Die Zeit der blauen Fahrräder in kleinen Grüppchen geht zu Ende: Der Gemeinderat hat mit den Stimmen von CDU, Freien Wählern und FDP die Fortführung des Fahrradvermietsystems VRN Nextbike abgelehnt. Der Vertrag wird demnach gekündigt und das System bis zum 31. Mai kommenden Jahres abgebaut. Bis dahin zahlt die Stadt noch rund 18 000 Euro für das flexible Mietradangebot.
Das Kosten-Nutzen-Verhältnis war für die drei Fraktionen ausschlaggebend, dem im Juni 2018 in Hockenheim eingeführten Fahrradvermietsystem die Unterstützung zu entziehen. „Wir sind gerne bereit, Investitionen in Verbindung mit Umwelt- und Klimaschutz zuzustimmen, wünschen uns jedoch, dass diese Maßnahmen mehr Bürgerinnen und Bürger anspricht wie zum Beispiel der Ausbau von Fahrradwegen“, erklärte Bärbel Hesping im Namen der CDU.
16 Euro Zuschuss pro Ausleihe
Sie regte an, dass der Gemeinderat sich mit der weiteren Vorgehensweise bei der Klausurtagung beschäftigen könne – „vielleicht nutzt auch die Firma die Zeit bis dahin, ihre Preispolitik noch einmal zu überdenken?“, hoffte Hesping. Die CDU sei wie die anderen Fraktionen überzeugt, dass ein Mehr an Fahrradverkehr das Klima verbessere. Doch die Hoffnung, dass sich die Maßnahme mit der Zeit finanziell von selbst trage, habe sich nicht erfüllt, und die 100 000 Euro für die Fortsetzung seien „viel Geld für eine klamme Kommune wie Hockenheim“.
„Wir sehen nicht die Notwendigkeit, ein solches Angebot vorzuhalten“, sagte die Sprecherin der Freien Wähler, Gabi Horn und verwies auf eine Nachfrage von 100 Ausleihvorgängen pro Monat. Die Hockenheimer Bürger hätten in der Regel eigene Fahrräder, Touristen sorgten nicht für eine Auslastung. Zwar sei Fahrradfahren aus Umwelt- und Klimaschutzgründen wichtiger denn je, das fördere die FWV gerne – „aber nicht jede Maßnahme zu jedem Preis“, stellte Gabi Horn fest.
SPD und Grüne für Fortsetzung
Beide Sprecherinnen verwiesen darauf, dass der Hockenheimer Steuerzahler jede Ausleihe mit 16 Euro bezuschusse. Diese Kosten seien zu hoch. „Wir reden im Gemeinderat immer von Kostenreduzierungen“, erinnerte Gabi Horn. Sie merkte an, dass ihre Fraktion auch nicht mit der Unterhaltung der Stationen zufrieden sei. An der in der Talhausstraße lägen seit rund zwei Wochen die Fahrräder neben den Halterungen. „Man hat den Eindruck, dass sich hier niemand kümmert, es sieht wirklich sehr unordentlich aus“, sagte Horn.
„Viel zu teuer“ fand auch Helmut Kief für die FDP das Angebot. Er hatte sogar 20 Euro pro Verleihvorgang errechnet. Kief: „Wir sollten dieses Geld besser in ein ausgeglichenes Radwegenetz investieren, hier ist in Hockenheim noch viel zu tun, oder in eine zweite Buslinie.“
„Es bringt nichts, nur über Klimaschutz zu sprechen. Auch das gerade beschlossene Klimaschutzkonzept nützt uns nichts in der Schublade, wenn wir die darin empfohlenen Aktionen, die wenigen Sachen, die wir hier in unserer Stadt beitragen können, verweigern“, appellierte SPD-Fraktionsvorsitzende Marina Nottbohm an die Befürworter des Ausstiegs. Dass die Ausleihzahlen trotz Corona, trotz des Ausfalls fast aller Veranstaltungen und trotz Homeoffice gestiegen seien, sei Grund genug, dem System noch weitere zwei Jahre eine Chance zu geben.
In „normalen Zeiten“, verstärkt durch deutliche Werbeaktionen, unterstützt durch die Klimamanagerin, erwartet Nottbohm Steigerungen. Nach Auffassung der SPD sei VRN Nextbike „eine Maßnahme, mit der wir hier tatsächlich etwas zum Klimaschutz beitragen können“. Sie biete die Chance, flexibel von A nach B zu kommen und die letzten Kilometer zwischen Bahn und Ziel locker zu fahren mit der Möglichkeiten der interkommunalen Nutzung.
Das Vorhalten der Räder koste zwar richtig Geld, aber dafür müsse sich die Stadt auch um fast nichts kümmern, sagte die Sozialdemokratin. Sie erinnerte an die Begeisterung dafür beim Start 2018 und fragte: Was würden wir jetzt, auch für die Nachbargemeinden, für ein Zeichen setzen, wenn wir dieses Konzept einfach in die Tonne treten?
Standardangebot für Kommune
Oliver Grein räumte seitens der Grünen ein, dass das Angebot nicht wie erhofft genutzt worden sei. Ein Fahrradverleihsystem sei jedoch in der Zukunft kein „Nice to have“, sondern ein Standardangebot, was von einer modernen Kommune erwartet werde, „gerade wenn diese ein klimafreundliches Mobilitätskonzept beschlossen hat“, ist Grein überzeugt.
Die Stärkung einer fahrradfreundlichen Mobilitätskultur in Hockenheim sei für die Grünen eine zentrale Zukunftsaufgabe, für deren Erfüllung es noch vieler weiterer Schritte bedürfe. Nextbike sei weiterhin ein wichtiger Baustein bei der nutzerfreundlichen Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs und ein Beitrag zum Klimaschutz. Der koste zwar Geld, „aber kein Klimaschutz kostet die Gemeinschaft noch mehr Geld.“
Wenn Verwaltung und Gemeinderat die Bürger von der klimafreundlichen Mobilität überzeugen wollen, „ist die Einstellung dieses Angebotes eindeutig das falsche Signal“, unterstrich Grein. Die Grünen forderten, dass die gut 100 000 Euro, die durch die Nichtfortführung des Vertrages nun frei werden, in die Fahrrad-Infrastruktur investiert werden.
Grüne und SPD scheiterten mit acht Stimmen bei einer Enthaltung mit ihrem Antrag, den Vertrag mit VRN Nextbike doch bis Ende 2025 zu verlängern. Mit elf Stimmen setzten sich CDU, FWV und FDP mit der Kündigung durch.
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