Jahrestag

Hockenheims früherer Bürgermeister Dr. Kurt Buchter wäre 100 Jahre alt

Vor 100 Jahren wurde der frühere Bürgermeister und Ehrenbürger Dr. Kurt Buchter geboren. Zu seinen wichtigen Werken gehören das Talhaus und auch das Freibad.

Von 
Franz Anton Bankuti
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Einsatz für den Ring: Dr. Kurt Buchter (2. v. l.) im Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Für die Renn-strecke seiner Heimatstadt blieb Buchter auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt noch aktiv. © HTZ-Archiv

Hockenheim. „Nie mehr Krieg, unter keinen Umständen, es kann keinen Grund geben, dass eine Mutter ihre Söhne opfert.“ Mit diesen Worten begann Dr. Kurt Buchter vor genau zwei Jahrzehnten seine kleine Dankesrede beim Empfang anlässlich seines 80. Geburtstages. Dieser Gedanke war ein wesentlicher Grundsatz seines Lebens, den er gefasst hatte, als er aus leidvoller Gefangenschaft in Russland in seine Heimat zurückkehren konnte, glücklich, wieder zu Hause zu sein, aber auch gesundheitlich beeinträchtigt. Beeindruckend und gleichzeitig auch bedrückend, diese Gedanken: Buchters Erwartung eines friedlichen Zusammenlebens erweist sich angesichts der aktuellen Umstände als Wunschdenken.

Seit jenem Geburtstagsempfang für Dr. Kurt Buchter sind genau zwei Jahrzehnte vergangen, an diesem Samstag jährt sich der Geburtstag des langjährigen Bürgermeisters und späteren Ehrenbürgers Buchter zum 100. Male, im April 2011 ist er 88-jährig verstorben.

Kurt Buchter – Früherer Hockenheimer Bürgermeister: Stolzer „Schulsträßler“

Kurt Buchter war und blieb zeitlebens ein „echter Hoggemer“, wie er gerne betonte und hinzufügte, dass er ein „Schulsträßler“ sei. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre bei der Firma Heinrich Lanz in Mannheim, kam mit 18 Jahren zum Arbeitsdienst, dann als Soldat nach Gauting, Wien und Tschechien und schließlich an die russische Front und in Kriegsgefangenschaft.

Ehrenbürger bei der Einweihung der Zehntscheune 2010: Bürgermeister Werner Zim-mermann mit Dr. Kurt Buchter, Adolf Stier und Arthur Weibel. © Schwerdt

Zurückgekehrt in die Heimat, arbeitete er ab 1948 zunächst als Reporter und Hilfsredakteur unter anderem für den „Schwetzinger Morgen“ und bald als Redakteur für regionale Zeitungen, außerdem war er auch auf politischem Sektor interessiert.

Bereits 1953 wurde er in den Hockenheimer Gemeinderat gewählt. Als SPD-Landtagskandidat erzielte er ein gutes Ergebnis, auch wenn er letztendlich gegen den Christdemokraten Dr. Valentin Gaa keine Chance hatte, ins Landesparlament einzuziehen.

Kurt Buchter – Früherer Hockenheimer Bürgermeister: 1958 im Wahlkampf erfolgreich

Dafür begann seine erfolgreiche politische Arbeit im Jahr 1958, als er nach einem harten Wahlkampf um den Bürgermeisterposten im zweiten Wahlgang gegen den CDU-Mann Barth aus Mannheim erfolgreich war. Jetzt konnte sich Kurt Buchter voll für seine Heimatstadt einsetzen, die an einem wichtigen Wendepunkt stand. Sein Vorgänger Franz Hund hatte Hockenheim durch die schwierige Nachkriegszeit geführt, starb im Jahr 1958 wenige Monate, nachdem er aus dem Amt ausgeschieden war.

Hockenheim war damals eine reine Auspendlergemeinde, die Zahl der Arbeitsplätze war überschaubar, man wollte alles daran setzen, Unternehmen nach Hockenheim zu holen. Letztendlich gelang dies auch – vielen war es in Mannheim zu eng geworden, sie wollten aber in der Nähe bleiben, andere sahen die Region Hockenheim aus infrastrukturellen und verkehrstechnischen Gründen als attraktiv an.

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Nun galt es natürlich, um solche Unternehmen zu kämpfen und sie mit attraktiven Bedingungen anzulocken. Da kam Bürgermeister Kurt Buchter seine Beredsamkeit und Eloquenz ebenso entgegen wie seine oft zitierte „Bauernschläue“.

Das Gebiet Talhaus wurde nach und nach zu einem Industriebereich, was anfangs nicht alle Landwirte der Region erfreute. Buchter schaffte es aber immer wieder, verschiedene Interessen unter einen Hut zu bringen, Schnelligkeit und Überzeugungskraft waren die positiven Eigenschaften, die der Verwaltungschef damals brauchte. Ob mitunter manchmal (oder auch öfter) dabei der zweite und dritte Schritt vor dem ersten gemacht wurde, dürfte längst niemanden mehr interessieren – der Erfolg gab schließlich recht.

Genau 20 Jahre stand Buchter an der Spitze der Stadt. Nach der damaligen gesetzlichen Regelung währte die zweite Amtsperiode eines Bürgermeisters zwölf Jahre. Zwei ereignisreiche Jahrzehnte, die Hockenheim prägten. Neben der Etablierung des Industriegebiets waren es beispielsweise der lang ersehnte Bau des Freibads, später der erste Bauabschnitt des Aquadroms, der Bau von Schulzentrum und Sportanlagen, die Initiativen für Fasnachtszug und „Hockenheimer Mai“, die Gründung der Sing- und Musikschule und natürlich der Einsatz für den Bau des Motodroms. Nicht unerwähnt bleiben darf das optimal organisierte Jubiläumsjahr 1969 mit der 1200-JahrFeier mit vielen Höhepunkten.

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Kurt Buchter – Früherer Hockenheimer Bürgermeister: Kampf um den „Massa-Markt“

Buchter scheute keinen Einsatz, kämpfte gegen Widerstände, ging keinem Konflikt aus dem Weg, wenn es um Hockenheim und seine Bürgerinnen und Bürger ging. Manche werden sich noch an den Kampf um den „Massa-Markt“ erinnern, als die Region um Wiesloch die Ansiedlung in Hockenheim verhindern wollte. Buchters Kampf auch für eine Vielzahl von Arbeitsplätzen insbesondere für Frauen war schließlich erfolgreich.

Kurt Buchter war auch Mitglied des Kreistags. Mit seiner kommunalpolitischen Kämpfernatur setzte er sich für die Region Hockenheim ein und warnte vor der Bevorzugung anderer Regionen des Kreises, wohl nicht immer zu Unrecht. Als Redner im Kreistag war er bekannt für seine Eloquenz, seine Unnachgiebigkeit und mitunter seinen Sarkasmus, seine Kompetenz wurde aber stets anerkannt.

Kurt Buchter – Früherer Hockenheimer Bürgermeister: Verzicht auf weitere Kandidatur

Kurt Buchter, der 1949 seine ebenfalls aus Hockenheim stammende Ehefrau Luise geheiratet hatte, fand noch die Zeit zur wissenschaftlichen Ausbildung, die er mit dem Diplom-Examen als Volkswirt abschloss und mit wissenschaftlichen Einsichten und praktischen Erfahrungen entstand schließlich seine Promotion, die ihn zum Doktor der Staatswissenschaften machte.

Nach seinen zwei bürgermeisterlichen Jahrzehnten mit vollem Einsatz spürte er immer mehr, dass sein Körper, auch aufgrund der entbehrungsreichen Kriegsjahre in Russland, seinen Tribut forderte. Er verzichtete auf eine erneute Kandidatur, engagierte sich bei der Hockenheim-Ring GmbH, gab aber dort nach und nach alle Ämter auf.

Ein Luftbild des Talhauses, in dessen Mittelpunkt die Betriebsstätte der Firma Süba zu sehen ist. Die dunkelblaue Fläche am rechten oberen Bildrand zeigt das Dach des Massa-Supermarktes – heute der Sitz des Globus-Marktes. Gut zu erkennen am Massa-Markt ist die helle Fläche des Parkdecks. Um die Ansiedlung des Marktes gab es Mitte der 1970er Jahre einen heftigen Rechtsstreit mit der Stadt Wiesloch. Zwar ging dieser zugunsten von Hockenheim aus, doch in der Folge verzichtete Bürgermeister Dr. Kurt Buchter auf die Ansiedlung von Ikea im Talhaus. © privat

Als er bei einem Empfang zu seinem 70. Geburtstag eine viel beachtete heiter-ironisch-nachdenkliche Rede hielt und seine Arbeits- und Lebenszeit Revue passieren ließ, gab es nicht nur viel Beifall, sondern, wie Zeitzeugen sich erinnern, die mehrfache Feststellung: „Ach Gott, was Sie alles wisse, Sie sollte ä Buch schreiwe.“

Dies muss wohl eine Initialzündung für den ehemaligen Journalisten gewesen sein, schließlich hatte er in unzähligen Unterlagen seiner Amtszeit und auch danach stets vieles festgehalten und so kam es, dass innerhalb weniger Wochen die gewiss nicht kleine Buchtersche Wohnung zu einem „Literatur-Archiv“ wurde und Ehefrau Luise schon zufrieden war, dass sie wenigstens auf einer Ecke des wohnzimmerlichen Couchtisches noch Platz finden durfte, das Mittagessen zu servieren.

Zwei Bücher sind schließlich erschienen mit persönlichen Erinnerungen aber ebenso mit sachlich-objektiven Informationen und subjektiven Überlegungen zu Hockenheim, zur Region, letztendlich alles eingebunden in die Welt- und Zeitgeschichte.

Meilenstein 1200-Jahr-Feier: Dr. Kurt Buchter (r.) dankt dem Fahrdienst, der in den Festwochen die Gäste und Ehrengäste chauffiert hat. © HTZ-Archiv

Dr. Kurt Buchter war bestimmt nicht immer ein „ganz bequemer“ Zeitgenosse, an seine mitunter verblüffende Direktheit konnten sich manche nicht ganz leicht gewöhnen, ebenso wie an seine Art des Humors, der aber auch schwierige Situationen oft schnell in einem anderen Licht erscheinen ließ.

Kurt Buchter – Früherer Hockenheimer Bürgermeister: Ehrlichkeit und Fairness gezeigt

Dass ihm aber letztendlich Ehrlichkeit und Fairness immer wichtig waren, war sicherlich allen klar geworden. Dass er im Alter mitunter „etwas schwierig“ war, konnte dazu führen, dass manche Kontakte, zumindest vorübergehend, etwas lockerer wurden. Seine Augenprobleme und nachlassende Sehkraft zehrten natürlich auch an den Nerven des Mannes, für den Information und damit das Lesen immer an erster Stelle stand.

Bereits Ende 2002 verstarb seine Ehefrau Luise – ein herber persönlicher Verlust für Buchter nach über fünf Ehejahrzehnten, er folgte ihr knapp neun Jahre später, der Ehrenbürger Dr. Kurt Buchter verstarb im April des Jahres 2011.

Die eingangs erwähnte Dankesrede beim Empfang zu seinem 80. Geburtstag schloss Buchter mit einem nachdenklichen Wunsch ab: „Ich hoffe, dass ich keine historische Fehlbesetzung war, ich habe mich mit aller Liebe und Lust für Hockenheim eingesetzt.“ Dies wird wohl niemand bezweifeln, selbst seine Kritiker nicht.

Freier Autor

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