Hockenheim. Mit einem „Special“ haben am Samstagabend Claus Boesser-Ferrari und seine seit mehr als 20 Jahren als Highlight-Garantin bekannte Musikabendserie das treue Publikum aus dem Jahr verabschiedet: Eine „Internationale Gitarrennacht Plus“ brachte neben dem Laudenbacher Ausnahmekünstler selbst und dem Fingerpicking-Giganten Jacques Stotzem nicht nur den Bruder der Gitarre, sondern auch jede Menge Wind – Alessandro Fedrigo und Nicola Fazzini verschnitten Solobass und Saxofon über Effektgeräte und Beatmaker zu einem spannenden neuen Stil.
Garantiert sind musikalische Leckerbissen und künstlerische Höhepunkte bei Boesser-Ferraris Gitarrennächten immer, Überraschungen und verblüffende neue Klangwelten inklusive. Dafür steht der international renommierte stilprägende Gitarrist und Komponist selbst: Die Klangwelten, die er aus Corpus und sechs Saiten herausarbeitet, sind immer wieder neu faszinierend.
Boesser-Ferrari ist fraglos ein Zauberer auf seinem Instrument, das er weit über dessen eigentliche Möglichkeiten hinaus ausreizt. Dabei verlieren sich Künstler und Zuhörer diesmal eine Viertelstunde in erstaunlich sanfte Töne, die sich in seine experimentelle Klammer einschmiegen, als wollten sie die Herzen der Lauschenden streicheln – sphärische Klänge in einem Gerüst aus Rhythmus, gezogenen Wischlauten, Percussions-Effekten und heißen Motiven. Keiner spielt wie „CBF“, fesselnd, spannend, regellos und immer wieder neu.
Unverwechselbar im Stil ist auch Jacques Stotzem, wenngleich auf eine ganz andere, nicht weniger charakteristische Art. Der belgische Fingerstyle-Profi hat einen ganz eigentümlichen Sound, der Elemente aus Folk, Jazz, Blues und Ragtime in ständig wechselnden Mischungen miteinander vereint. Dabei tanzt der swingende Bass förmlich auf einer reichen Akkordwolke, Zupf- und Schlagpassagen wechseln sich fröhlich ab und mit seinem äußerst klaren, höchst virtuosen Gitarrenspiel komponiert er gleich dem Maler mit seinem Pinsel klangmalerische Welten und Situationen: „Histoires sans mots“, Geschichten ohne Worte, wie auch seine neue CD heißt, die im Sommer erschienen ist.
Er wirkt traditioneller, ist an diesem Abend aber nicht weniger effektvoll als seine Kollegen. Beispielhaft sei „Gipsy Cowboy“ genannt, ein rassiger Titel, der mit einer schmeichlerischen Motivik und unbändigem Esprit als Wandler zwischen den Welten der Musik der Sinti und Roma und dem klassischen Western-Style doch ein sehr einheitliches musikalisches Universum schafft.
Zwiegespräch mit dem Saxofon
Für die dritte Komponente des reichen Musikabends geht zunächst Nicola Fazzini ins – computergestützte – Zwiegespräch mit seinem eigenen Saxofonklang zu einem faszinierenden Reigen mit sich selbst, bevor Alessandro Fedrigo hinzutrat. Der Mann aus Treviso spielt den Fretlessbass so hingebungsvoll und mitreißend, umschmeichelt seinen Saxofonpartner aus Milano so natürlich und unverkrampft, dass ihr 25-minütiger musikalischer Dialog aus Salven von Basstönen und einem kristallklaren Saxofon wie eine universelle Sprache fesselte und einbezieht.
Die Phrasen mal angedeutet, mal glockenklar artikuliert, der elektronisch vielseitig veränderte Bass mal wispernd, mal spacig – immer aber ist der Klangdialog von größtem Pathos, abgerundet von einem elektronischen Beat. Es ist spannend, so lange zu fesseln, ohne Melodie oder auch nur Motiv: Der Zuhörer gebunden von Tönen aus deren eigener Kraft.
Einmal mehr hat Claus Boesser-Ferrari mit seinem Freunden, die er aus allen Ländern nach Hockenheim holt, den Rennstädtern eine ganze Welt der Musik geschenkt: vielseitig, bunt und atemberaubend gut.
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