht, um die Interessen der Mächtigen zu schützen. Wie das im Mittelalter auch bei Christen der Fall war, glauben ungebildete Menschen das, weil sie den Koran nicht lesen können. Es ist die Differenz von Theorie und Praxis. Deshalb möchten wir informieren und damit den friedlichen Islam wiederbeleben.“ Um den Besuchern diese Interpretation der Gläubigen näherzubringen, bietet die Gemeinschaft unter anderem kostenlose Informationsflyer an, die Titel tragen wie: „Religiöse Toleranz und Freiheit im Islam“ oder „Islam, eine Antwort auf die Vorwürfe der AfD“. Im Laufe des Tages referiert der islamische Theologe zu verschiedenen Themen. Dabei versucht er Missverständnisse, die er wahrnimmt, auszuräumen.
So erklärt Ahmed vor einem Banner mit der Aufschrift „Wir sind alle Deutschland!“, dass es im Islam keinen Glaubenszwang gebe, weswegen in der Religion Angriffskriege verpönt sind und warum jeder Muslim die Rechte seiner Mitmenschen wahren müsste.
Im Anschluss an den Vortrag wirft eine Zuschauerin die Frage in den Raum, weswegen der friedliche Islam nicht in Kriegen wie im Iran oder in Afghanistan eingreife und erhält die Antwort des Imaams: „Was dort passiert ist sehr traurig. Wir versuchen, die Menschen mit allen Mitteln zu unterstützen und rufen zum Frieden auf. Leider können wir nur immer wieder darüber sprechen und mit den Menschen in den Dialog treten. Nur so kommen wir zu Lösungen.“
In den Dialog tritt auch die bekennende Christin Christa Unglaube, die den Imam bei einer Infoveranstaltung kennengelernt habe, wie die 85-jährige Dame berichtet: „Ich habe mir schon lange vorgenommen, mir das anzuschauen, es ist wichtig, mit den Menschen zu reden, nicht nur über sie.“
Ahmadiyya-Gemeinde steht auch in der Kritik
Ob sich die Ahmadiyya-Gemeinde am Tag ihrer offenen Tür in Eppelheim als weltoffen, tolerant und feministisch präsentiert oder ein solches Konzept wirklich auch die gelebte Praxis in der Gemeinde ist, kann bei der Eigendarstellung der Muslime nicht beurteilt werden. Die Soziologin Necla Kelek sagte im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass die selbst ernannten Reformer ihrer Einschätzung nach eine „Sekte“ seien. Gerade gegenüber denen, die die Gemeinschaft verlassen wollen, gebe es „keine Gnade“, so die Soziologin. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg teilt auf Nachfrage dieser Zeitung mit, dass die Gemeinde aktuell „kein Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz“ sei.
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