Sommerthema (5)

Hockenheimer Gemeinderat: Bezahlbaren Wohnraum schaffen, aber wie?

Nach dem Ausstieg der Quartiersmanufaktur erläutern die Fraktionen im Hockenheimer Gemeinderat ihre Vorstellungen für künftige Wohnprojekte – mit und ohne städtische Bauherrschaft.

Von 
Matthias Mühleisen
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Wie soll das Grundstück im Hubäckerring an der Ecke Max-Planck-Straße bebaut werden, nachdem der Projektentwickler sind zurückgezogen hat? Die CDU möchte es auf den freien Markt geben, über die schwierigen Voraussetzungen für sozialen Wohnungsbau wegen fehlender Fördergelder herrscht Konsens im Gemeinderat. © Norbert Lenhardt

Hockenheim. „Dass wir Wohnraum dringend brauchen, steht außer Frage. Wir bedauern es sehr, dass der Investor abgesprungen ist und für unser Vorhaben sozialer Wohnungsbau nun nicht mehr zu unserer Verfügung steht“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler Gabi Horn. Fraglich sei, ob sich in der heutigen Zeit unter den durch den Landesgesetzgeber geschaffenen erschwerten Bedingungen überhaupt noch ein Investor findet, der nach den vorgegebenen Kriterien Wohnungsbau umsetzen kann.

FWV: Über eigene Wohnungsbaugesellschaft zügig entscheiden

Reilingen gehe mit gutem Beispiel voran, wie es auch gehen kann: „mit einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft und großem Engagement. Wir Freien Wähler haben den Vorschlag schon vor einiger Zeit eingebracht, eine eigene Wohnungsbaugesellschaft zu gründen beziehungsweise die noch bestehende Gesellschaft wiederaufleben zu lassen“, erinnert die Fraktionsvorsitzende. Ob das möglich sei und wie weiter agiert wird, solle in der nächsten Sitzung des Gemeinderates diskutiert werden. „Die uns vorgetragenen Informationen und das Ergebnis der Beratungen möchten wir abwarten, bevor wir uns endgültig eine Meinung bilden und diese öffentlich machen“, teilt Gabi Horn mit.

CDU: Grundstück am Hubäckerring frei vergeben

„Der Rückzug des Investors ist schmerzhaft, verdeutlicht aber einmal mehr, in welcher Misere der Wohnungsbau in Deutschland steckt“, so fasst Markus Fuchs die Meinung der CDU-Fraktion zusammen. Denn 2024 seien in Deutschland so wenige Wohnungen wie seit 2010 nicht mehr gebaut worden. Bärbel Hesping ergänzt: „Die Auflagen, die ein Bauherr inzwischen hat, machen jeden Bau sehr risikoreich und schrecken jeden Unternehmer ab, da es nahezu unmöglich ist, die Kosten wieder reinzuholen.“

Weiter zu warten, halten die CDU-Vertreter für die schlechteste aller Alternativen und sprechen sich daher für eine freie Vergabe aus. „Die Stadtwerke als Grundstückseigentümerin braucht jeden Cent zur Finanzierung des Aquadrom-Defizits. Das Geld war fest eingeplant“, geben Christoph Kühnle und Fritz Rösch zu bedenken. Vor zehn Jahren habe die CDU-Fraktion noch die Idee einer Wohnungsbaugesellschaft ins Spiel gebracht. Aber es habe sich schnell herausgestellt, dass die Stadt weder über die Baugrundstücke noch über die finanziellen Mittel verfügt, um hier ernsthaft was bewegen zu können.

Vermeiden möchte man eine erneute jahrelange Grundsatzdiskussion im Gemeinderat, bei der am Ende nichts herauskomme: „Für uns ist und bleibt die Realschule das wichtigste kommunalpolitische Thema. Und dieser kommunalen Pflichtaufgabe müssen sich Verwaltung und Gemeinderat endlich stellen“, fordern Hanna Bühler und Jasmin Ulrich.

SPD: Auf vorhandenen, aber ungenutzten Flächen bauen

„Die Entwicklungen rund um den sozialen Wohnungsbau am Hubäckerring sind mehr als bedauerlich. Denn für die SPD Hockenheim hat das Thema bezahlbarer Wohnraum einen besonders hohen Stellenwert“, unterstreicht Fraktionsvorsitzende Marlene Diehm. Die Ausweisung neuer Baugebiete sei durch gesetzliche Vorgaben zwar stark eingeschränkt, komme es dennoch zur Erschließung neuer Flächen, setze sich die SPD-Fraktion mit Nachdruck dafür ein, dass dort auch sozial geförderter Wohnungsbau berücksichtigt wird oder Grundstücke nach sozialen Kriterien vergeben werden.

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Die größte Herausforderung und gleichzeitig eine große Chance liege jedoch in den bereits vorhandenen, aber ungenutzten Flächen innerhalb der Stadt, sagen die Sozialdemokraten. Dazu gehörten leer stehende, nicht vermietete oder verkaufte Wohnungen und Häuser, brachliegende Grundstücke sowie baufällige Gebäude, die abgerissen werden müssten, um Neues entstehen zu lassen. „Hier gilt es, die Bemühungen der Verwaltung weiterhin tatkräftig zu unterstützen. Denn die Nutzung bereits bestehender Flächen ist die nachhaltigste Form der Wohnraumschaffung“, erklärt Marlene Diehm.

Eine weitere Möglichkeit sieht die SPD-Fraktion im sogenannten Bauen in zweiter Reihe, das zusätzlichen Wohnraum schafft. Auch das Konzept der Tiny Houses könne in den besonderen Grundstücksstrukturen des alten Stadtkerns attraktiv sein. Positiv bewertet die SPD Hockenheim zudem die Idee einer Wohnungsbaugenossenschaft oder -gesellschaft. „Klar muss allerdings sein, dass dies vielmehr als ein hilfreiches Werkzeug anzusehen ist und nicht die Probleme löst“, ergänzt die Sprecherin.

Grüne: Vorschläge zur Quartierplanung am Hubäckerring umsetzen

Die Schaffung von sozialem Wohnraum stelle eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar, an der Bund, Land und Kommunen anteilig Verantwortung tragen. Fördermöglichkeiten könnten dabei unterstützend wirken und seien eine Voraussetzung für deren Umsetzung, eröffnen die Grünen ihre Stellungnahme. „In Hockenheim wurde es aus unserer Sicht versäumt, in Zeiten wirtschaftlich stabiler städtischer Finanzen eine Wohnungsbaugesellschaft zu gründen. Stattdessen wurden ab dem Jahr 2004 wegen der finanziellen Folgen des Motodromumbaus städtischer Grundbesitz und städtischer Wohnraum zur Konsolidierung des städtischen Haushalts veräußert“, blickt Stadtrat Adolf Härdle zurück. Dadurch fehle heute die Basis für einen aktiven sozialen Wohnungsbau in Hockenheim – im Vergleich etwa zur Gemeinde Reilingen, die dies sehr erfolgreich umsetze.

Generell habe sich der Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung in Hockenheim nach Auffassung der Grünen bewährt, seien doch in den vergangenen Jahren innerörtliche Bauvorhaben in der Schwetzinger-, Heidelberger- und Oberen Hauptstraße, im Wasserturmgebiet und im Mühlenviertel verwirklicht worden. An der Belebung des Wohnungsmarktes seien dabei sowohl private Grundstückseigentümer, Investoren als auch Bauträger beteiligt gewesen.

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Härdle ist überzeugt: „Wir brauchen mehr Wohnraum mit sozialem Anteil in der Stadt.“ Im möglichen Baugebiet „Am Kreuz“ stehe jedoch die Betriebsgenehmigung des Motodroms dem Planungsziel einer städtebaulich, ökologisch und sozial verträglichen Wohnbebauung im Weg. Auch bremsten große Herausforderungen im Bausektor – hohe Kosten, langwierige bürokratische Abläufe und komplexe baurechtliche Anforderungen des Landesbauordnung – Investoren und erschwerten neue Projekte.

„Bereits im Jahr 2024 hat unsere Fraktion im Rahmen eines Prüfauftrags sehr konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung des Bebauungsplans Hubäckerring eingebracht. Dabei wurden mehrere Impulse zur Nutzung aus grüner Perspektive formuliert. Der Antrag wurde bedauerlicherweise abgelehnt und es kam erst gar nicht dazu, die Ideen weiterzuverfolgen“, ergänzt Stadtrat Christian Keller. Zentraler Punkt des Vorschlags sei es gewesen, den im Quartier Hubäckerring ansässigen Nahversorger in die Entwicklung einzubeziehen und etwaige Umsetzungs- sowie Konzeptionsideen auch unter Berücksichtigung von sozialem Wohnungsbau zu unterstützen. In dem Zusammenhang komme der Verwaltung und dem Gemeinderat eine erhöhte Verantwortung zu.

„Für die Zukunft sehen wir bei der Quartierplanung am Hubäckerring eine zukunftsweisende Chance und Herausforderung für die städtebauliche Entwicklung von Hockenheim im Einklang mit dem städtischen Gesamtentwicklungskonzept. Die vorgeschlagenen Maßnahmen in unserem Antrag von 2024 bleiben sinnvoll und könnten erneut aufgegriffen werden. Darüber hinaus besteht ein dringender Bedarf an einem vorausschauenden Erhaltungsmanagement des bestehenden städtischen Wohnbestands. Substanzerhaltungsinvestitionen müssen systematisch geplant und umgesetzt werden, statt sie zu verschieben oder privat zu vermarkten“, vervollständigt Fraktionsvorsitzende Elke Dörflinger die Stellungnahme der Grünen.

FDP: Sozialquote bei Neubauten auf städtischen Grundstücken

„Das Scheitern des Projekts im Hubäckerring ist ein herber Rückschlag für alle, die auf bezahlbaren Wohnraum in Hockenheim hoffen. Gerade in Zeiten steigender Baukosten und Zinsen zeigt sich, wie schwer es ist, soziale Projekte am Markt durchzusetzen“, teilt Stadtrat Philipp Kramberg mit. Für die FDP-/LfH-Fraktion sei klar: „Wir dürfen das Thema nicht ad acta legen. Wohnen muss auch in Hockenheim bezahlbar bleiben. Das aktuelle Beispiel macht aber deutlich, dass es unter den heutigen Bedingungen kaum möglich ist, ausschließlich sozialen Wohnraum zu schaffen.“

Abzuwarten, ob die Preise irgendwann wieder sinken, sei für die Liberalen ebenfalls keine Option. Niemand könne die Entwicklungen vorhersagen. Kramberg: „Stattdessen brauchen wir jetzt neue, realistische Konzepte, die sowohl Investoren eine Perspektive bieten als auch sozialen Wohnraum garantieren und mit unserer schwierigen Haushaltslage vereinbar sind.“

Ein Blick nach Mannheim könnte inspirieren: Dort müssten Investoren bei Neubauten auf städtischen Grundstücken ab einer bestimmten Größe 30 Prozent sozialen Wohnraum einplanen. Solche Modelle schafften eine faire und realistisch umsetzbare Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialer Verantwortung. „Wir setzen uns für eine Stadtentwicklung ein, die Investitionen erleichtert, bezahlbaren Wohnraum schafft und unsere Haushaltslage im Blick behält – auf keinen Fall aber nur auf einen Faktor den Fokus legt“, schließt Philipp Kramberg.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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