Sommerinterview mit dem Hockenheims Oberbürgermeister (2)

Zeitler: Ohne Wachstum ist der Standard nicht zu halten

Hockenheims Oberbürgermeister Marcus Zeitler sieht keine Alternative zur Schaffung eines neuen Baugebiets. Für bezahlbaren Wohnraum gibt es nur eine Fläche.

Von 
Matthias Mühleisen
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Wachstumspotenzial: Wo Anfang 2020 der Bau des Pflegezentrums Offenloch (vorne) begonnen hat, könnte in der 4. Gewann Biblis ein Baugebiet entstehen. © Venus

Im ersten Teil des Sommerinterviews mit unserer Zeitung hat Oberbürgermeister Marcus Zeitler auf das große Potenzial Hockenheims hingewiesen. Im zweiten Teil erläutert er, was er für nötig hält, um dieses Potenzial auch zu entwickeln. Dazu zählt die Schaffung eines neuen Wohngebiets, da Verwaltung und Gemeinderat keinen Zugriff auf die innerstädtischen Flächenreserven haben. Das begrenze auch die Möglichkeiten für die Umsetzung bezahlbaren Wohnraums.

Beim Beschluss zum Bebauungsplan für sozialen Wohnraum an der Ecke Hubäckerring/Max-Planck-Straße in der letzten Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause klang an, dass damit der Bedarf noch nicht gedeckt sein wird. Wie kann es da weitergehen?

Marcus Zeitler: Ich rede da lieber von bezahlbarem Wohnraum. Der Begriff sozialer Wohnungsbau wurde in der Flüchtlingskrise nach meiner Ansicht kaputtgemacht. Was ich mit bezahlbarem Wohnraum meine, sind Wohnungen für die Krankenschwester, die Schicht arbeitet, Großes leistet und mit 1300 Euro netto nach Hause geht. Der Bebauungsplan liegt jetzt zur Offenlage aus, wir haben das Gelände so gestaltet, dass es maximal genutzt werden kann und die Verkehrssicherheit durch Verbreiterung der Gehwege erhöht wird. Wenn der Plan durch ist, wird sich der Gemeinderat damit beschäftigen, nach welchen Kriterien man das Grundstück in die Verwertung bringt. Wir müssen einen gesunden Mittelweg finden, die Verwaltung wird verschiedene Modelle vorschlagen: Denkbar ist ein Bieterverfahren oder ein Verfahren, in dem unterschiedliche Konzepte vorgestellt werden. Wir können auch bestimmte Vorgaben machen, die ins Angebot einfließen müssen – das klären die Fraktionen. Dann bringen wir das in die Öffentlichkeit und sehen, ob es Investoren oder Bauträger gibt, die das umsetzen oder Genossenschaften, die sich beteiligen.

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Sehen Sie Möglichkeiten, weitere Projekte in der Art umzusetzen? Der Bedarf dürfte mit dem einen Objekt ja nicht gedeckt sein.

Zeitler: Dazu fehlen uns die Grundstücke. Das im Bereich Hubäckerring/Max-Planck-Straße ist das letzte, das die Stadt so verwerten kann. Das ist ja das Problem mit der Innenentwicklung: Wenn die Besitzer ihre Grundstücke in der Stadt nicht dafür veräußern, kann darauf nicht gebaut werden. Aus dem langwierigen Auswahlprozess gingen im Dezember 2017 ganze zwei Grundstücke hervor, auf denen sich der Gemeinderat eine Bebauung vorstellen konnte: der Reiterplatz und das jetzt ausgewählte. Der Reiterplatz ist später aus anderen Gründen ausgeschieden, und gegen die weiteren rund ein Dutzend Flächen gab es bekanntlich unterschiedliche Vorbehalte wie Lärmbelastung oder nachbarschaftsrechtliche Bedenken.

Das heißt, ohne neue Baugebietsausweisungen gibt es keine Perspektiven?

Zeitler: Einerseits soll ich Flächen entwickeln, auf denen junge Familien oder Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, leben können. Andererseits gibt es keine innerstädtische Flächen in städtischem Besitz und Vorbehalte gegen neue Baugebiete. In unserer Nachbarschaft, ob in Alt- und Neulußheim, Reilingen oder Schwetzingen, entstehen Neubaugebiete, überall wird Fläche versiegelt. Übrigens ist die Forderung einer Fraktion unseres Gemeinderats schwer umsetzbar, einerseits Innenentwicklung zu betreiben und andererseits unterm Stichwort Schwammstadt jegliche Versiegelung in der Stadt zu vermeiden.

Sie halten den Bereich 4. Gewann Biblis also für dringend notwendig für die Entwicklung der Stadt?

Zeitler: So weit sind wir noch lange nicht. Die jetzt noch landwirtschaftlich genutzte Fläche gehört dem Land. Der jetzt zu erstellende Regionalplan Rhein-Neckar, in dem der Bereich nach Mehrheitsbeschluss nicht mehr als regionaler Grünzug und Vorranggebiet für die Landwirtschaft geführt werden soll, muss noch durch viele Gremien, unter anderem die Verbandsversammlung der Metropolregion. Dann muss das in den Flächennutzungsplan mit den Horan-Gemeinden aufgenommen und ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Fakt ist: Wir haben so früh wie möglich alle beteiligt und nichts hinter verschlossenen Türen gemacht. Wenn wir nicht wachsen, können wir den Standard nicht halten – diese Weisheit gilt auch für eine Stadt wie Hockenheim. Und wir sollten nicht vergessen: In einem modernen Wohngebiet lässt sich auch die Nachhaltigkeit wesentlich besser berücksichtigen: Photovoltaik, unser Nahwärmenetz, Regenrückhaltemöglichkeiten.

Sie haben die Verwaltungsgemeinschaft erwähnt – auch im Gemeinderat im Zusammenhang mit dem Katastrophenschutz. Da haben Sie auch noch einiges vor?

Zeitler: Ich bin überzeugt, dass wir über die Verwaltungsgemeinschaft viel mehr Synergieeffekte erzielen können. Mit meinen Kollegen, die dazu ebenfalls ihre Bereitschaft erklärt haben, will ich in intensive Gespräche gehen und schauen, wo wir für unser Gebiet noch enger zusammenarbeiten können. Davon werden alle profitieren – es braucht eben eine gewisse Kompromissbereitschaft. Allein bei der Beschaffung können wir anders auftreten, wenn wir für die vier Kommunen zusammen bestellen. Ab 2022 sollten im Sitzungskalender jedes Gemeinderats zwei feste Termine stehen, an denen sich alle vier Gremien gemeinsam treffen, um Themen zu diskutieren wie Katastrophenschutz, Biotopvernetzung, interkommunales Gewerbegebiet und Synergieeffekte bei Bauhof, Ausschreibungen, Digitalisierung und anderen Bereichen. Das ist bisher zu kurz gekommen.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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