Ehrung

Mundart-Auszeichnung: Hockenheimer Thomas Liebscher erhält Heimatmedaille

Der Hockenheimer Autor erhält die Heimatmedaille Baden-Württemberg in Biberach an der Riß für seine Dialektarbeit. Seit 1988 schreibt er in seinem Dialekt Gedichte mit Biss, seit 2007 leitet er Wettbewerbe.

Von 
Matthias Mühleisen
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Gratulanten zur Heimatmedaille für Thomas Liebscher (2. v. r.): Biberachs parteiloser Oberbürgermeister Norbert Zeidler (v. l.), Kultusministerin Petra Olschowski und Kulturwissenschaftler Karlheinz Geppert. © Florian Achberger

Hockenheim. Als Badener für seine Verdienste um die Mundart im Schwabenland ausgezeichnet zu werden, muss eine besondere Genugtuung bereiten. Thomas Liebscher ist in diesen Genuss gekommen – obwohl ihm Verbissenheit im Innenverhältnis der beiden Teile des Bundeslands fernliegen. In Biberach an der Riß ist der Hockenheimer mit der Heimatmedaille Baden-Württemberg 2023 ausgezeichnet worden. Der Gewinner des Nordbadischen Mundartpreises für Lyrik 1994, 1997, 2001 und 2002 hat seit 2007 beim Arbeitskreis Heimatpflege Regierungsbezirk Karlsruhe als Juryvorsitzender dem Mundartwettbewerb „De gnitze Griffel“ zu größerem Renommee verholfen.

Das bescheinigte ihm Petra Olschowski, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, bei der Preisverleihung in der Biberacher Gigelberghalle. Mit dem Dichten begonnen hat er 1988, als er gerade mit seiner Frau nach Hockenheim mit Blick auf den Wasserturm gezogen war, die Stadt habe ihn inspiriert, blickt der 62-Jährige zurück.

Thomas Liebscher aus Hockenheim ist von Haus aus kein Kurpfälzer

Die Dialekte in Baden-Württemberg sprechen ihn schon lange an. Im Lauf der Jahre hat er sich in ihre Feinheiten eingearbeitet und in seiner Wohnung einen wahren Nachschlageschatz angesammelt. Als Bruchsaler spricht er von Haus aus kein Kurpfälzisch, doch dieser Dialekt ist ihm ebenso vertraut wie das Alemannische, das seine aus dem Schwarzwald stammende Mutter sprach.

In Hockenheim ist Liebscher immer wieder zu hören, zuletzt im Juli in „Nic’s Galerie“, früher mit den Begabten Hausfrauen Marina Nottbohm und Sabine Weyers, lange Zeit dialektfrei mit Rosa Grünstein, mit der auf manchen Bucht(r)ipp ging.

Seine langjährige Beschäftigung mit Dialekten und sein Gespür für deren Besonderheiten und Unterschiede betrachtet Liebscher als Voraussetzung für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Juryvorsitzender, da im Wettbewerb auch schwäbische oder alemannische Beiträge eingereicht werden, auch wenn in der Jury auch aus diesen Regionen Experten sitzen. Sie führte letztlich auch dazu, dass er selbst über den Dialekt von Karlsruhe und Orten des Landkreises Karlsruhe schrieb. Dieser wird wissenschaftlich als „Südfränkisch“ bezeichnet, aber im Sprachgebrauch Nordbadisch genannt. Mittlerweile streut er bei seinen Lesungen regelmäßig derlei Interessantes über die Mundart der Regionen ein.

Liebscher aus Hockenheim gründet Verein "Unsere Sprachheimat"

Kein Wunder, dass Thomas Liebscher auch angefragt wurde, als das Land 2017 eine Kampagne startete, um der Mundart mehr Wertschätzung zu erschließen. Neben Wissenschaftlern und Künstlern seien auch „normale“ für Mundart engagierte Menschen wie er eingeladen gewesen. Corona habe die Bewegung leider ausgebremst.

Doch mit der Gründung des Vereins „Unsere Sprachheimat – schwätze, redde, babble“ wurde das Heft in diesem Jahr wieder aufgenommen, Liebscher ist Vorstandsmitglied. Dem Zusammenschluss von über 50 Gründungsmitgliedern aus der künstlerischen Mundartszene, Wissenschaft, Heimatvereinen und Dialektfreunden geht es darum, Mundarten als Kulturgut mehr zu pflegen, zu bewahren, weiter zu erforschen und in der Öffentlichkeit lebendig zu halten.

Thomas Liebscher und die Mundart.



  • Thomas Liebscher studierte Germanistik und Politikwissenschaft. Von Beruf Journalist bei den Badischen Neuesten Nachrichten, erwarb sich der nebenberufliche Mundartautor große Verdienste um die Mundart in Baden-Württemberg.
  • Er veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände in Mundart wie „S’isch immer ebbes“ oder „Alderle!“. Gedichtveröffentlichungen finden sich in verschiedenen renommierten Regional-Magazinen genauso wie Aufsätze zu Lokalgeschichte, Regionalia und Landesgeschichte.
  • Außerordentlich ist sein Engagement beim Arbeitskreis Heimatpflege Regierungsbezirk Karlsruhe. Seit 2007 ist er Vorsitzender der Mundart-Jury. Unterm Logo „De gnitze Griffel“ und seiner Moderation steigerte er das Renommee der im zweijährigen Turnus ausgeschriebenen Mundartwettbewerbe. Er ist Mitbegründer der Mundartplattform „Badische Gutsele“. mm

Auf akademischer Ebene wird seit 1925 am „Badischen Wörterbuch“ gearbeitet durch einen Sprachwissenschaftler der Universität Freiburg, der Begriffe aus Karteikästen, Aufzeichnungen und Büchern erfasst und aufarbeitet. Dass nur ein Fachmann alleine mit dieser Aufgabe betraut ist, sei ein Skandal, findet Liebscher, der sich das teuere Werk leistet.

Dabei hätte er sich früher nie träumen lassen, dass er einmal Mundart schreiben würde. „Literatur ja, Gedichte ja, das machen ja viele Leute.“ Sein erstes Gedicht sei eine Parodie auf ein Rilke-Poem gewesen, geschrieben als Beitrag für eben jenen Wettbewerb, dessen Jury er seit nunmehr 16 Jahren vorsteht. Für einen Preis reichte es auf Anhieb nicht, doch man ermutigte den jungen Dichter, er solle doch weitermachen. Der Verlag Regionalkultur, zur selben Zeit entstanden, bestärkte ihn, weil er sein Programm ausbauen wollte. Also habe er sich „oifach noagsetzt“ und die Ideen fließen lassen. 1991 erschien der erste Band. Liebscher sagt, er mache Gedichte in Mundart, nicht nur Mundartgedichte – ein literarischer Anspruch stecke darin – „modern und mit Biss“.

Über 300 Lesungen hat der Hockenheimer Thomas Liebscher schon gehalten

Stolz sei er auf einige Übersetzungen fremdländischer Gedichte oder Liedtexte in seine Mundart. Die Übertragungen von Jazzstandards nahmen unter anderem die Begabten Hausfrauen und Hugo Fuchs in ihr Repertoire auf. So entstanden Kontakte zur Szene – und zum Mundartwettbewerb des Arbeitskreises Heimatpflege Regierungsbezirk Karlsruhe.

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Inzwischen blickt Liebscher auf mindestens 300 Lesungen zurück, zu Spitzenzeiten trat er fünf-, sechsmal im Monat auf, oft mit Kollegen, aber auch solo. Die Zahl neuer Texte sei in jüngster Zeit zurückgegangen, trotzdem schreibe er immer wieder Neues. Eine hübsche kompakte Veröffentlichung ist das Langenscheidt-Wörterbuch „Badisch für Anfänger“.

Ministerin Petra Olschowski sagte, die Träger der Heimatmedaille, stärkten ein Gemeinschaftsgefühl, das Zugehörigkeit vermittelt: „Sie schaffen Heimat, indem sie zum Beispiel Sprache, Dialekt, Musik, Tradition und Brauchtum pflegen und als aktive Kulturpraxis sichtbar machen.“ Bei der Verleihung wurden statt vieler Worte kleine Filme gezeigt. Im Juni hat ein Filmteam ihn zuhause und am Kraichbach aufgenommen. Den Ort hat Liebscher gewählt, weil das Gewässer seine alte mit seiner neuen Heimat verbindet.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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