Gemeinderat - Verwaltung beantwortet Grünen-Anfrage zur Bedarfsentwicklung / Nachbargemeinden deutlich schneller gewachsen / OB: Neubaugebiet unumgänglich, um Status zu halten

Hockenheim benötigt bis 2035 weitere 500 Wohnungen

Von 
Matthias Mühleisen
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Da hat Gebhard Morscher den Mitgliedern des Gemeinderats eine Aufgabe zum Nachdenken in die Weihnachtspause mitgegeben. Der Mann von der Organisationseinheit Sondermaßnahmen der Stadtverwaltung hat sich umfassend mit einer Wohnungsbedarfsanalyse unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung bis 2035 für Hockenheim beschäftigt, wie es die Grünen im September beantragt hatten. Morscher kommt zum Ergebnis, dass gut 500 zusätzliche Wohnungen in den kommenden 15 Jahren gebraucht werden. Seine Zahlen machten deutlich: Mit der Zuwachsrate der vergangenen Jahre ist das nie und nimmer zu schaffen.

Gebhard Morscher, der seine Ergebnisse online in den Bürgersaal zugeschaltet vorstellte, machte deutlich, dass seine Angaben auf Hochrechnungen beruhen. Weder Vorausrechnungen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg noch andere Quellen machten Angaben zu Sollgrößen bei der Wohnungsanzahl in Hockenheim im Jahr 2035. Allerdings ließen Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Landesamtes Rückschlüsse auf den Bedarf an zusätzlichen Wohnungen zu.

1050 Menschen mehr in 15 Jahren

Wenn die Bevölkerung der Stadt in dem Maße wächst, wie beispielsweise die Prognos AG das für den Landesdurchschnitt voraussagt, gibt es in 15 Jahren sieben Prozent mehr Einwohner. Statt 21 539 Menschen wie zum Jahresende 2020 werden es dann 22 589 sein, also 1050 mehr.

Entwicklung von Bevölkerungszahl und Wohnungsbestand

  • Stand 31. Dezember 2020: Einwohner: 21 539, Wohnungen: 10 578, Einfamilienhäuser: 3149 (30 Prozent des Gesamtwohnungsbestands), Wohnungen in Zweifamilienhäusern: 1984 (19 Prozent), Wohnungen in Mehrfamilienhäusern: 4864 (46 Prozent), „sonstige“ Wohnungen: 581, darunter 252 in Wohnheimen.
  • Prognose für 2035: Einwohner: 22 589 (plus 1050, laut Statistischem Landesamt Baden-Württemberg), Wohnungsbedarf: 516 Wohnungen (bei unveränderter Belegungsdichte von 2,04 Personen pro Haushalt), bei sinkender Belegungsdichte steigt die Zahl der benötigten Wohnungen.
  • Zuwachs an Wohnungen im Jahr 2020 (und Abgänge): in Einfamilienhäusern: plus acht, parallel zehn Abgänge – Saldo: minus zwei. In Zweifamilienhäusern: vier durch Neubau, 16 durch Um- und Erweiterungsbauten, 14 Abgänge – Saldo: plus sechs. In Drei- und Mehrfamilienhäusern: plus 19 durch Baumaßnahmen an bestehenden Häusern, zwölf Abgänge – Saldo: plus sieben. In Wohnheimen: plus 52, hier gab es keine Abgänge.
  • Bevölkerungsentwicklung in der Verwaltungsgemeinschaft 1998 bis 2020: Neulußheim plus 20,4 Prozent, Altlußheim plus 19,8 Prozent, Reilingen plus 13,2 Prozent, Hockenheim plus 8,3 Prozent. (Quelle: Stadt).

Bei einer gleichbleibenden Belegungsdichte einer Wohnung, also der durchschnittlichen Anzahl der Menschen, die dort leben, von 2,04 Personen im Schnitt pro Haushalt benötigen die 1050 zusätzlichen Hockenheimer 516 zusätzliche Wohnungen. Alternative Berechnungswege kommen laut Morscher zu einem Bedarf zwischen 802 und 1093 zusätzlichen Wohnungen bis 2035.

Langsamer Zuwachs

Diese Zahlen bekommen umso mehr Gewicht, wenn ihnen die Zuwachsraten an Wohnraum der vergangenen Jahre in der Rennstadt gegenübergestellt werden. So seien im Jahr 2020 in Hockenheim acht Wohnungen in Einfamilienhäusern hinzugekommen, im selben Zeitraum wurden aber zehn Wohnungen in Einfamilienhäusern herausgerechnet. Der Zuwachs von Wohnungen in Zweifamilienhäusern lag im vergangenen Jahr bei 20 – davon vier durch Neubau und 16 durch Erweiterungen. Der Abgang in diesem Segment liegt bei 14 Wohnungen, macht unterm Strich einen Zugewinn von sechs Einheiten.

In Mehrfamilienhäusern mit drei und mehr Wohnungen kamen 19 Wohnungen durch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden hinzu, dem stehen zwölf weggefallene Wohnungen durch Baumaßnahmen gegenüber, teilte Gebhardt Morscher mit, das macht ein Plus von sieben Wohnungen. Nur in der Kategorie Wohnheime ist das Wachstum größer: 52 Einheiten kamen hinzu, einen Abgang gab es laut Statistischem Landesamt nicht. Hierzu zählen auch Liegenschaften des Kreises, beispielsweise für die Unterbringung Geflüchteter.

Das macht unterm Strich für das Jahr 2020 einen Wohnungszugewinn von 61, davon allerdings 52 in Wohnheimen und nur elf in Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern.

82 Baulücken registriert

Die Grünen hatten auch nach Wohnbauflächen und Baulücken in der Stadt gefragt. Laut Gebhard Morscher gibt es aktuell 82 Baulücken mit insgesamt rund 32 000 Quadratmetern Grundstücksfläche. Dazu kämen drei Entwicklungsflächen im Innenbereich als Mischgebiete, von denen rund die Hälfte zum Wohnen nutzbar ist, das sind rund 7000 Quadratmeter. Von diesen circa 39 000 Quadratmetern Wohnbauflächen gehörten der Stadt knapp 8000 Quadratmeter. Im Außenbereich sprach Morscher von acht Flächen mit einer Gesamtfläche von 145 000 Quadratmetern, die für Wohnnutzung verfügbar wären.

Etwas schwieriger zu beantworten war die Grünen-Frage, wie hoch der Bedarf an besonderem Wohnungsbau, also sozialem Wohnraum, bis 2035 voraussichtlich sei und wie sich der Bedarf an barrierefreien Wohneinheiten entwickeln wird. Auch hier konnte Morscher nur Hochrechnungen anbieten, die sich an Bedarfsschätzungen der Prognos AG orientieren, offizielle Prognosen seien nicht bekannt.

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Für Baden-Württemberg insgesamt ermittelte das Beratungsunternehmen einen Bedarf von jährlich 1500 bis 6000 neuen Wohnungen bis 2030 – macht für Hockenheim einen Bedarf von jährlich drei bis zwölf zusätzlichen Einheiten. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg gehe in seiner Bevölkerungsvorausberechnung davon aus, dass im Jahr 2035 in Hockenheim 6146 Menschen über 65 Jahre leben werden. Auf diese Zahl angewendet, ergebe sich bei der Formel der Prognos AG ein Bedarf von 931 altersgerechten oder barrierefreien Wohnungen 2035 in der Rennstadt. Die Anzahl der Wohngeldbescheinigungen liegt seit 2018 konstant bei 17. Für das laufende Jahr liegen noch zwei weitere Anträge vor.

Kaum stadteigene Grundstücke

Oberbürgermeister Marcus Zeitler hob einen weiteren Aspekt aus Morschers Präsentation hervor, die nur am Rand mit der Fragestellung der Grünen zu tun hat: Die Nachbargemeinden Altlußheim, Neulußheim und Reilingen sind in den vergangenen Jahren viel stärker gewachsen als Hockenheim. Das liege wohl an den Neubaugebieten, die die Kommunen ausgewiesen haben. Drei Grundstücke in der Innenstadt im Eigentum der Stadt und 8000 Quadratmeter Fläche brächten Hockenheim in der Entwicklung nicht weit bei einem Bedarf von 516 benötigten Wohnungen.

Zeitler: Klare Richtungsweisung

Schlussfolgerung des OB: „Der Grünen-Antrag unterstreicht die Notwendigkeit eines Neubaugebiets.“ Die Zahlen untermauerten genau das, was die Verwaltung vor rund einem Jahr gesagt habe. „Fakt ist, wir müssen versuchen, unseren Einwohnerstand zu halten und denen, die hier Wohnungen suchen, auch Wohnraum bieten.“ Das Ergebnis der umfangreichen Analyse Morschers sei zwar kein rechtsverbindliches Gutachten, aber „ein klares richtungsweisendes Papier, wohin die Reise gehen muss“, sagte Zeitler mit Dank an den Mitarbeiter der Organisationseinheit Sondermaßnahmen.

Dem schloss sich auch Elke Dörflinger (Grüne) an. „Wir haben einen Eindruck der aktuellen Situation und den Neubedarf an Wohneinheiten erhalten.“ Sie regte eine vertiefende Diskussion der Ergebnisse im Technischen Ausschuss an. Für die Grünen sei schon jetzt klar, dass es wohl notwendig sei, eine regelmäßige Überprüfung der Bevölkerungs- und Haushaltsgrößenentwicklung vorzunehmen. Der Prognosezeitraum von 17 Jahren sei doch eher lang. Wichtig finden die Grünen auch die Kenntnisse über die Belegung von älteren Einfamilienhäusern.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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