Hockenheim. Der Mensch will hoch hinaus und einer davon ist ganz oben angekommen: Stefan Waghubinger, Kabarettist und Kinderbuchautor mit österreichischem Migrationshintergrund. Auf dem Dachboden seiner Eltern sitzend, eine gescheiterte Ehe hinter und die wenigen Habseligkeiten um sich herum gibt er Einblicke in sein Seelenleben und vieles mehr. Dies präsentierte der Kabarettist in seinem aktuellen Programm „Jetzt hätten die guten Tage kommen können“ im Hockenheimer Pumpwerk.
„Ich habe eigentlich nur restliche Sachen“, zieht der Mann zwei Stunden lang Bilanz in einer auf den ersten Blick belanglosen Plauderei über dies und das, die aber eine tiefgründige, an vielen Stellen hochphilosophische Auseinandersetzung mit dem Leben, seinem Vergehen und seinem Sinn an sich ist. Bei so einem ist die größte Hoffnung, dass er sich so positiv selbst motiviert, sich zu entwickeln, dass auf seinem Grabstein einst steht „Jetzt hätten die guten Tage kommen können“.
Der heute in Ludwigsburg lebende Waghubinger hat am vergangenen Samstagabend im Hockenheimer Kulturzentrum „Pumpwerk“ bewiesen, dass er einer der wenigen Vertreter seines Genres ist, die sich nicht nur den Comedy-Versuchungen entziehen, sondern darüber hinaus auch noch der Ernsthaftigkeit und der Nachdenklichkeit auf der Bühne freien Lauf lassen und so Kabarett-Abende vom feinsten kredenzen.
Stefan Waghubinger im Pumpwerk in Hockenheim: Perfekte Balance
Der bedächtig sprechende studierte Theologe, der neben seinen Bühnenprogrammen seit mehr als 20 Jahren auch Cartoons veröffentlicht, findet dabei auf eine beeindruckende Weise die perfekte Balance zwischen den ins Mark treffenden, nicht selten zwar weit hergeleiteten, immer aber auf eine unbarmherzige Weise nachvollziehbaren Tiefschlägen des Lebens und den zwischen den Einschlägen sauber platzierten befreienden Lachern, die verhindern, dass man mach einem Waghubinger-Abend völlig depressiv wird.
„Wenn man sich an die schönen Dinge erinnert, die vorbei sind, ist es traurig. Zum Glück haben wir nicht allzu viel schöne Dinge erlebt“ – exemplarisch für die immer an die existenziellen Themen des Daseins adressierten ausgesprochenen Gedanken des Künstlers, der seinem Publikum als greifbare Projektionsfläche dient, um den eigenen Abgründen in den tiefen Schlund zu blicken.
„Ich weiß meistens vorher schon, was passiert – und dann kommts doch anders.“ Beim ersten Hören ein Witz, beim Nachdenken aber das Dilemma der Menschheit, die so von sich überzeugt ist, dass sie kaum registriert, wie sehr sie sich in ihrer Überheblichkeit als systematisches Nichts entlarvt.
Stefan Waghubinger im Pumpwerk in Hockenheim: Geniale Gedankenbögen
In genialen Gedankenbögen offeriert der Mann, der in seiner Dachbodenkulisse kramt, eindrucksvolle Erkenntnisse und erschreckende Einsichten. Er schaut keine Nachrichten mehr – „da denkst du vielleicht, das war ein schöner Tag und es stimmt nicht“. Er hebt den kaputten Toaster auf – „als Toaster funktioniert er nicht mehr, aber als Erinnerung an den Toaster“.
Er gibt den Froschkönig auf sozialistisch, erlebt beim Zahnarzt eine Nahtoderfahrung und bringt „Schrödingers Katze“ auf den Punkt – „solange man nicht nachschaut, ist alles möglich“. Er zieht in seiner Einsamkeit die Therapie dem Swingerclub vor – „wenn ich so einzeln bin, geh ich lieber zur Gruppentherapie, da muss ich die Probleme der anderen wenigstens nur hören“.
Was Waghubingers Größe ausmacht, ist die leichte Art, mit der er dem Publikum seine tiefsinnigen Gedanken präsentiert. Man merkt die schwere Kost oft erst, wenn sie einem beim herzhaften Lachen im Halse steckenbleibt. Wenn er am Satz „Raucher sterben früher“, sowohl den Realitätsverleugner („wenn er weiterraucht“), als auch den Realitätsverweigerer demonstriert: „Wenn er trotzdem 100 Jahre alt wird.“
Stefan Waghubinger im Pumpwerk in Hockenheim: Scrabble mit dem Papst
Wenn er gängige Ansprüche und die damit einhergehenden Widersprüche pointiert: „Alle Menschen sind gleich, sagen wir andauernd. Aber wehe, wenn du Deiner Frau sagst, du bist wie alle.“ Oder als er den Streit der weltlichen Religionen in die neue Kneipe des Papstes verlegt und Benedikt, Margot Käßmann und den Dalai Lama in der „Unfehl-Bar“ gemeinsam Scrabble spielen lässt: „Wer’s glaubt wird selig.“ Nicht erstaunlich für einen, der die Wahrheit zumindest im Traum vor Augen hat und sich dann nur fragt, „wo hab ich die Wahrheit schonmal nackt gesehen?“
Stefan Waghubinger ist ein lebens-exegetisch und hochbrillanter Philosoph, gefangen im schlichten Körper eines Jedermann, der die Selbstreflexion zur Meisterschaft geführt hat: „Es ist enorm, was das mit einem macht, wie andere einen sehen. Bis du in den Spiegel schaust. Du gehst als Captain Kirk ins Bad und kommst als Biene Maja wieder raus“, so der aus Österreich stammende Kabarettist.
Am Ende angelangt, mündet die Weisheit eines ganzen Lebenszyklus über die Zwischenstation der Erkenntnis („Die Sterne verstellen ja nur den Blick auf die Unendlichkeit“) letztendlich in Tante Emmas berühmten Laden: „Wir bekommen den Joghurt, den wir halt bekommen. Wenn wir schlau sind, löffeln wir ihn eben aus, solange er noch haltbar ist.“
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