Interview

Paul Millns bringt viele Klassiker ins Pumpwerk Hockenheim

Der britische Bluespianist und Songwriter denkt auch nach seinem 80. Geburtstag nicht über einen Rückzug von der Bühne nach. Am Mittwoch, 15. Oktober, ist er wieder live zu erleben.

Von 
Matthias Mühleisen
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Er ist seit Jahrzehnten Stammgast im Hockenheimer Pumpwerk: Paul Milns (l.), hier bei seinem Konzert im Februar 2023 mit Ingo Rau (M.) und Butch Coulter. © Norbert Lenhardt

Hockenheim. Dass Paul Millns einen Song über das Renteneintrittsalter in England schreiben wird, ist unwahrscheinlich. Zum einen hält er nicht allzu viel von der Politik seines Heimatlandes, zum anderen stellt sich für ihn die Frage nicht. Der Bluesmusiker und Songwriter hat im August sein 80. Lebensjahr vollendet und denkt gar nicht daran, die Finger vom Piano zu lassen. Wenn er am Mittwoch, 15. Oktober, um 20 Uhr einmal mehr im Hockenheimer Pumpwerk spielt, hat er wieder neue Songs dabei und bringt viele seiner beliebten Stücke mit, von denen er einige jüngst neu eingespielt hat auf einem besonderen Steinway-Flügel. Eine Retrospektive über die vergangenen über 50 Jahre auf der Bühne wird es trotz des runden Geburtstags nicht geben, sagt er im Interview.

Alles Gute zum Geburtstag im Nachhinein – Sie haben ihn wie den 70. mit einem Konzert auf Schloss Goseck in Sachsen-Anhalt begangen. Stimmt mein Eindruck, dass Sie häufiger im Osten Deutschlands auftreten als anderen Teilen des Landes?

Paul Millns: Das könnte schon sein und geht möglicherweise zurück auf meine Konzerte in der früheren DDR Mitte der 1980er Jahre zurück. Ich wurde damals eingeladen, weil man mich wohl für kein allzu großes Risiko hielt. Ich habe immer noch gute Freunde aus dieser Zeit. Ich wollte damals einfach mal dort hingehen und schauen, wie es dort aussieht. Ich würde mich politisch als links bezeichnen, aber damals sah ich schon nach 20 Minuten, dass das System kaputt war (lacht). Das Gute daran waren die tollen Leute dort - ich habe viele Freunde gefunden.

Wie war das Konzert zu Ihrem 80. Geburtstag? Die Show zum 70. ist später als Livealbum erschienen, ist das auch diesmal wieder geplant?

Millns: Es war ein toller Abend, es waren 500 Leute da und zum Glück hat es nicht geregnet. Wir hatten ein Streichquartett für einige Songs und eine Reihe von Gastsängern. Mein langjähriger Saxofonist Nick Pentelow spielte mit und mein Sohn Andreas steuerte Keyboards bei.

Ist das Konzert aufgezeichnet worden?

Millns: Ja, aber ich habe die Aufnahme noch nicht gehört. Es wurde auch gefilmt, aber es könnte ein bisschen dauern, bis wir das alles zusammenbekommen. Wenn die Qualität stimmt, könnte ich mir vorstellen, auch diese Jubiläumsshow zu veröffentlichen. Einige Tage später haben wir das Ganze in London wiederholt. Es war sehr schön, aber danach hatte ich erst mal Urlaub nötig.

Wie sieht es mit Ihrer aktuellen Tour aus – spielt dort ihr runder Geburtstag eine Rolle und lädt das nicht zu einem Karriererückblick als Programm ein?

Millns: Tja, eigentlich kann ich gar nicht glauben, dass ich wirklich 80 bin. Ich fühle mich immer noch wie ein Mann mittleren Alters – bis ich dann in einen Spiegel schaue (lacht). Mein Sohn, der selbst erfolgreicher Musiker ist, hat mich bei der Vorbereitung auf das 80-Jahre-Konzert gefragt: „Dad, spielst du eigentlich auch nach deinem 80. weiter?“ Ich antwortete ganz ernsthaft: „Im Moment kann ich mir das gut vorstellen, aber wenn es mal unelegant aussehen sollte, höre ich lieber auf.“ Er sagte wie aus der Pistole geschossen: „Ich glaube, diesen Punkt haben wir längst überschritten.“ Er schont mich da kein bisschen.

Das ist bestimmt eins der Dinge, die Sie jung halten.

Millns: Möglicherweise. Aber um auf die Frage der Rückschau zurückzukommen: Meine jüngste Platte „History of a Kiss“ ist eine Art Rückblick. Die Aufnahmen gehen zurück auf einige Auftritte mit Butch Coulter in Italien vor einigen Jahren. Der Veranstalter produziert auch Alben und fragte uns, ob wir bei einer Studiosession für ein Album mit Bob-Dylan-Songs mitspielen würden. Wir sagten zu und das Beste daran war dieser unglaubliche Steinway-Flügel aus den 1930er Jahren. Er hatte einem amerikanischen Millionär gehört, der lange in Venedig am Canale Grande gelebt hatte und ihn dem Produzenten schenkte, als er zurück in die Staaten musste. Nach der Dylan-Session wollte ich unbedingt einige meiner eigenen Songs auf diesem Flügel aufnehmen. Auf meiner folgenden Italientour nahm ich mir einige Zusatztage Zeit und spielte einige ältere Songs ein. Dafür musste ich überlegen, welchen von ihnen ich mich heute immer noch nahe fühle.

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Davon gibt es sicher reichlich, oder?

Millns: Es gibt durchaus welche, die ich heute nicht mehr spielen würde. Sie waren für ihre Zeit geschrieben und manche Inhalte passen heute - 20, 30 oder gar 40 Jahre später - nicht mehr zu mir. Aber bei anderen ist das immer noch so. Und 14 haben es auf das Album „History of a Kiss“ geschafft.

Trotzdem sind die Konzerte Ihrer aktuellen Tour keine klassische Retrospektive auf Ihre gesamte Karriere, wie das bei Jubiläen manchmal zum Anlass genommen wird?

Millns: Nein, das Programm orientiert sich wie immer an meinen letzten zwei oder drei Alben. Dazu habe ich ein paar alte Stücke genommen, die ich lange nicht bei meinen Konzerten gespielt habe, etwa „History of a Kiss“, „Down in the Dangerzone“ und „Home for the Weekend“. Der Schwerpunkt liegt mit sechs oder sieben Titeln auf „Close to the Bone“, das 2024 erschienen ist.

Zur Person: Paul Millns

  • Paul Millns wurde 1945 im englischen Norfolk geboren. Er begann seine Karriere Ende der 60er Jahre, als er mit Musikern wie Alexis Korner, Louisiana Red, Eric Burdon, Bert Jansch und John Martyn auftrat.
  • Sein erstes Soloalbum, „Paul Millns“, erschien 1975, die Mitarbeit am Soundtrack zum Film „Gibby Westgermany“ verschaffte ihm 1979 gesteigerte Aufmerksamkeit, 1980 macht ihn ein Auftritt im „Rockpalast“ in Deutschland bekannter.
  • Großes Kritikerlob erhielt das 1984 mit dem Saxofonisten und Flötisten Olaf Kübler aufgenommene audiophile Album „Finally falls the Rain“. Seither veröffentlicht er regelmäßig Platten, die von der Kritik stets sehr positiv aufgenommen werden, aber mangels Radioeinsatz keine große Verbreitung erlangen.
  • Das jüngste Werk, „History of a Kiss“, ist 2025 erschienen und enthält 14 ausgewählte ältere Stücke von Millns. Aufgenommen wurde es in Treviso an einem Steinway-Flügel aus den 1930er Jahren. 2024 hatte der Künstler 14 neue Stücke auf „Close to the Bone“ veröffentlicht.
  • Seit den späten 70er Jahren spielt er regelmäßig Konzerte in Deutschland, darunter im Pumpwerk Hockenheim. Karten für das Konzert zu 20 Euro gibt es online unter www.stadthalle-hockenheim.de sowie im Ticketshop der Stadthalle und an der Abendkasse.

Spielen Sie immer noch ein ganz bestimmtes Lied zum Finale?

Millns: Aktuell beschließe ich mein Programm mit „Old enough to know“, dann kommt ein neues Stück, das mir derzeit sehr gefällt, es heißt „Small mercies“. Wenn man sich den katastrophalen Zustand unserer Welt anschaut, scheint es kaum vorstellbar, der menschlichen Spezies noch zu vertrauen und man könnte sehr schnell sehr deprimiert werden. Aber da gibt es andererseits immer noch so viele Menschen, die nach wie vor großzügig und freundlich handeln und dir irgendwie Hoffnung machen - darum geht es in „Small mercies“. Und natürlich ist „When Love comes calling“ die letzte Zugabe.

Bringen Sie wie beim letzten Auftritt im Februar 2023 wieder Stücke mit, die Sie noch nicht für ein Album aufgenommen haben?

Millns: Diesmal ist „Small mercies“ tatsächlich das einzige neue Stück.

Bei unserem letzten Gespräch waren auch die Auswirkungen des Brexits auf Künstler und ihre Tourneen ein Thema. Haben Sie den Eindruck, hier hat sich einiges normalisiert?

Millns: Für mich ist das nicht ganz so problematisch, weil ich auch einen irischen Pass habe – mein Großvater kam aus Sligo. Aber ich weiß von vielen Problemen für britische Künstler, die in Europa auftreten wollen - jede Menge Papierkram. Und umgekehrt gilt das für europäische Künstler, die auf den Inseln spielen wollen, genauso. Es ist eine Katastrophe und ein weiteres Beispiel dafür, wie dumm dieser Schritt war.

Wer begleitet Sie beim Konzert am Mittwoch?

Millns: Leider ist es diesmal nur Bassist Ingo Rau. Einen Tag vorm Tourstart musste Butch Coulter, Gitarrist und Mundharmonikaspieler, ins Krankenhaus. Es ist eine schlimme Sache, so schnell ist er nicht zu ersetzen. Ich hoffe, er ist bald wieder dabei.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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