Hockenheim. Gegen den früheren Pfarrer der katholischen Seelsorgeeinheit Hockenheim und Dekan des Dekanats Wiesloch Jürgen Grabetz (kleines Bild) ist vom Amtsgericht Schwetzingen per Strafbefehl eine Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Untreue verhängt worden, deren Vollstreckung auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Geistliche hatte der Kirchengemeinde einen Schaden von 216 000 Euro zugefügt, heißt es im Strafbefehl, den das Amtsgericht auf Anfrage der Redaktion und mit Einverständnis von Jürgen Grabetz unserer Zeitung zur Verfügung gestellt hat.
Damit ist das Verfahren gegen Grabetz ohne Hauptverhandlung beendet. Er hat den Strafbefehl akzeptiert und äußerte sich erleichtert, dass ihm eine öffentlicher Prozess erspart blieb. Im Interview zu seinem Abschied aus Hockenheim nach 27 Jahren hatte der Pfarrer im September 2021 gesagt: „Ich sehne den Tag herbei, an dem ich sagen kann: Jetzt ist alles erledigt und ich kann beginnen, nach vorne zu schauen.“ Diesem Tag ist Jürgen Grabetz nun näher gekommen, auch wenn er an den Konsequenzen seines Fehlverhaltens noch lange zu tragen hat.
Urteil gegen Jürgen Grabetz: Privatvermögen aufgebraucht
Er hat mit der Kirchengemeinde einen Tilgungsplan über zehn Jahre erstellt, zahlt seit März seine Schuld in Raten ab. Ein Großteil seiner Lebensversicherung sei in die Wiedergutmachung eingeflossen. Von seinen Einkünften als Kooperator in Hausach-Hornberg bleibe ihm umgerechnet nicht mehr als das, was jetzt als Bürgergeld bezeichnet wird. Sein privates Vermögen habe er komplett aufgebraucht, bevor er auf die Konten der Kirchengemeinde zugriff, die er seit 1994 betreut hatte.
Nachdem er sich vor Ende der juristischen Aufarbeitung seines Falls nicht hatte äußern wollen, sprach Jürgen Grabetz nun über das, was die Menschen in Hockenheim seit März 2021 rätseln lässt: Was hat einen erfahrenen Theologen, der sich gerade in finanziellen Fragen im Zusammenhang mit kirchlichen Bauvorhaben als grundsolide erwiesen hatte, zum Abzweigen von Mitteln der Seelsorgeeinheit gebracht?
„Ich kann es mir selber nicht erklären“, sagt Jürgen Grabetz. Dass er das Geld nicht für sich selbst verwendete, hatte das Dekanat schon im März 2021 mitgeteilt. Sein Bestreben sei es gewesen, „bedürftigen Menschen in einer Notlage zu helfen“. Konkret sei es um einen jungen Mann gegangen, den er seit zehn Jahren versucht hatte, „auf den richtigen Weg zu bringen“. Mit 18 Jahren sei dieser auf dem Stand eines 14-Jährigen gewesen. Immer wieder habe er Grabetz nach Geld gefragt, der mehr und mehr sein Erspartes dafür aufzehrte.
Als der junge Mann eine Beziehung zu einer Frau mit zwei Kindern eingegangen sei, habe Grabetz gedacht, der richtige Weg sei jetzt eingeschlagen. Dann habe er ihm im Oktober 2020 gesagt, die Frau sei plötzlich gestorben und er wisse nicht, wie er sich um die beiden Kinder kümmern könne, fragte erneut nach Geld und versprach, es Grabetz zurückzuzahlen. Im September 2021 habe der Geistliche erfahren, dass die Frau lebt, er getäuscht worden war.
Urteil gegen Jürgen Grabetz: „Permanent emotional erpresst“
„Er hat mich permanent emotional erpresst“, sagt Jürgen Grabetz rückblickend. Der junge Mann habe eine „ziemlich üble Kindheit“ gehabt, und der Pfarrer habe „helfen wollen auf Teufel komm raus“. Möglicherweise habe eine Rolle gespielt, dass er ebenso wie sein Schützling früh die Mutter verlor. Andererseits sei die emotionale Abhängigkeit für ihn dennoch unerklärlich. „Er begreift nicht, was er mir angetan hat“, sagt Grabetz über den Menschen, der ihn so ausgenutzt hat, er habe zwei Seiten.
Urteil gegen Jürgen Grabetz: 61 Barabhebungen
Der Druck hat dazu geführt, dass Jürgen Grabetz nach Darstellung des Gerichts 61 Barabhebungen von kirchlichen Konten und Sparbüchern vornahm. Der Strafbefehl nennt Beträge zwischen 500 und 11 500 Euro, die zwischen dem 6. Februar 2020 und dem 26. Februar 2021 abgingen. Zwischen den Abhebungen sind teilweise wochenlange Pausen, etwa im April und August 2020, andererseits sind im November und Dezember allein 23 Kontenzugriffe registriert.
„Letztlich war es eine Abwärtsspirale, in der ich viel zu spät die Notbremse gezogen habe“ schildert Jürgen Grabetz die Vorgänge. Irgendwann habe er nicht mehr in den Spiegel schauen können, er offenbarte sich, die Selbstanzeige datiert vom 18. März 2021, am 23. März teilte das Dekanat seine Beurlaubung als Dekan mit, als Seelsorger durfte er weiterhin seinen Dienst tun.
Laut Strafbefehl kommt die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr durch Einzelstrafen zusammen, die mit der Schadenshöhe verbunden sind. So stand auf die Abhebung von 11 500 Euro am 4. Januar 2021 eine Einzelstrafe von sechs Monaten, für Schadenssummen bis 1500 Euro ein Monat. Die Kosten des Verfahrens hat Jürgen Grabetz ebenfalls zu tragen und 300 Sozialstunden zu leisten.
Der Stiftungsrat habe bei der Bewertung seines Handelns anerkannt, dass Grabetz der Kirchengemeinde durch Eigenleistungen hohe Summen ersparte, er selbst spricht von 400 000 Euro. Das Dekanat sehe neben dem Fehlverhalten „vor allem die vielen Jahre positiven Wirkens von Pfarrer Grabetz in der Seelsorgeeinheit Hockenheim und im Dekanat Wiesloch“, hieß es im März 2021 in einem Schreiben an die Mitglieder des Dekanatsrats und die Angestellten in den Seelsorgeeinheiten.
Das lange Verfahren habe sein Ankommen in der neuen Gemeinde Hausach-Hornberg gebremst, blickt Jürgen Grabetz zurück, doch er habe sich gut eingearbeitet und fühle sich von den Leuten akzeptiert. Die Gottesdienste seien etwas besser besucht als zu Beginn seiner Amtszeit. Er habe im Schwarzwald das Wandern für sich entdeckt. Mit dem gegen ihn laufenden Verfahren sei er stets offen umgegangen.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim_artikel,-hockenheim-nach-untreue-verfahren-in-hockenheim-urteil-gegen-juergen-grabetz-gefallen-_arid,2028392.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html
Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Hockenheim Es bleibt schwer nachvollziehbar