Hockenheim. Sie war und ist eine fast nicht zu bewältigende Herausforderung für die ganze Weltbevölkerung: die Corona-Pandemie. Außer den tiefgreifenden Einschränkungen für die Gesellschaft führten die Lockdowns fast zu einem kompletten Stillstand der Wirtschaft. Allen voran hatte das Gastronomie- und Hotelgewerbe unter der Pandemie zu leiden. Die Politik entschied im Sommer 2020 – um den finanziellen Druck auf das Gastgewerbe zu mindern – die Umsatzsteuer auf Speisen von bisher 19 auf sieben Prozent zu senken. Das Ganze jedoch nur befristet bis zum Jahresende 2023.
Gastro-Steuer von 19 Prozent wäre ein weiterer Sargnagel für die Branche
Die nun bevorstehende Rückkehr zum alten Steuersatz löste in den vergangenen Wochen rege Diskussionen aus. Laut Richard Damian, Geschäftsführer des Hotels Motodrom in Hockenheim und Vorsitzender der Fachgruppe Berufsbildung bei der Kreisstelle Rhein-Neckar des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, wäre eine Abkehr von dem verringerten Prozentsatz ein „weiterer Sargnagel für die aktuell stark gebeutelte Branche“.
Denn nicht nur die Pandemie hat der Gastronomie heftige Probleme bereitet, der Ukraine-Krieg und die Energiekrise sowie die Inflation stießen in eine bereits pochende Wunde und rissen diese noch weiter auf. „In den Jahren 2020 und 2021 haben wir deutschlandweit 36 000 Unternehmen verloren. Im ersten Quartal 2023 lagen die inflationsbereinigten Umsätze immer noch 12,5 Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Die Krise ist also noch längst nicht ausgestanden“, so Damian zur aktuell brenzligen Lage in der Gastronomie und im Hotelgewerbe.
Der Hockenheimer Hotelier beschreibt die immensen Kosten, mit denen die Branche momentan zu kämpfen hat: „Durch die Inflation steigen die Lebensmittelpreise, die Personalkosten gehen ebenfalls um 20 Prozent hoch und die Energiekrise sorgt für weitere Kosten. Der Zeitpunkt für die Rückkehr zu einem Steuersatz von 19 Prozent ist gänzlich unpassend.“
Europäische Länder haben im Vergleich deutlicher weniger als 19 Prozent
Damian, der seit mittlerweile 16 Jahren das Hotel Motodrom leitet und mit seiner Familie auch in Hockenheim wohnt, fordert sogar, den Steuersatz von sieben Prozent komplett beizubehalten. Dafür hat er schlagende Argumente: „Betrachtet man unsere europäischen Nachbarländer, so liegt die Gastro-Steuer überall im einstelligen Bereich. In Luxemburg sind es sogar nur drei Prozent auf Speisen. Hier muss man sich zwingend im kontinentalen Vergleich anpassen.“
Gerade mit der verminderten Gastro-Steuer könne man die steigenden Kosten auffangen, so Damian weiter. „Als Erstes wird die Gastronomie auf den Dörfern sterben, sollte zu den 19 Prozent zurückgekehrt werden“, warnt der Hotelier. Zudem müsse die Steuererhöhung dann auf die Preisgestaltung und somit letztendlich auf den Kunden abgewälzt werden. Im schlimmsten Fall wäre das Ergebnis, dass eine Pizza plötzlich 20 Euro oder ein Schnitzel sogar 30 Euro kosten könnte. „Und wer möchte da noch essen gehen?“, stellt Damian die Gretchenfrage. Für ihn würde dies unweigerlich in der Voraussicht etlicher Gastronomieschließungen enden. Keine Gäste bedeutet kein Umsatz, eine ganz einfache Rechnung.
Dies wiederum hätte aus Damians Sicht einen „Rattenschwanz“, denn Leerstand in der Gastronomie führe zu fehlendem Anreiz in die Innenstädte zu gehen, potenzielle Gäste würden ihren Blick wohl eher ins Ausland richten. Gleichzeitig wären dann der Einzelhandel und die Vielfalt in den Innenstädten bedroht.
„Die sieben Prozent sind nicht nur für die Gastronomen gut, sie stehen für Service, Lebensgefühl und Genuss, was man den Menschen – gerade nach den schweren letzten Jahren – keinesfalls nehmen sollte“, plädiert der Hotelier. Eine Umfrage der Dehoga unter 9600 Mitgliedsbetrieben ergab, dass 49,3 Prozent von ihnen bei einer Steuererhöhung auf 19 Prozent vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Landtagsabgeordnete äußern sich zum Thema Gastro-Steuer
Noch ist jedoch keine endgültige Entscheidung gefallen, in der Ampelkoalition herrscht noch Uneinigkeit bei diesem Thema. Die drei Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Schwetzingen haben wir hier zur geplanten Steuererhöhung gefragt:
Landtagsvizepräsident Daniel Born (SPD): „Ich habe mich schon vor Wochen dafür ausgesprochen, vorerst weiter bei den sieben Prozent zu bleiben und langfristig eine Angleichung der Steuer auf Bewirtung und auf Mitnahme zu erreichen. Pandemie, Fachkräftemangel, Inflation, Energiekosten – unsere Gastronomie steht enorm unter Druck. Deshalb braucht es die reduzierte Mehrwertsteuer über den 31. Dezember hinaus. Gastronomie ist Lebensqualität, Begegnungsort und Wirtschaftskraft. Mit innovativen mittelständischen Unternehmern und hochmotivierten Fachkräften. Das verdient Respekt. Wichtig ist darum, neben der Beibehaltung der reduzierten Mehrwertsteuer, dass die Bundesregierung mit der neuen Zuwanderungspolitik endlich für mehr Fachkräftegewinnung sorgt.“
Landtagsabgeordneter Andreas Sturm (CDU): „Die CDU setzt sich für eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf sieben Prozent ein. Seit der Corona-Pandemie gibt es verstärkt geliefertes Essen oder mitgenommenes Essen, welches mit sieben Prozent versteuert wird. Das ist ein enormer Wettbewerbsnachteil. Auch im europäischen Ausland gibt es fast überall einen geringeren Mehrwertsteuersatz. Im Endeffekt verliert der Staat durch die gesenkte Mehrwertsteuer kein Geld, da dann schlichtweg weniger Menschen in die Restaurants gehen werden und zahlreiche Existenzen bedroht sind, hinzu kommt der Fachkräftemangel. Die meisten Gastronomen haben trotz gestiegener Kosten für Energie und Lebensmittel und trotz der Inflation die Preise nur moderat erhöht, es wäre jetzt ein Schlag ins Gesicht unserer Gastronomie.“
Landtagsabgeordneter Dr. Andre Baumann (Grüne): „Ich habe großes Verständnis für die Sorgen bezüglich der auslaufenden reduzierten Mehrwertsteuer in der Speisegastronomie. Dazu kommt der zunehmende Fach- und Arbeitskräftemangel und eine wirtschaftliche Lage, die für Gastronomiebetriebe, insbesondere im ländlichen Raum, zur täglichen Überlebensfrage geworden ist. Bei der Frage bezüglich der Steuer ist nun der Bund am Zug. Aufgrund der angespannten Haushaltssituation sieht Bundesfinanzminister Christian Lindner keinen Spielraum für jährliche Steuermindereinnahmen. Wir Grüne im Landtag wissen um unsere Verantwortung für die betroffenen Betriebe im Land, die Attraktivität für Besucher aus dem In- und Ausland und die Lebensqualität der Menschen vor Ort. Gleichzeitig tragen wir aber auch Verantwortung für einen tragfähigen Haushalt, da die Entscheidung auf Bundesebene direkte Auswirkungen auf die Finanzlage von Ländern und Kommunen hat. Die entscheidende Frage für uns wird sein, ob es in den Haushaltsverhandlungen auf Bundesebene gelingt, ein Weg zu finden, um beides in Einklang zu bringen. Bis zum endgültigen Beschluss im November bleiben wir dazu im stetigen Austausch mit den zuständigen Kollegen unserer Bundestagsfraktion.“
Die Entscheidung fällt die Bundespolitik in Berlin
Die Vertreter des Spargelwahlkreises in Stuttgart sind also weitestgehend der gleichen Meinung wie Richard Damian, zumindest was die Tragweite einer Rückkehr zu den 19 Prozent angeht. Dieser hat erst vor wenigen Wochen – gemeinsam mit dem Dehoga-Vorsitzenden und Stadthallenleiter Rainer Weiglein – fast 70 junge Menschen nach erfolgreicher Ausbildung ins Berufsleben entlassen. Um diesen eine sichere Zukunft zu bieten, wird sich die Dehoga laut Damian mit aller Kraft bei der Bundespolitik für die Beibehaltung der sieben Prozent einsetzen. Entschieden wird am Ende in Berlin.
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