Hockenheim. Der „Stadtpark“ gehörte zu Hockenheim wie das sprichwörtliche Amen zur Kirche. Dabei ist interessanterweise die Kirche in direkter Nachbarschaft zum „Stadtpark“. Bemerkenswert ist dabei, dass zunächst das Gasthaus erbaut wurde und erst dann das Gotteshaus. Dabei geht man doch eher von dem Gedanken aus, dass zunächst mal die Kirche gewissermaßen einen Mittelpunkt setzt. Gut, in diesem Hockenheimer Fall war es anders, da wurde zuerst „mit den Gläsern zusammengeläutet“ und dann kamen Kirche, Turm und Glocken.
Man schrieb das Jahr 1898, als an Pfingsten Barbara und Jakob Simon ihr neu erbautes „Gasthaus zum Stadtpark“ gegenüber dem damaligen Friedhof in Betrieb nehmen konnten. Die klerikale Nachbarschaft folgte, anno domini 1905 wurde der Grundstein für die evangelische Kirche gelegt. Weitere Nachbarn waren dann bald die Pestalozzi-Schule sowie die große Zigarrenfabrik der GEG.
Die zweite Heimat
Fast genau neun Jahrzehnte lang war der legendäre „Stadtpark“ in der familiären Regie der Familie Simon. Der „Stadtpark“ lag nicht nur im Herzen der Stadt, er war auch so etwas wie ein „gastronomisches Herz“ der aufstrebenden Gemeinde, die zur Stadt geworden war.
Wenn man sich mit älteren Hockenheimerinnen und Hockenheimern über den „Stadtpark“ unterhält, hat fast jeder seine individuellen und oft sehr persönlichen Erinnerungen. Und was bezeichnen sie als das „Besondere“ am „Stadtpark“. Man sieht eher fragende Blicke: „Des war halt unsern Stadtpark oder net“ ist fast immer der Tenor der Antworten.
„Stadtpark“, das war die klassisch-gemütliche Wirtschaft, das war das Nebenzimmer, in dem zahlreiche Vereine unzählige Male tagten und disputierten, die Vorstände feierten und ab und zu auch „feuerten“, wo es manchmal auch heiß herging und es nur dann ruhig wurde, wenn die Bedienung reinkam, um die Bestellungen aufzunehmen. Denn eines musste man im „Stadtpark“ nie – auf dem Trockenen sitzen.
Das galt natürlich auch für den großen Saal im oberen Stockwerk, Treffpunkt zu unzähligen Bällen und Tanzabenden, die man sich wohl heute in dieser Form kaum noch vorstellen könnte. Dass unten jedenfalls die Decke wackelte und die Lampen leicht „mitschunkelten“, daran können sich noch manche einst feierfreudige Seniorinnen und Senioren erinnern.
Nach dem Tod des Erbauers Jakob Simon übernahm dessen Sohn Hermann mit Ehefrau Elsa das Wirtshaus. Seit 1959 waren dann Ruth und Hans Simon fast drei Jahrzehnte lang Garanten für die buchstäbliche Kurpfälzer Gastfreundschaft und exzellente Küche des „Stadtparks“. Musikvereine, Fanfarenzug, Gesangvereine und viele weitere Vereinigungen und Gruppierungen waren stolz darauf, den „Stadtpark“ als ihr Vereinslokal zu bezeichnen, das dann natürlich für die Mitglieder auch das „Stammlokal“ war. Wenn die Probe des Gesangvereins beispielsweise zu Ende war, standen schon die gefüllten „Stein“ Bier und die belegten Brote bereit. Die freundlich-resoluten Bedienungen, die zumeist Jahrzehnte hier tätig waren, kannten all ihre Gäste und deren Wünsche. Ob eine dieser Bedienungsdamen den Wunsch eines Gastes nach einem „Achtele“ wirklich mit der Antwort: „Bleib´hocke, bis ä Viertele trinke kannsch“ beantwortet hat, ist zwar nicht verbrieft, könnte man sich aber gut vorstellen.
Schließlich gehörte zum „Stadtpark“ auch der Stammtisch, an dem man über Gott und die Welt und andere Bekannte diskutieren konnte, aber auch, wenn es hitzig wurde, verlor man nie die gute Laune, wie alte „Stammtischler“ sich gerne erinnern. Man wusste halt, solch eine Gastwirtschaft hat zwei Vorteile: Man ist nicht zuhause und trotzdem nicht an der frischen Luft.
Regelmäßig „Bunte Abende“
Grund zu feiern hat man ja in der Kurpfalz immer und die Liebe zu Gesang, Musik und Tanz hatten zur Folge, dass im großen Saal viele Unterhaltungs- und Tanzabende stattfanden, die früher beliebten „Bunten Abende“ mit anschließendem Tanz gehörten zum festen Bestandteil des großen Saales im Obergeschoss.
Hans Simon, ebenso wie Ehefrau Ruth, stets fair und freundlich, kompetent und fleißig, war fast ein Vierteljahrhundert der Inbegriff des gemütlich-agilen Stadtpark-Wirtes. Er verstarb im Jahr 1983, seine Ehefrau Ruth führte das Haus noch drei Jahre zusammen mit dem Sohn weiter, bevor es 1987 verpachtet wurde. In den letzten knapp zwei Jahrzehnten war eine Hausbrauerei in dem Gebäude entstanden.
Die gastronomische Ära des „Stadtparks“ ist zu Ende gegangen. In der Erinnerung werden sie auf jeden Fall bleiben, schließlich geht es um weit über ein Jahrhundert Gastronomie und Gastfreundschaft, eng verwoben mit der Historie Hockenheims und vieler seiner Vereine. Insofern wird der „Stadtpark“ in vielen Erinnerungen und Gesprächen und Anekdoten und persönlichen Erlebnissen lebendig bleiben.
Man könnte fast meinen, auch der Österreicher Johann Nestroy hätte den „Stadtpark“ gekannt, als er einmal schrieb: „Ich liebe die öffentlichen Orte nicht; ich geh´daher auch immer nur in die Wirtshäuser, wo ich zu Haus´ bin.“
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