Im Interview

Gitarrenklänge der Extraklasse im Hockenheimer Pumpwerk

Organisator Claus Boesser-Ferrari spricht im Interview über seine Gäste bei der Internationalen Gitarrennacht im Hockenheimer Pumpwerk und deren Spezialitäten.

Lesedauer: 
Claus Boesser-Ferrari (Foto) präsentiert die Internationale Gitarrennacht im Pumpwerk Hockenheim mit Jacques Stotzem, Alessandro Fedrigo und Nicola Fazzini. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Als Schauplatz der Internationalen Gitarrennacht hat das Pumpwerk sich in 23 Jahren ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen, das die Kleinkunstbühne zum Hotspot für die Szene macht und hochkarätige Musiker aus allen Kontinenten nach Hockenheim bringt, eingeladen von einer weltweit geschätzten Größe an den sechs Saiten, Claus Boesser-Ferrari. Gerade erst von einer Konzertreise nach Japan zurückgekehrt, stellt der 71-Jährige im Interview die Besetzung vor, die am Samstag, 6. April, ein weiteres Gitarrennacht-Kapitel schreibt.

Würden Sie sagen, mit Franco Morone und Ian Melrose erwartet die Zuhörer eine eher gefällige, weniger herausfordernde Gitarrennacht?

Claus Boesser-Ferrari: Das kann man schon so sagen. Für die herausfordernden Parts bin ja ich mehr zuständig. Aber die zwei sind einfach gehaltvolle, tolle Gitarristen, dabei mehr der Melodik verpflichtet?

Versuchen Sie, das auszubalancieren oder sagen Sie, man kann auch mal in eine Richtung einen kompletten Abend gestalten?

Boesser-Ferrari: Ich sehe immer so den Gesamtbogen. Wir hatten ja beim letzten Konzert zwei sehr experimentelle italienische Akteure, die sehr fordernd waren. Da habe ich dann den Jacques trotzdem dagegengesetzt als das etwas „friedlichere“ Element. Und in dem Falle habe ich gedacht, jetzt kann es auch mal wieder in eine andere Richtung gehen. Raffaela Luna wird ja auch singen mit Franco – also eine Erweiterung in Richtung Stimme. Jetzt kann das Publikum mal wieder etwas „Kulinarisches“ hören. Aber erst, nachdem ich es am Anfang etwas wach gemacht habe (schmunzelt).

Franco Morone ist einer Ihrer Stammgäste und einer der Pioniere, der im Mai 2002 bei einer der ersten Gitarrennächte im Pumpwerk gespielt hat. Was schätzen Sie an ihm?

Boesser-Ferrari: Dass er die Welten – USA mit der eher jazzigen Seite, aber auch der südeuropäischen Kultur – vereint. Dass er diesen Bogen spannt, interessiert mich an seinem Spiel und schätze ich an ihm.

Ian Melrose gehört schon lange zu den Großen in der Gitarrenszene – trotzdem war er erst einmal bei der Gitarrennacht im Dezember 2013. Hat es sonst nie gepasst?

Boesser-Ferrari: Ja, Ian haben wir noch nicht „abgenutzt“ im Pumpwerk. Das hat aber nichts mit meinen Vorlieben zu tun, sondern terminlich nicht gepasst. Ich habe mit Ian schon oft an verschiedensten Plätzen gespielt und schätze ihn auch sehr, weil er die keltische, also schottische und irische Seite, wie ich finde, in einer neuen Form gestaltet und trotzdem weit über dieses Genre hinausgeht und aus dem Great American Songbook und anderen Quellen spielt.

Mehr zum Thema

Kulturhaus

Pumpwerk Hockenheim: Musik und Unterhaltung im Herbst

Veröffentlicht
Von
Lucy Jung
Mehr erfahren
Pumpwerk

Bei der Gitarrennacht in Hockenheim werden musikalische Grenzen gesprengt

Veröffentlicht
Von
Matthias H. Werner
Mehr erfahren
Pumpwerk

Gitarrennacht in Hockenheim: Internationale Virtuosen begeistern

Veröffentlicht
Von
zg/lj
Mehr erfahren

Mit Franco Morone tritt die Sängerin Raffaela Luna auf – allzu oft ist Gesang nicht zu hören bei den Gitarrennächten. Ist das Publikum dafür nicht offen?

Boesser-Ferrari: Ich habe mich lange sehr dogmatisch an die Gitarre gehalten, in den vergangenen Jahren aber versucht, das immer wieder aufzubrechen, zum Beispiel, indem ich im vergangenen Jahr Jutta Glaser mit ins Pumpwerk gebracht habe. Ich schaue immer mal wieder, dass ich noch ein zusätzliches Instrument, in dem Fall die Stimme, hinzufüge, um über die Grenze zu gehen. Mir gefällt vor allem gut, wie die italienischen Songs der beiden, zum Teil historische Folksongs, ziehen. Das ist sehr überzeugend und für mich ein besonderer musikalischer Aspekt.

Da gab es bislang keinen Protest vom Publikum, das puristisch nur den Gitarrensound hören will?

Boesser-Ferrari: Davon würde ich mich auch nicht unbedingt leiten lassen. Ich bin der Meinung, dass man als Mitveranstalter die Leute auch ein bisschen fordern und erziehen muss. Das heißt auch, sie mit Dingen zu konfrontieren, die ihnen aufs Erste nicht so gut schmecken. Aber man muss ihnen eben auch zeigen, was es noch gibt. Auch das Pumpwerk hat einen Bildungsauftrag und ich sehe mich in der Pflicht, dem Publikum auch mal etwas abzuverlangen, was es vielleicht nicht unbedingt erwartet.

Was bringen Sie mit ins Pumpwerk? Vor einem Jahr stand die Kollaboration mit Jutta Glaser im Fokus, woran arbeiten Sie aktuell?

Boesser-Ferrari: Mich fordert im Moment ein neues Instrument heraus: eine doppelhälsige Gitarre, sechs- und zwölfsaitig, die wird im Pumpwerk ihren zweiten öffentlichen Auftritt haben. Mein Interesse gilt derzeit den Volks- oder Kunstliedern, die ich aus meiner Kindheit kenne, als ich mit meinen Großeltern am Röhrenradio hing und die Stücke hörte. Die Geschichte des Radios ging später weiter, als ich selbst Gitarre spielte und es zerstörte, als ich einen Tonabnehmer an die Gitarre baute und in das geliebte Radio stöpselte. Das Todesröcheln produzierte immerhin einen Jimi-Hendrix-Sound.

Werden Sie zu den Kunstliedern auch singen oder sind das reine Instrumentals?

Boesser-Ferrari: Aus humanitären Gründen werde ich aufs Singen verzichten.

Wie hat sich die Resonanz auf das Livemusikangebot verändert - spüren Sie noch immer eine Zurückhaltung nach dem Corona-Knick wie vor einem Jahr?

Boesser-Ferrari: Es sieht deutlich besser aus, hier in Deutschland, aber auch international. Die Konzerte in Japan, die wegen Corona ausgefallen waren und jetzt nachgeholt wurden, waren gut gefüllt. Auch die jüngste Gitarrennacht in Hockenheim war wieder sehr gut besucht.

Wie informieren Sie sich über das Geschehen in der Welt der Gitarristen – tauschen Sie CDs oder Dateien aus?

Boesser-Ferrari: Ich spiele sehr viel auf Festivals im Ausland, das ist die Hauptaustauschbörse für Neues. Ich gehe aber auch auf Musikplattformen und erhalte viele Alben per Post.

Copyright © 2025 Hockenheimer Tageszeitung