Hockenheim. Dem Raubbau an der Natur, zumindest vor Ort, einen Riegel vorzuschieben, ist das Ziel einer Initiative, hinter der sich Mitglieder des Naturschutzbundes (Nabu), des Bundes für Naturschutz und Umwelt Deutschland (BUND), der Bürgerinitiative Biblis und der Landwirtschaft zusammengefunden haben. Konkret geht es der Gruppe darum, jeglichen Landschaftsverbrauch durch die Stadt Hockenheim zu unterbinden. „Es kann so nicht weitergehen, wir entziehen der Landwirtschaft die Lebensgrundlage“, stellt dazu der Biologe Uwe Heidenreich im Gespräch mit unserer Zeitung fest. Sich auf der einen Seite für landwirtschaftliche Produkte aus der Region starkzumachen, auf der anderen die Siedlungsfläche auszudehnen, passe nicht zusammen, stellt er fest und sieht die Gesellschaft an dem Ast sägen, auf dem sie sitzt.
Christian Kramberg von BI Biblis kann diese Worte nur unterstreichen, stört sich obendrein daran, dass das Gebiet Biblis immer wieder ins Gespräch gebracht, als potenzielles Baugebiet dargestellt werde. Was in seinen Augen unter keinem Aspekt Sinn macht. Er verweist auf eine Studie, in der es um die Wirtschaftlichkeit von Neubaugebieten geht – „sie rechnen sich nicht“. In seinen Augen kann es nicht sein, dass in der Stadt immer noch der Glaube herrsche, Bauen würde einen Ertrag versprechen.
Kramberg stört sich an einem im Rat diskutierten Papier, in dem die Bevölkerung Hockenheims, Stand 2020, auf das Jahr 2035 hochgerechnet wurde, mit dem Ergebnis, dass rund 500 Wohnungen in einem Neubaugebiet erforderlich seien, den Bedarf zu decken. Nicht nur die angewandte Methodik stört ihn, sondern auch, dass schlichtweg unterschlagen werde, dass die Bevölkerung in Hockenheim schrumpfe, nicht anwachse.
Naturschützer gegen Bebauung im Hockenheimer Biblis: Erschließung Innen vor Außen
Und sollte ein Wohnungsbedarf vorhanden sein, gelte es andere Instrumentarien zu nutzen, von der Nutzung von Baulücken über die verdichtete Innenbebauung bis hin zu neuen Wohnmodellen. Sein Heil nur in Neubaugebieten zu suchen, ist in Krambergs Augen ein Unding. Der Naturschutz werde in der Stadt noch nicht gelebt, schlussfolgert er.
Dessen ungeachtet würden in der Stadt weiter Überlegungen zur Bebauung des Biblis angestellt, obwohl erst bis Mitte des kommenden Jahres ein Gutachten, welche geschützten Arten es im Gewann Biblis gibt, vorliegen soll. Schon jetzt, merkt Heidenreich an, habe das Regierungspräsidium seine strikte Ablehnung zu solchen Plänen signalisiert. Egal, wie der Gemeinderat das Vorhaben im kommenden Jahr diskutiert – „wir sind Teil des Verfahrens“, stellt Dieter Rösch, der Ortsvorsitzende des BUND fest, und verweist auf die Notwendigkeit, seinen Verband anzuhören. Auch die BI müsse gehört werden, fügt Kramberg hinzu und merkt an, dass bei der Offenlage entsprechender Pläne sich auch die Bürger einbringen können.
Obendrein, so der BI-Sprecher, sei das Land im Gewann Biblis im Eigentum des Landes, hier stehe er im Kontakt mit den Staatssekretären Baumann (Umwelt) und Splett (Finanzen). Immerhin stehe im Koalitionsvertrag der Landesregierung das hehre Ziel den Flächenverbrauch im Land bis 2030 auf Null zu reduzieren. Noch gehe immer mehr Fläche verloren, sieht Kramberg die Landwirtschaft als Leidtragende.
Dem kann Steffen Großhans nur zustimmen, der von einer gigantischen Fläche spricht, die den Landwirten in den vergangenen Jahrzehnten entzogen wurden. Trotz der Krisen, vom Klima bis zur Energie, sieht Großhans kein Umdenken. Die Menschen müssten sich wieder besinnen, woher die Nahrung, woher ihr Brot kommt.
Für Großhans ist es unabdingbar, künftig die Belange der Landwirtschaft und des Naturschutzes unter einen Hut zu bekommen. Was für ihn auch bedeutet, dass die intensive Landwirtschaft zurückgefahren werden muss, was im Umkehrschluss mehr Fläche für die Bestellung von Äckern erfordert.
Naturschützer gegen Bebauung im Hockenheimer Biblis: Keine weitere Versiegelung
Was die Zustimmung der Naturschützer findet. Denn schon vor dem Hintergrund der Klimakrise, dürfe es keine weitere Versiegelung von Flächen mehr geben, der Hitzekollaps in den Städten wäre die Folge. Und Flächen, auf denen angebaut werde, seien nicht nur gesund fürs Klima, sondern eine Notwendigkeit für die regionale Erzeugung von Lebensmitteln, für eine Landwirtschaft der kurzen Wege, so die Runde. Ist der Boden erst einmal bebaut, sei er für die Landwirtschaft verloren, würde den Bauern, die ihre Familien ernähren müssten, der Boden unter den Füßen entzogen. „Geld backt kein Brot“, so der allgemeine Tenor.
Es gehe nicht um Ideologie, fasst Kramberg zusammen, es geht um die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie, wobei der Wirtschaft nicht das Primat zukommen dürfe. Man müsse auch an kommende Generationen denken und nicht in wenigen Jahren zerstören, was an landwirtschaftlicher Kultur im Raum in Tausenden von Jahren entstand.
Die Folgen seien dramatisch, merkt Großhans und verweist auf die guten Böden in der Region, die den Anbau von Obst und Gemüse erlaubten. Der decke hierzulande gerade mal 30 Prozent des Bedarfs, der Rest werde importiert, ohne Standards und Umweltauflagen in den Herkunftsländern. Und das Pendel schlägt zurück, stimmt im Tobias Schmitt zu. In der Corona-Zeit sei sein Hofladen in der Heidelberger Straße überrannt worden, nun, da in den Supermärkten die Regal wieder voll seien, gehe der Run zurück. „Die Menschen lernen erst, wenn es zu spät ist“, bedauert Großhans und fordert zum Gegenlenken auf.
Kramberg mahnt, die Natur nicht weiter zu schrotten, die Infrastrukturkosten für Neubaugebiete stünden nicht im Verhältnis zum potenziellen Ertrag, müssten über Steuereinnahmen finanziert werden. Eine weitere Bebauung sei aus fachlichen und moralischen Aspekten nicht nachvollziehbar, betont Heidenreich und Markus Könn, BI, verweist auf den Sündenfall Altenheim im Biblis – der Boden sei weg.
Weshalb es Kramberg ein Anliegen ist, nun rechtzeitig auf die Konsequenzen einer weiteren Bebauung zu verweisen. „Was passiert, wenn die Fläche weg ist“, will er wissen. Großhans warnt vor einem „kurzfristigen Invest zulasten späterer Generationen“.
Naturschützer gegen Bebauung im Hockenheimer Biblis: Gegen einen kurzfristigen Invest
Statt neuer Bebauungspläne fordert die Gruppe eine Nachhaltigkeitssatzung für die Stadt Hockenheim und eine stärkere Einbeziehung der Bürger. Es gelte, ökologische Zukunftsideen für die Stadt zu entwickeln, die Einwohner mitzunehmen.
Was nicht mehr stattfinden dürfe, sei die Ausweisung neuer Flächen, sei es im Gewann Mörsch, sei es im Gewann Biblis. Das Ziel, den Flächenverbrauch auf Null zu senken, müsse auch in der Stadt gelten. Davon werde nicht nur die Landwirtschaft profitieren, sondern vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung mit ihren Folgen die Gesellschaft insgesamt.
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