Stadthalle

Dornröschen im modernen Gewand in Hockenheim

Die Musikbühne Mannheim sorgt in der Hockenheimer Stadthalle mit der Neuinterpretation des Grimmschen Märchens „Dornröschen“ für wunderbare Unterhaltung.

Von 
Maria Herlo
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Die Taufe vom Kuckuckskind Dornröschen wird bei dem Musical in der Stadthalle humorvoll und mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus begangen. © Lenhardt

Hockenheim. Die Zuschauer, die am Donnerstagabend in die Stadthalle gekommen waren, hatten Gelegenheit, eine kurzweilige Inszenierung des klassischen Märchens „Dornröschen“ zu erleben. Auch wenn vieles in diesem Stück (Buch und Regie von Eberhard Streul) anders war, als man es aus dem bekannten Märchen kennt, die Hauptprotagonisten der Grimm-Geschichte fehlten auch hier nicht: Dabei waren der König (gespielt von Christian Birko-Flemming) und die Königin (Christina Prieur), Dornröschen (Lena Maria Kosack) und der Prinz (Ingo Wackenhut) sowie Daniele Grundmann in der Doppelrolle der guten sowie der bösen Fee.

Sellerie wird in Hockenheim als geeignetes Mittel zum schwangerwerden gepriesen

Schauplatz ist die königliche Hofküche, wo der Koch (Volker Gütermann) im Rhythmus eines Rap-Songs erzählt, wie sehr sich das Königspaar ein Kind wünscht und er dafür die Sellerie als geeignetes Mittel anpries. Die Königin weiß aber, dass sie von „kühlen Umschlägen und erotisierenden Sellerieknollen allein kein Kind bekommen kann“.

Der Frosch hingegen prophezeit ihr, dass sie innerhalb eines Jahres ein Kind gebären wird. „Doch wie soll es ohne Erzeuger gehen?“, fragt sie erzürnt und wirft den Frosch hinaus. Ihr Mann, der König, ist stets abwesend, er ist mehr an Krieg als an Liebe interessiert. Doch die Sehnsucht nach Liebe brennt im Herzen der Königin wie Feuer, da taucht im Nebel ein Franzose in blütenweißer Weste auf.

„Sprechen Sie deutsch?“, fragt ihn die Königin und erliegt seinen Liebesavancen. Zunächst schwingen sie das Racket, danach verschwinden sie hinter einem Paravent, entledigen sich ihrer Kleider, die stückweise zum Vorschein kommen und singen: „Ist nur ein süßes Spiel“. Die Thronfolge ist gesichert und der König entzückt.

Die Königin und der König sind verzückt von dem neugeborenen Dornröschen, ahnen dabei aber nicht, wer deren Vater ist. © Dorothea Lenhardt

Dass „Röschen“ ein Kuckucks-kind ist, ahnt er nicht. Und dann wird die Taufe vorbereitet, zu der alle sieben Schwestern der Königin geladen sind. „Sieben Geschwister hast du?“, staunt der König nicht schlecht. „Wärst du nur so kreativ wie mein Vater!“, bemerkt die Königin unterschwellig.

Und übrigens: Der französische Botschafter darf nicht vergessen werden, er hat sich „für den Fortbestand der Monarchie besonders verdient gemacht“.

Da es nur sechs goldene Teller gibt, wird Hermine, die siebte Schwester, ausgeladen. Sie revanchiert sich, wie sich die böse Fee im Märchen rächte: Im Alter von 16 Jahren soll sich die Prinzessin an einer Spindel stechen und tot umfallen.

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Doch Danimonia mildert die Strafe in hundertjährigen Schlaf ab. Obwohl der König sämtliche Spindeln im Reich vernichten lässt, verführt die böse Fee Dornröschen an ihrem Geburtstag zum Spinnen. Das gelingt ihr, indem sie an ihr solidarisches Gewissen appelliert: Der Winter ist kalt und das Heizen im Zuge der Energiekrise teurer. Die gesponnenen Fäden sollen zu Pullover für die Obdachlosen gestrickt werden. Dann folgt der Stich, worauf Dornröschen und alle Schlossbewohner ohne Ausnahme in einen Tiefschlaf fallen.

Nach diesem ersten klassischen Teil, dem Eberhard Streul viele humorvolle, parodistische Facetten hinzufügte, kam im zweiten Teil die Wende. Nach hundert Jahren ist die Welt eine andere. Autos fahren ohne Fahrer, die Leute laufen tätowiert und in zerrissenen Jeans herum, halten kleine schwarze Kästen vor dem Mund und „Siri“ übernimmt für sie das Denken.

Der Glückspilz Kevin bekommt in der Stadthalle die Prinzessin und das Schloss

„Das ist ja wunderbar“, ruft der etwas dümmliche König aus, „jetzt muss ich nicht mehr selbst denken“. Die Zuschauer treffen auf verwandeltes Personal: Die böse Fee taucht als Maklerin auf, die das marode Schloss mit Gewinn verkaufen will, Königin Gertrud wird zum bestechlichen Bodyguard und der Prinz, mit dem die Prinzessin einst verlobt war, ist nun der schlaue Urenkel Kevin, der das Glück gepachtet hat und beides bekommt: die Prinzessin und das Schloss.

Dornröschen an ihrem 16. Geburtstag. © Dorothea Lenhardt

Mit sechs Darstellern in zehn Rollen und einem begnadeten Pianisten, dem musikalischen Leiter Dmitrij Koscheew, sorgte die seit 1989 bestehende Musikbühne Mannheim in der Stadthalle für wunderbare Unterhaltung. Sowohl das zauberhafte Bühnenbild (Antonia Schmitz), das Licht (Hagen Grundmann und Michael Weiss) als auch der Erzähler (Volker Gütermann), der das Publikum souverän durch die Handlung führte, trugen zum Gelingen der Aufführung bei und bescherten dem Publikum einen unvergesslichen Abend.

Ein absoluter Gewinn für das Stück war die Live-Pianobegleitung Koscheews, die eingängigen Melodien (Komponist Frank Steuerwald und Dmitrij Koscheew) und die stilsicheren und zugleich hinreißenden Stimmen der Sänger. Das Publikum belohnte die Aufführung mit viel Applaus und Begeisterung.

Freie Autorin

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