Erholungszone

Regierungspräsidentin Felder besucht HÖP-Gelände in Hockenheim

Die Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder sieht bei ihrem Besuch in Hockenheim in der dem Hochwasserschutz dienenden Renaturierung des HÖP-Geländes ein Erfolgsmodell.

Von 
Andreas Wühler
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Biologe Uwe Heidenreich (v. l.), Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg, Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder sowie Silke Tänzel und Andreas Heuser vom Regierungspräsidium sind mit der Entwicklung des HÖP-Geländes zufrieden. © Lenhardt

Hockenheim. Keine Frage, das Hochwasserschutz- und Ökologieprojekt – kurz HÖP – ist eine Erfolgsgeschichte, was nicht oft genug betont werden kann. Sich gegen ein Hochwasser zu wappnen, wie es statistisch gesehen alle 100 Jahre zu erwarten ist und gleichzeitig dem Umweltschutz zu dienen, die Natur in die Stadt zu holen, ist eine Win-win-Situation. Doch dem Zuviel an Wasser Herr zu werden, ist eine Sache, ein Schwinden des kostbaren Nasses zu kompensieren, unerforschtes Neuland.

Dies wurde beim Besuch von Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder deutlich, die die Gelegenheit nutzte, sich von der Entwicklung des HÖP ein Bild zu machen und gleichzeitig über die Herausforderungen des Hoch- und Niedrigwassers zu informieren. Bei dem von langer Hand geplanten Besuch sei man von sommerlichen 35 Grad Celsius ausgegangen und trockengefallenen Flussläufen. Wovon man bis jetzt verschont geblieben sei, so Felder: „Doch der Hochsommer ist noch nicht vorbei.“

Regierungspräsidentin warnt eindringlich vor dem Klimawandel

Dringlich ist es in ihren Augen, sich auf Wetterextreme vorzubereiten, insbesondere die Folgen von Niedrigwasser im Blick zu haben. Vom Fischsterben über die Schwierigkeiten für die Wirtschaft, wenn der Rhein als Transportweg ausfällt bis hin zu sterbenden Ökosystemen reicht die Palette der möglichen Schäden im Zuge der Trockenheit – „und der Klimawandel kommt“, bekräftigt Regierungspräsidentin Felder.

Beim Thema Hochwasser steht ihr ein erprobtes Besteck zur Verfügung, von der Möglichkeit Dämme zu erhöhen über die Renaturierung von Bächen und Flüssen, die dann mehr Wasser aufnehmen können. Beim Niedrigwasser gelte: „Zaubern können wir nicht“, so Felder, mehr Wasser lasse sich nicht erzwingen. Wichtig sei, die Fließgewässer wieder natürlich zu gestalten.

Als ein gelungenes Beispiel für diese Vorgehensweise nannte sie das HÖP-Gelände, in dem aus zwei kanalisierten unnatürlichen Gewässern ein naturnahes geworden sei. Ausdrücklich lobte die Regierungspräsidentin die gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land. Erzielt worden sei ein großer Mehrwert, die Bürger könnten die Natur in der Stadt erleben.

Wo einst zwei naturferne Gewässer kanalisiert dahinströmten, hat sich durch das Hochwasserschutz- und Ökologieprojekt ein Vorzeigegelände entwickelt, dass dem Schutz dient und die Natur in die Stadt holt. © Dorothea Lenhardt

Es gebe, so Felder, weitere Projekte, beispielsweise am Oberlauf des Kraichbachs, am Leimbach oder an der Weschnitz, Gewässer fit für die Zukunft zu machen. Angesichts der zu erwartenden Niedrigwasserstände wollte sie ferner nicht ausschließen, verschiedene Gewässer zusammenzulegen, die Verästelung, die den Erfordernissen der Landwirtschaft geschuldet waren, zu revidieren.

Planung und Umsetzung des HÖP-Geländes seien eine große Herausforderung gewesen, stellte Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg fest, der das Projekt voller Stolz als eine Erfolgsgeschichte für Stadt und Regierungspräsidium bezeichnete. Auf 800 Metern sei das Ziel des Erhalts natürlicher Ressourcen erreicht worden – so könne es weiter gehen, stellte der Bürgermeister fest, nicht ohne der Hinweis auf die Bezahlbarkeit von Maßnahmen.

Mit dem HÖP werde nicht nur der Umwelt gedient, so Jakob-Lichtenberg, Infotafeln würden für die Belange des Naturschutzes sensibilisieren, Naherholung werde den Menschen vor die Tür gebracht und durch die behutsame Bewirtschaftung werde die Artenvielfalt gestärkt. Alles in allem ein nachhaltiger Beitrag für die Umwelt, betonte der Bürgermeister.

Im vergangenen Jahrhundert wurde ein hochkomplexes System zur Wasserableitung geschaffen

Andreas Heuser vom Regierungspräsidium, zuständig für den Unterhalt und Betrieb der Gewässer, erläuterte die schwierige Ausgangslage im Gebiet der Rheinniederung und der Kinzig–Murg-Rinne. Seit dem Beginn des 20. Jahrhundertes sei hier von Menschenhand ein hochkomplexes System zur Ableitung von Wasser geschaffen worden. Hochwasserschutz stand über allem, Niedrigwasser spielte bei den Überlegungen keine Rolle. Nun, angesichts des Klimawandels, sei man auf weniger Wasser nicht vorbereitet.

Obendrein wiesen viele der gesteuerten Gewässer erhebliche ökologische Defizite auf, der sommerliche Stress könne Folgen für Fauna und Flora haben und eine zusätzliche Wasserentnahme die Gewässer zum Kippen bringen. Als Beispiel nannte Hauser den Kriegbach, der 2021 trockenfiel, da dem Hauptgewässer Kraichbach zu viel Wasser zugeleitet wurde. Im Zusammenspiel mit den Naturschutz- und Fischereiverbänden sei die Steuerschraube am Schneidmühlwehr bei Ubstadt-Weiher nachjustiert worden, nun werde die Entwicklung in Form eines Probebetriebs verfolgt.

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Grundsätzlich müssten künftig Hauptgewässer priorisiert werden, eine Balance zwischen Abfluss bei Hoch- und Rückhaltung bei Niedrigwasser gefunden werden. Dies zu untersuchen, sei eine Studie auf den Weg gebracht worden. Eine komplexe Untersuchung, die erst in Jahren Erfolge verspreche.

Silke Tänzel, im Regierungspräsidium für den Bau und die Planung von Maßnahmen an Gewässern zuständig, erläuterte die Genese des HÖP, das 2020 nach drei Jahren Bauzeit fertiggestellt wurde. Das HÖP sei nur möglich gewesen, weil zwei naturfremde Gewässer zu einem vereint und die auf der Fläche zwischen ihnen befindlichen 70 Kleingartenparzellen aufgegeben wurden. Denn, so Tänzel, für eine Renaturierung braucht es in erster Linie Platz. Und Raum sei in einer Stadt schwer zu haben.

Ausgerüstet sei das HÖP auf ein 100-jähriges Hochwasser mit tiefen Spundwänden und Schutzmauern auf 700 Metern. Hinzu kommen 60 Meter mobile Dammbalken, die bei Hochwasser eingesetzt werden können. Und es entstand ein naturnahes, gewundenes Gewässer mit tiefen und seichten Stellen, schnell und langsam fließend und durch seine Strukturvielfalt ein Lebensraum für viele Arten. Flache Ufer seien wichtig für den Hochwasserschutz, der Bach könne überlaufen und damit das Wasser in der Fläche gehalten werden. Tänzel sprach von einer Schwammlandschaft.

Das HÖP in Hockenheim erhöht die Aufenthaltsqualität

Abgerundet wurde das HÖP durch städtebauliche Maßnahmen, Plätze und Wiesen wurden geschaffen, Aufenthaltsqualität erzeugt und Wege angelegt. Mittlerweile sei das HÖP in der Stadt angekommen, Ehrenamtliche würden Führungen anbieten und sich die Menschen an dem erfreuen, was Tänzel die Wiederherstellung der Lebensraumsituation von Tieren nannte.

Daten und Fakten zum HÖP

Die Gewässerläufe des Kraichbachs und des Mühlkanals wurden auf einer Länge von rund 800 Metern in einem neuen, naturnahen gemeinsamen Gewässerbett vereint.

Zur Herstellung des Hochwasserschutzes wurden insgesamt circa 700 Meter Damm, 700 Meter Hochwasserschutzmauer und 60 Meter mobile Hochwasserschutzanlagen errichtet. Die Anlagen sind im Mittel 1,50 Meter hoch.

Die zwei gleichberechtigten Ziele sind die Verbesserung des Hochwasserschutzes auf ein 100-jährliches Ereignis unter Berücksichtigung der Klimaänderung sowie das Erreichen der Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie durch die ökologische Aufwertung des Gewässers.

Die Bauzeit dauerte von Juni 2017 bis Frühjahr 2020, die Gesamtkosten betragen 16 Millionen Euro brutto. Die Stadt beteiligt sich mit rund vier Millionen Euro. mm

Als Vertreter der Naturschutzverbände lobte der Biologe Uwe Heidenreich die Zusammenarbeit zwischen diesen, der Stadt und dem Regierungspräsidium. Dies sei keine Selbstverständlichkeit. Was sich auch in der Pflege des Geländes zeige: Man einigte sich auf ein abschnittsweises Vorgehen, das den Tieren Rückzugsflächen erhalte. Sein Fazit konzentrierte sich auf ein Wort: ein Vorzeigeprojekt.

Und eines, wie Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder abschließend feststellte, dem auf die Schnelle am Kraichbach kein Anschlussstück folgen werde, der finanzielle und personelle Einsatz sei sehr hoch. Zwar werde an anderen Gewässern geplant und gebaut, doch spreche man in der Gesamtheit besser von einem Langstreckenlauf.

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