Hockenheim. „Die Ehrenamtlichen sind eigentlich dazu da, Leben zu retten und nicht, um Kunststoffballen zu löschen. Da muss dringend etwas passieren.“ Oberbürgermeister Marcus Zeitler war es ein Anliegen, den Einsatzkräften von Freiwilliger Feuerwehr, DRK und THW öffentlich in der Gemeinderatssitzung ein „Riesenkompliment“ für ihren Kampf gegen den Großbrand bei der Firma Delvanis am 15. und 16. Juli zu machen. Zugleich machte er deutlich, dass drei Brände in weniger als vier Jahren nicht hinnehmbar seien.
„Es kann nicht sein, dass es dreimal auf einem Gelände brennt, dass wir seit Jahren Probleme mit Geruchsbelästigungen und umherfliegenden Kunststoffflusen haben, die in die Gärten gelangen“, stellte der OB fest. Zuständig sei das Regierungspräsidium Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis. Die Kommunen Hockenheim und Reilingen böten gerne ihre Zusammenarbeit an, aber es sollte nun wirklich „ein Signal nach außen gehen“, fand Zeitler.
Für alle Fraktionen des Gemeinderats sagte Frank Köcher-Hohn, der Brand im Juli habe „das Fass zum Überlaufen gebracht“. Die Beziehungen zwischen der Stadt Hockenheim und der Firma Delvanis könnten mit „so nah und doch so weit weg“ beschrieben werden. Seit Jahren gebe es „immer wieder Ärger“ mit Delvanis. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Steigra im Saalekreis in Sachsen-Anhalt.
Das Firmengelände grenze unmittelbar an die Stadt, wenn es auch auf Reilinger Gemarkung liege. Rechtlich könne Hockenheim nichts unternehmen, „dennoch haben wir den Ärger und die Arbeit mit dieser Firma – und auch die Hinterlassenschaften in unseren Vorgärten“, sagte Köcher-Hohn. Es liege an der Gemeinde Reilingen und am Regierungspräsidium, hier tätig zu werden. Ende 2018 habe die Stadt Hockenheim Klage gegen die imissionsschutzrechliche Genehmigung zur Änderung der bestehenden Abfallaufbereitungsanlage eingereicht, diese allerdings wieder zurückgezogen, da der Erfolg der Klage sehr unwahrscheinlich gewesen sei. Der Stadt seien in dieser Angelegenheit die Hände gebunden.
„Zustände sind eine Zumutung“
Die Anwohnerinitiative „Uns stinkt’s“ gehe seit Jahren gegen die Genehmigung der Firma Delvanis vor. Ihre Mitglieder litten aufgrund der räumlichen Nähe zum Firmengelände besonders unter dem massiven Lärm und der Geruchsbelästigung. „Mittlerweile sind die Zustände eine Zumutung für die Bevölkerung im südlichen und westlichen Teil von Hockenheim“, sagte der Fraktionssprecher auch im Hinblick auf die Plastikteilchen, die vom Wind in die Vorgärten geweht werden.
Viele Bürgerinnen und Bürger machten sich nach dem dritten Brand in vier Jahren in der Anlage Sorgen um ihre Sicherheit. Auch wenn Delvanis eine Selbstentzündung für unwahrscheinlich halte, blieben Fragen offen, sind sich die Fraktionen einig. Sie könnten den über viele Stunden tätigen Einsatzkräften nur ihren Respekt zollen und danken. „Für die Firma Delvanis scheint das selbstverständlich zu sein – kein Dank für die Freiwillige Feuerwehr für deren ehrenamtlichen Einsatz“, merkte Köcher-Hohn an.
Dann wurde er deutlich: „Wie viele Chancen soll die Firma Delvanis eigentlich noch bekommen? Keine! Der letzte Brand hat auch für uns das Fass zum Überlaufen gebracht.“ Am Dienstagabend sei erneut ein stinkig-fauliger Geruch in der Luft gelegen. Der Gemeinderat müsse jetzt Stellung beziehen. Das Unternehmen wolle die Überwachung des Geländes mit Kameratechnik verstärken. Die Umzäunung des Geländes zu erhöhen oder anderweitig zu verbessern, was aus Sicht der Fraktionen nötig ist, sei nicht angedacht. „Hier werden die Prioritäten falsch gesetzt, man hat den Eindruck, die Firma investiert gerade so viel, dass es für die Genehmigung reicht“, kommentierte der Liberale diese Haltung.
„Wir möchten betonen, dass wir nichts gegen Recyclingfirmen haben, leisten diese doch im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens einen wichtigen Beitrag. Der Gemeinderat fordere allerdings von Delvanis, den Schutz der Anwohner und der Umwelt zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, stehe das Regierungspräsidium Karlsruhe als Genehmigungsbehörde in der Verantwortung. Eine Schließung der Anlage dürfe dabei nicht ausgeschlossen werden. Der Gemeinderat würde es auch begrüßen, wenn die Gemeinde Reilingen als Gemarkungsgemeinde ihren Einfluss geltend mache und ihre Interessen sowie die der Umwelt und der Anlieger wahrnehme. Marcus Zeitler signalisierte, dass das auch die Ansicht seines Reilinger Kollegen Stefan Weisbrod und dessen Gemeinderat sei.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim_artikel,-hockenheim-nach-grossbrand-scharfe-kritik-an-delvanis-_arid,1978876.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/reilingen.html
Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Feuer kühlt Beziehung ab