Landgericht

Große Diskrepanz in den Plädoyers zu Hockenheimer Messerattacke

Das Urteil im Schwurgerichtsprozess gegen einen 29-jährigen Tunesier, der in der DRK-Obdachlosenunterkunft im Hockenheimer Auchtergrund einen Mann niedergestochen und lebensgefährlich verletzt haben soll, steht bevor.

Von 
Volker Widdrat
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Symbolbild © Uli Deck

Hockenheim. Im Schwurgerichtsprozess gegen einen 29-jährigen Tunesier, dem die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchtem Totschlag in der DRK-Obdachlosenunterkunft im Auchtergrund vorwirft, hörte die Strafkammer am Landgericht Mannheim am Donnerstag die Schlussvorträge. Erster Staatsanwalt Frank Stork forderte sechseinhalb Jahre Gefängnis für den Angeklagten. Verteidiger Steffen Kling verlangte für seinen Mandanten einen Freispruch.

Im Blut des Angeklagten wurde Cannabis nachgewiesen

Vor den Plädoyers verlas der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz das forensisch-toxikologische Gutachten über den Beschuldigten, der bei der Bluttat am Abend des 26. September 2022 zwei Männer angegriffen und dabei einen 49-Jährigen mit einem Messer lebensgefährlich verletzt haben soll. Die kurz nach der Tat entnommene Blutprobe hatte bei dem 29-Jährigen den Konsum von Cannabis bestätigt. Auf Kokain, Amphetamin und Medikamente war er dagegen negativ getestet worden.

Staatsanwalt Stork ging in seinem Plädoyer zuerst auf die Einlassungen des Angeklagten zum Tatgeschehen ein. Der 29-Jährige habe mehr eingeräumt als im Ermittlungsverfahren. Seine Angaben ließen sich aber nicht mit den Aussagen der Zeugen vereinbaren. Der zunächst verbale Streit in der Küche der Unterkunft habe sich als tätliche Auseinandersetzung im Zimmer des Angeklagten fortgesetzt. Der Mann soll zuerst einen 46-jährigen Mitbewohner mit Faustschlägen traktiert und diesem das Nasenbein gebrochen haben. Das Messer in seiner Hand habe er aus der Küche mitgenommen. In seinem Zimmer habe er Cannabis konsumiert. Dann habe sich der Streit auf dem Flur der Unterkunft fortgesetzt. Der 49-jährige Geschädigte habe schlichtend eingreifen wollen, daraufhin habe der Angeklagte ihn mit zwei Messerstichen lebensgefährlich verletzt.

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In dem Verfahren hatte ein Rechtsmediziner die schweren Verletzungen des Opfers dokumentiert. Bei dem Stich in den Brustkorb war es zu einer Einblutung vor dem Herzen gekommen, daraufhin hatte der Mann einen Herzkreislaufstillstand erlitten und reanimiert werden müssen. Dass das Opfer eine „schwere Jacke“ getragen habe, sei eine Schutzbehauptung des Angeklagten gewesen. Er sei bei der Tat auch nicht vom versuchten Tötungsdelikt zurückgetreten.

Am Tatabend soll aggressive Gemengelage in der Unterkunft geherrscht haben

In der Unterkunft habe es am Tatabend „durchaus eine aggressive Gemengelage gegeben“, führte der Anklagevertreter aus. Der Angeklagte sei vielfach vorbestraft, habe ein Alkoholproblem und pflege einen „laxen Umgang mit Betäubungsmitteln“.

Verteidiger Steffen Kling plädierte, „darüber nachzudenken, ob überhaupt ein Tötungsvorsatz vorgelegen hat“. Sein Mandant habe seinen Kontrahenten gar nicht so verletzen wollen. Er habe nach der Attacke auch nichts von dem schweren Verletzungsbild gewusst. Bei dem zunächst verbalen Streit sei es wohl um eine Frau gegangen. Die habe von dem 46-jährigen Mitbewohner gelassen und sich seinem Mandanten zugewandt. Etliche Zeugen hätten das mitbekommen. Der jüngere Geschädigte hätte sich selbst öfters schnell aufgeregt und andere Mitbewohner bedroht. Er habe seinen Mandanten auch in das Zimmer gedrängt. Der 49-Jährige habe nicht schlichten wollen, sondern sei gemeinsam mit seinem Kumpel auf den Angeklagten losgegangen. Die Kammer müsse Zweifel haben am Tatgeschehen, forderte Kling für seinen Mandanten Freispruch: „Er fühlte sich in einer Notsituation und reagierte auf den Angriff, es war Notwehr.“

Die Strafkammer des Landgerichts Mannheim verkündet das Urteil am Montag, 10. Juli, um 11 Uhr.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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