Stadthalle

Comedy-Duo "Mundstuhl" präsentiert sich in Hockenheim in Bestform

Lars Niedereichholz und Ande Werner bringen als "Mundstuhl" derbe und rüpelhafte Gags auf die Bühne - sehr zur Freude ihrer Fans, die in der Stadthalle auch in den Genuss von zwei ikonischen Charakteren kommen.

Von 
Jakob Roth
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„In Nucibus Veritas – In den Nüssen liegt die Wahrheit“. Dieses Credo bringt das Comdey-Duo „Mundstuhl“ in der Stadthalle auf die Bühne. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Wer glaubt, die deutsche Comedyszene habe in den vergangenen Jahren aufgrund von Klima-, Gender- oder Gerechtigkeitsdebatten ihren Biss verloren, wird sicherlich durch das neue Programm des Duos „Mundstuhl“ vom Gegenteil überzeugt. Allein der eindeutig zweideutige Name „Kann Spuren von Nüssen enthalten“ fasst den Inhalt der Show treffend zusammen, denn der Humor von Lars Niedereichholz und Ande Werner verläuft wie gewohnt tief unter der Gürtellinie, ist derb, hart verdaulich und politisch inkorrekt. Die gängigsten Minderheiten und benachteiligten Gruppen sind dabei für „Mundstuhl“ willkommene Gag-Zielscheiben. So bekommen Frauen, Schwule, Ausländer, Hartz-IV-Empfänger, Vegetarier, Friedensaktivisten und viele mehr über zwei Stunden hinweg ihr Fett weg.

Mit diesem Humor trifft das Duo den Nerv der Zeit und vor allem den von zahlreichen Fans. Bei ihrem Auftritt in der Stadthalle Hockenheim jubelte das Publikum bereits vor der ersten Pointe lauter, als bei manch anderem Comedian nach Programmende. Sofort wird klar warum: „Mundstuhl“ trauen sich, laut und geradeheraus zu sein. Danach dürstete es dem Publikum merklich. So johlte der Saal lauthals, als Niedereichholz berichtete, dass er in seinem Keller Säcke gefüllt mit 800 Kilogramm Liliputanern aufbewahre, um diese bei Bedarf gegen einen Albinoelefanten zu werfen.

Mundstuhl schlüpfen in verschiedene Rollen

Um dem knallbunten und obszönen Humor des Programms ein Gesicht zu geben, schlüpften die beiden wie immer in originelle Rollen. Die ostdeutschen Teeniemütter, Verschwörungstheoretiker und die beiden Hartz-IV-Empfängerinnen Peggy und Sandy waren damit ein erster Höhepunkt des Abends. Die 19-jährige Sandy ist zehnfache Oma und völlig aus dem Häuschen, denn Fernsehmoderator Kai Pflaume hat bei ihr zu Hause eine Lotteriewerbung gedreht! Peggy ist jedoch zunächst skeptisch. Sie vermutet wortwörtlich, dass Kai „seinen Liebesspeer in Sandy’s Lustgrotte versenkt“ habe. Doch diese ist bereits mit einem anderen Casanova liiert: dem nordafrikanischen Heiratsschwindler Yusuf. Seine dunkle Hautfarbe und sein Oberlippenbart haben Sandy überzeugt. Doch auch Peggy hat einen neuen Mann. Mit ihren drei Kindern aus zwei Ehen konnte sie den Russen Sergei beeindrucken. Natürlich durfte hier ein platter Namenswitz nicht ausbleiben. „Sergei - ist er so schwul, wie der Name vermuten lässt“, fragte Sandy zynisch.

Mundstuhl in der Hockenheimer Stadthalle. © Dorothea Lenhardt

Mit Liebestipps aus dem Kochbuch brachte „Grillschorsch“ sein Publikum ins Schwitzen. Als Vorspeise empfiehlt der Fachmann, einen „Long-Island“, mit dem man(n) sogleich die Ehefrau abfüllen solle. Nach pikanten „Fickadellen“ als Hauptgang wird das erotische „Dessert“ anschließend im Schlafzimmer serviert. „Ab ins Bett mit der Frau und der Livestream kann losgehen“, meint der Grillmeister.

Mundstuhl in Hockenheim: Kinderarbeit kann ganz okay sein

Als Malte und Torsten von der Aktivistengruppe „No Pressure“ zu Songs von „Queen“ und David Bowie auf die Bühne torkeln, greifen Niedereichholz und Werner tief in die Klischeekiste und treffen damit ins Schwarze. Die versonnenen Öko-Hipster erzählen von ihrer tiefen Naturverbundenheit. Als selbst ernannte „Stone-Lover“ laufen sie nackt durch den Wald, umarmen Felsen und „chanten“ tribalistische Gesänge, während sie auf eine Bongotrommel klopfen. Wenn die Natur sie zu einer Lichtung führt, wird prompt ein Lagerfeuer angezündet. Inspiriert von den Worten sprechender Bäume schreiben sie dann politische Protestsongs.

Dabei achten sie sehr auf progressive Sprache. So erklärt Niedereichholz: „Man muss mittlerweile tagesaktuell prüfen, ob man noch Menschen mit Behinderung sagen darf, oder ob sich die Woke-Nazis schon etwas anderes ausgedacht haben.“ Dafür gibt es sogar kurzen Szenenapplaus.

In ihren Texten protestieren die Musiker gegen Frauenhass, Ableismus und Kinderarbeit. „Wir sind allerdings gegen richtige Kinderarbeit und nicht gegen das, was der fette Kolumbianerjunge bei ,Modern Family‘ macht“, erklärt Aktivist Malte. Besonders tiefgründig ist ihr Song, der Jugendlichen beim „Coming Out“ vor den Eltern helfen soll. Der Text entpuppt sich als Einzeiler und lautet: „Hallo Eltern, ich bin schwul.“

Mit „Mundstuhls“ bahnbrechenden Charakteren „Dragan und Alder“ ist auch das Kiezdeutsch sprechende Bahnhofsgangster-Duo im Stil von „Erkan und Stefan“ mit von der Partie. Wie so oft streiten sich die beiden darum, wer „krasser“ ist. Lars Niedereichholz alias „Alder“ hat um die Hüfte leider etwas zugelegt. Ein gefundenes Fressen für seinen Dauerbegleiter Dragan, der stichelt: „Ey Alter, du bist so fett, der McDonalds-Mitarbeiter fragt dich, was du nicht bestellen willst.“

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Doch schnell verschiebt sich die Diskussion in eine eher fiktive Richtung. Die beiden Vorstadtproleten erfinden neue Superhelden und erörtern deren Kampfkraft. Dragan träumt von einem chinesischen Superman, der mit Essstäbchen die Sicherheitskameras in deren Virusfabriken zersticht. Alder versucht sich derweil einen weiblichen James-Bond vorzustellen: „Tausende Tote und Verletzte und das bereits beim Einparken.“

Mundstuhl geben sich in Hockenheim dreckig, sexistisch, rüpelhaft

Weitere Highlights folgten auf den Fuß, die Zaubershow mit dem geistig beeinträchtigten Sickfried und seinem Partner Roy oder dem cholerischen Flecktarnjacken-Andi, der über seine überdimensional dicke Freundin herzieht, lassen das Publikum fast im Sekundentakt aufschreien. Zum Abschluss performen Lars Niedereichholz und Ande Werner ihren Erfolgssong „Fleisch“, der zusammen mit dem Internetstar „Knossi“ in den vergangenen Jahren vor allem am Ballermann große Erfolge einfuhr.

Somit waren Veganer und Vegetarier die letzten Opfer des Abends und der humoristische Rundumschlag an den Grenzen des Erlaubten war vollendet. Der dreckige, sexuelle und kantige Rüpelhumor der beiden Komiker hat auch nach der Corona-Pandemie noch mehr als genug Durchschlagskraft. Damit ist klar: „Mundstuhl“ bleiben sich und ihren Fans treu und lassen sich nicht in ein politisches oder gesellschaftliches Regelkorsett zwängen. Ganz nach dem Motto: Stuhl im Mund und Humor im Herzen.

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