Hockenheimring

Das sagt Thomas Reister zum Abschied von der Emodrom-Group

„Mit mehr Flexibilität hätten wir mehr für den Ring erreichen können“, sagt der Gründer und Hauptaktionär Thomas Reister im Interview zum Abschied von der Emodrom-Group. Was er bedauert und worauf er stolz ist.

Von 
Jürgen Gruler
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Hockenheim. Nach rund zehn Jahren verlässt der Gründer und Hauptaktionär Thomas Reister die Emodrom-Group und verkauft sein Aktienpaket. Er verlässt das Unternehmen, in dem er als Verwaltungsrat und CEO die strategische und operative Führung des Transformationsprozesses am Hockenheimring verantwortete und es mit der Ansiedlung von Porsche nachhaltig prägte. Unsere Zeitung hat den Weg begleitet und da hakten wir natürlich nach, sprachen mit ihm über den Abschied und darüber, was er persönlich erreicht und auch vermisst hat.

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Thomas Reister nimmt nach zehn Jahren Abschied

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Thomas Reister: Alles hat seine Zeit. In den vergangenen zehn Jahren haben wir Wirtschaftsförderung im besten Sinne hier am Standort betrieben. Gefeiert haben wir mit den Gästen, Fans, Besuchern, Medien und städtischen Gremien beispielsweise als das Porsche Experience Center unseres Mieters Porsche Deutschland zum Betrieb übergeben wurde. Nachdem im Februar vergangenen Jahres die in der Stadthalle von Oberbürgermeister Marcus Zeitler geplante Bürgerinformation, in der die Fusion und weitere gemeinsame Schritte der Emodrom mit der Hockenheim-Ring GmbH vorgestellt werden sollten, Corona zum Opfer fiel, entwickelten sich die Ideen und Aussagen des OB und der Ring-Geschäftsleitung in eine andere Richtung, als es unsere seit 2012 gelebte enge Partnerschaft vorsah. Das führte im Nachgang auch intern zu unterschiedlichen Sichtweisen, sodass ich meine Konsequenzen daraus zog, meine Aktienmehrheit zur Disposition stellte und im Oktober dieses Jahres meine Mandate in den Gesellschaften niederlegte.

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Ich kann mich gut an unser erstes Gespräch erinnern. Da erzählten Sie von einem Schaufenster künftiger Technologien an einem Platz, der bisher dem lauten Motorsport gehörte. Es wirkte wie Zukunftsmusik. Was hat sich verwirklichen lassen?

Reister: Ohne Visionen kann man nichts Neues bewegen! Mir war aufgrund meiner beruflichen Erfahrung und zurückliegender Projekte, die ich verantwortete, klar, dass eine signifikante Änderung auf den Motorsport wie wir ihn kannten, zukommt. Auf dieser frühen Erkenntnis entwickelte ich seit 2010 das Emodrom-Konzept. Die Transformation von Rennstrecken in Europa zu modernen Mobilitätszentren. Die ersten negativen Entwicklungen für die Streckenbetreiber zeichneten sich bereits damals durch neue Wettbewerber mit modernen Rennstrecken im Mittleren Osten, Fernost oder Russland ab. Hinzu kam einerseits eine rasante Änderung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Individualmobilität mit Verbrennungsmotoren und nach dem Karriereende von Michael Schumacher andererseits das Interesse am Motorsport in Deutschland. Ein Effekt wie wir ihn aus den 1980er Jahren im Tennis mit und nach Boris Becker und Steffi Graf kennen.

Als ich 2016 Kontakt zur Porsche AG aufnahm, war es der Grundstein zur erfolgreichen Realisierung meines Transformationskonzeptes, das ich 2012 dem damaligen OB Gummer, Ring-Geschäftsführer Georg Seiler, der Gesellschafterversammlung und dem Gemeinderat ausführlich vorstellte. In der Tat war es für einige in den Gremien zu weit weg, am Ende entschieden sich aber die erforderlichen Mehrheiten im Gemeinderat für den Fortschritt und eine erfolgreiche Zukunft. 2017 und 2018 konnte ich zwei Mitgesellschafter gewinnen, die an meinen Plänen und deren Realisierung interessiert waren und eingestiegen sind.

Erfolgreiches Beispiel der Emodrom-Group-Aktivitäten ist die Ansiedlung von Porsche. Einem der besten Sportwagenhersteller der Welt, der die Jahre zuvor aufgrund des damaligen schlechten Zustands zunehmend andere Strecken bevorzugte. In der Folge bauten wir noch das Emodrom TEC + Wash Center. 2015 konnte ich den Vorstand der EWR als Sponsoringpartner akquirieren und die alten Karts der Ring GmbH durch eine neue moderne E-Kart-Infrastruktur ersetzen. 2016 brachten wir gemeinsam mit meinen Geschäftsfreunden von Big City Beats ein Top-Event mit DJ Hardwell an den Ring. 2019 modernisierten wir das Museum und erneuerten den Geschäftsbereich. Neue Events und Sonderprojekte waren ebenso Teil unserer Aktivitäten. 2019 kam Schweizer Porsche-Cup nach Hockenheim. Stolz bin ich auf eine tolle Kooperation mit einem Freund, dem international renommierten Professor für Design, James Kelly. Ihm und seinen Master-Absolventen aus Asien, Europa und Südamerika sowie führenden Automobilmarken boten wir mit der Emodrom ein temporäres Studio. Last but not least informierte ich einem Kollegen über meine Idee und das Konzept zu einer neuartigen fahraktiven Messe, bei dem die Besucher nicht nur für neue technologieoffene Mobilität durch die Aussteller begeistert werden sollten, sondern dass alle gezeigten Fahrzeuge – also Autos, Pedelecs, E-Bikes und so weiter – selbst ausprobiert werden konnten. Ein innovativer Mix aus Test, Event und Festival. So etablierte er dann mit dem gesamten Team das mittlerweile in der Szene bekannte „e4TESTIVAL“.

Gibt es auch Dinge, bei denen Sie sagen, da sind wir gescheitert?

Reister: Ja! An der öffentlich-rechtlichen Struktur und der ständigen Skepsis einiger weniger Gremiumsmitglieder aufgrund früherer Erfahrungen, die sie gemacht hatten. Mit gescheitert meine ich damit, dass viel wertvolle Zeit und auch neue Partner auf der Strecke blieben, weil man immer wieder mit denselben Fragen und Bedenken über Jahre konfrontiert wurde und manche Interessenten von vornherein aufgrund der gerade genannten Hori-Gesellschafterstruktur abgewunken haben.

Wie passt das überhaupt zusammen – eine städtisch geführte GmbH und ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen? Sind da nicht die Denkweisen zu verschieden?

Reister: Speziell in dieser Branche ist das wie 0 und 100. Eine Kommune hat grundsätzlich andere Aufgaben, als ein am freien Markt agierendes Unternehmen zu betreiben. Aus dem einfachen Grund, sie darf keine Risiken eingehen, wie sie gerade der Motorsport durch seine Entwicklung seit Jahren mit sich bringt. Und wo soll sie denn bitte das Geld für die notwendigen Investitionen herbringen, wenn sie in ihren Haushalt schaut? Die Konkurrenten sitzen mittlerweile in Bahrain, Monaco, Russland, Katar, Saudi-Arabien. Wir sehen heute, zehn Jahre später, wo die Formel 1 gerne gesehen ist und welche hochmodernen Anlagen, wie zuletzt in Dschiddah und beim Finale in Abu Dhabi die Standards setzen. Diese Länder sind vor allem zahlungskräftig und sehen diesen Sport als internationale Bühne, um sich der Welt zu präsentieren. Österreich hat mit Red Bull einen affinen Top-Sponsor und die Niederlande erleben den Verstappen-Effekt wie wir ihn mit den Schumacher-Brüdern und mit Frentzen hatten. Speziell in Deutschland verfolgt man den genau gegenläufigen Trend und gerade die baden-württembergische Regierungskonstellation kann auch nicht aus Ihrer Haut. Das heißt, es ist relativ unwahrscheinlich, dass es hier Zuschüsse vom Land für solche Rennformate und damit Unterstützung für eine klassische Rennstrecke gibt. Die Zeiten haben sich geändert und 2012 zeigten wir mit der Emodrom den richtigen Weg zur Transformation auf. Neue innovative Geschäftsmodelle sichern bestehende und schaffen neue Arbeitsplätze, steigern Steuereinnahmen, locken potente Kunden, generieren ein positives Image und öffentliches Interesse.

Hat gerade die Landespolitik den Hockenheimring noch im Blick?

Reister: Ich stellte mit dem OB das Emodrom-Konzept in Stuttgart auf Ministerebene vor. Einige Minister und Politgrößen verschiedener Couleur, die die Region im Land und im Bund vertreten, waren bei uns zu Gast und bewerteten den neu eingeschlagenen als sehr erfreulich. Es ging mir persönlich aus den genannten Gründen nicht um finanzielle Interessen an öffentlichen Geldern, sondern um eine neue Wahrnehmung des Traditionsstandorts. Das „e4TESTIVAL“ konnte den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann durch die neue Ausrichtung als Schirmherr für den Start-up-Award gewinnen. Bei einer seiner Reden vor Ort befürwortete er die Emodrom-Strategie ausdrücklich und fand es bemerkenswert, wie wir uns an einem solchen Standort für die Transformation zu zukunftsfähigen Mobilitätslösungen engagieren. Vor einigen Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, dass ein grüner Top-Politiker am Hockenheimring einen Preis übergibt.

Welche Hindernisse gab es auf dem Weg in den letzten zehn Jahren? Sind die mit dem Wechsel an der Stadtspitze und der Hockenheimring- Geschäftsleitung größer oder kleiner geworden?

Reister: Der damalige OB und Geschäftsführer sowie ein Großteil der früheren Gesellschafterversammlung hatten Vertrauen in das, was ich sagte, was wir taten, unterstützten es und ich denke, sie wurden nicht enttäuscht. Die bereits mehrfach auch hier in der Zeitung kolportierten Zahlen und Zahlungen, die die Emodrom in den kommenden Dekaden an die Stadt und die Hockenheim-Ring GmbH leistet, sind hinlänglich bekannt. Das Erscheinungsbild durch die neuen Gebäude und Anlagen, wenn man jetzt durch die Pforte zum Fahrerlager fährt, spricht für sich. Der von Ihnen angesprochene Wechsel brachte neue Personen und damit offensichtlich neue Ideen.

Warum ist bis heute der Zukunftsvertrag für die Verschmelzung der Gesellschaften nicht unterzeichnet?

Reister: Wie gesagt machte uns allen Corona einen Strich durch die Rechnung. Danach gab es neue Ideen und heute ist es nicht mehr mein Thema.

Der vom Ring ausgehende Lärm ist ein großes Thema in der Öffentlichkeit, liegt das nicht auch daran, dass es quasi keine Aufbauzeiten für Großveranstaltungen mehr gibt und dadurch täglich hier gefahren werden kann?

Reister: Das ist sicher ein Grund und wurde in zahlreichen Leserbriefen in Ihrer Zeitung sowie durch interessierte Bürger thematisiert. Am Ende ist es das Geschäftsmodell der städtischen Gesellschaft. Was die Emodrom betrifft, kann ich mich gerne wiederholen. Der klassische Motorsport verliert an Akzeptanz und der eingeschlagene Weg bietet gerade innovativen Unternehmen Chancen hier am Ring, um ihre zukunftsweisenden, umweltfreundlichen Produkte und Dienstleistungen öffentlich vorzustellen.

Warum stehen im Rennprogramm nicht heute schon E-Mobile im Fokus? Dragster und Co. kommen doch aus einer rückständigen Zeit?

Reister: Die Serien werden nach und nach mit den neuen Antrieben versehen. Motorsport ist überwiegend Marketing der Hersteller und die investieren ihre Budgets, also auch im Marketing, Sport und der PR in solche Produkte, mit denen sie neu auf den Markt kommen und verständlicherweise Geld verdienen wollen. Und das ist eben mittlerweile technologieoffene E-Mobilität. Man sollte trotzdem das eine tun, ohne das andere zu lassen. Aber mit Augenmaß, da die Öffentlichkeit heute sensibler reagiert und Lärm eben ein Thema ist, obwohl es mindestens genau so viele Menschen und Fans gibt, die Events mit echtem Sound bevorzugen.

Was braucht der Hockenheimring, um zukunftsfähig zu werden?

Reister: Unternehmerische Strukturen, die gegenüber dem Wettbewerb bestehen können und am Markt schnell und flexibel anzupassen sind. Aber auch eine klare Haltung der Verantwortlichen in den Gremien und der Bürger, wie sie sich die Zukunft des Rings vorstellen, den die letzten zwei oder drei Generationen mit Stolz aufgebaut haben. Ein Weiter so ist grundsätzlich Stillstand und Stillstand ist Rückschritt. Keiner würde im Privaten so unentschlossen in seinem Unternehmen handeln. Wie so oft muss man mehr miteinander als übereinander reden.

Wie war die Zusammenarbeit mit den beiden Ring-Geschäftsführern und Oberbürgermeister Zeitler?

Reister: Ich hatte mir es aufgrund der ersten acht Jahre und der Zusammenarbeit mit den Vorgängern und dem, was wir unter Beweis gestellt haben, am Ende etwas anders vorgestellt. Aber neue Besen kehren gut und deshalb wünsche ich ihnen und meinen Nachfolgern Fortune und weiterhin Erfolg.

Stimmt es, dass die Stadt einseitig einen Vertrag gekündigt hat, auch weil dort Flächen Probleme bereiten und das der letzte Auslöser dafür war, dass Sie Ihre Anteile an Emodrom an die anderen Eigner verkauft haben und weggehen?

Reister: Zu Vertragsinhalten kann und möchte ich mich öffentlich nicht äußern.

Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Reister: Grundsätzlich hätten wir mit mehr Flexibilität und effizienteren Strukturen noch mehr erreichen können. Aber ich bin dankbar für die Zeit und Möglichkeiten, die man meinem Team und mir hier an einer der bekanntesten Rennstrecken der Welt gewährt hat. Wer kann schon an solch einem tollen Ort seine Handschrift sichtbar hinterlassen? Es ist eine solide Basis für die Nachfolger.

Wer übernimmt bei Emodrom die Leitung und was machen Sie jetzt?

Reister: Wer das operativ sein wird, weiß ich nicht. Ich prüfe in Ruhe Angebote von Investoren und Liegenschaften, für die meine Mobilitätskonzepte an andrer Stelle infrage kommen, kümmere mich um meine anderen Geschäfte und werde die Marke Emodrom weiter ausbauen.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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