Hockenheim. In den weichen, breiten, braunen Ledersitzen fühle ich mich wie in einem bequemen Stubensessel. Die Beine haben im Fußraum des Beifahrerplatzes viel Platz. Die Fensterkurbeln und Türhebel sind, wie so viele Details, verchromt. Die Holzarmatur und das schmale Holzlenkrad wirken edel. Letzteres umfasst Francesco Lilli ganz fest, als er mit 100 Sachen in die Südkurve des Hockenheimrings zieht. Ein irres Gefühl!
Wir sitzen in einem Alfa Romeo Giulia Super 1.3, Baujahr 1973. Nach zwei Runden glühen nicht mal die Gummis. Francesco Lilli überrascht das nicht. Sein 51 Jahre alter Wagen ist in einem guten Zustand, hat nicht mal 3000 Kilometer auf dem Tacho.
Italienische Oldtimer: Alfa Romeo Giulia im Rampenlicht
„Er war nicht unbedingt meine erste Wahl“, erzählt der Römer auf Italienisch über die Anschaffung des Oldtimers. „Aber meine Eltern hatten so ein Auto und haben mich damit zur Schule gefahren. Und in einem solchen habe ich selbst fahren gelernt.“ Es sind die Erinnerungen, die für Francesco Lilli diese graue Giulia zu etwas Besonderem machen.
Alberto Pinna auf dem Rücksitz übersetzt für mich. Der gebürtige Sarde hat in Eppelheim eine Firma und ist begeistert von Oldtimern. Als Rennfahrer fährt er bei der Serie „Kampf der Zwerge“ mit, in der nur kleine Fahrzeuge wie Minis mitmischen. Am Hockenheimring fungiert er an diesem Tag als Dolmetscher. Denn eine Truppe Italiener unter anderem aus der Gegend von Rom und Mailand ist der Einladung von Jochen Vetter gefolgt.
Der Hockenheimer Gemeinderat, der ein Faible für Oldtimer, insbesondere Alfa Romeo hat und Mitglied im Motorsportclub Schwetzingen ist, entdeckte auf Facebook die Aktion „EuRaid 24“ des italienischen Automobilvereins „CinemAlfa“ – der Name setzt sich aus Cinema (Englisch für Kino) und Alfa Romeo zusammen. Der Club besteht seit 2011 und zählt knapp 450 Mitglieder in ganz Italien, erzählt Vanessa Bottasso. Das Hauptengagement besteht darin, die Alfa-Autos als Filmlieblinge weiterleben zu lassen. Sie erinnern dabei nicht nur an vergangene Auftritte, sondern sorgen dafür, dass die Fahrzeuge weiter in Blockbustern, Serien, Werbespots und Musikvideos zu sehen sind.
CinemAlfa: Alfa Romeos als Filmstars und Benefiz-Engagement
Die Giulia von Francesco Lilli etwa tauchte 2017 in der italienischen Krimiserie „Il Commissario Maltese“ auf. Andrea Aronas Alfetta, das älteste Fahrzeug in der Runde, kam in „Engel des Bösen – Die Geschichte eines Staatsfeindes“, der Lebensgeschichte des italienischen Schwerverbrechers Renato Vallanzasca von Regisseur Michele Placido, 2010 groß raus, die Premiere war bei den Filmfestspielen in Venedig. Stolz zeigt er die DVD, die er stets dabei hat.
Das ist nicht das einzige Engagement des Vereins. „CinemAlfa“ startet jährlich eine Benefiztour, um verschiedene soziale Zwecke in Italien zu unterstützen. Dieses Mal begaben sich Mitglieder des Clubs fünf Tage lang auf eine 1849 Kilometer lange Rundreise durch Liechtenstein, Österreich, Deutschland, Luxemburg, Belgien, Frankreich und die Schweiz mit Start (Como) und Ziel (Legnano) in Italien.
Oldtimer-Event: Besuch am Hockenheimring und kultureller Austausch
Die Intention ihrer Tour: Sie wollten Stätten der europäischen Automobilgeschichte besuchen. Dazu gehörte ein Stopp im Automuseum Dr. Carl Benz in Ladenburg. „Da dachte ich mir: Die können doch nicht einfach so in unserer Region sein, ohne den Hockenheimring gesehen zu haben“, schrieb Jochen Vetter die Italiener an. Die zeigten sich hellauf begeistert von der Einladung und überglücklich, die bekannte Rennstrecke einmal sehen und sogar befahren zu können. Jochen Vetter fädelte das über Ring-Geschäftsführer Jorn Teske ein.
Und nicht nur das: Es gab auf Einladung von Motodrom-Hotel-Chef Richard Damian einen kleinen Empfang mit Sekt, spendiert von Jorn Teske, bei dem Jochen Vetter einen Bembel der Rennstadt samt Grüße von Oberbürgermeister Marcus Zeitler überbrachte und im Gegenzug von Ivan Scelsa einen schönen Wimpel erhielt. Auch die Gedenkstätte von Jim Clark besuchte die Gruppe, bevor es zum Spargelessen ging.
Ein Hauch von Rennsport-Geschichte für Alfa-Liebhaber
Doch das Größte für die italienischen Autofreunde war die Fahrt auf der Rennstrecke. Die Augen der gestandenen Männer leuchteten wie die kleiner Jungs, als Jochen Vetter das Startkommando gab, voraus fuhr und alle brav in einer Reihe flott hinterher sausten. Damit nichts passierte, blieben die Wagen der Baujahre zwischen 1970 und Anfang der 2000er bei um die 100/120 Stundenkilometern. Nach zwei Runden – zum Glück während eines Sonnenfensters ohne Regen – war schon Schluss. Schade eigentlich. Nicht nur ich wäre gern noch weiter in den weichen Ledersitzen der Giulia durch die Kurven des Hockenheimrings geheizt.
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