Hockenheim. Eigentlich findet die in vielen Gemeinden der Region begangene Interkulturelle Woche erst vom 25. bis 30. September statt. Doch die Integrationsbeauftragte der Stadt, Nadine Grimmig, nahm diese zum Anlass, schon davor am Donnerstag zum Austausch über alle kulturellen Schranken zu laden. Im Rahmen einer kleiner Feier im Saal im zweiten Stock der Zehntscheune gab es Denkanstöße, leckeres internationales Essen, Musik und reichlich Raum für Begegnung. Musikalisch untermalt wurde die Veranstaltung durch den türkischstämmigen Hockenheimer und Musiker Gürsel Arlier und den bekannten ehemaligen Landtagsabgeordneten Manfred Kern, dem das Thema Integration und Begegnung seit jeher am Herzen liegt.
Es war eine intime Atmosphäre in der Zehntscheune an diesem Abend. Gerade noch rechtzeitig vor einem großen Regenguss hatten es die Besucher in den modernen Raum im historischen Gebäude geschafft. Nach herzlicher Begrüßung sprach die Hockenheimer Integrationsbeauftragte Nadine Grimmig über das Thema „Interkulturelle Kommunikation – und Toleranz“.
Der französische Philosoph Voltaire sei ein Vordenker gewesen, der sich für eine „Religion der Vernunft“ eingesetzt habe. Sie ging auch auf Gotthold Ephraim Lessing ein, der im deutschsprachigen Raum die Ringparabel mit seinem Werk „Nathan der Weise“ bekannt gemacht hat. Ein Sultan hatte in der Geschichte dem Juden eine Fangfrage gestellt, welche der großen Weltreligionen den die „richtige“ sei. Dieser berichtete als Antwort von einem Vater, der, einer alten Tradition folgend, einen kostbaren Ring an seinen „liebsten Sohn“ weiter gibt. Da er sich aber nicht entscheiden konnte, ließ er einen Künstler zwei exakte Kopien anfertigen, die später vererbt wurden, ohne, dass man sie hätte unterscheiden können. Die Rede ist von Judentum, Christentum und Islam, stellvertretend auch für alle weiteren Religionen.
Hockenheimer Integrationsbeauftragte Nadine Grimmig über die Rolle von Religion
„Eine bestimmt Religion kann nicht die wahre sein“, resümierte Grimmig und ergänzte: „Ein Denkmal für die Toleranz befindet sich ganz in unserer Nähe: die Moschee im Schlossgarten“ (errichtet im 18. Jahrhundert unter Kurfürst Carl Theodor vor über 200 Jahren als Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz, Anm. d. Red.). Sie schloss: „Wir dürfen die Religion als wahren Schlüssel zur Toleranz nicht vergessen“, und erntete damit viel Beifall. Nach der Eröffnung des internationalen Mitbring-Buffets war ausreichend Zeit, sich kennenzulernen und gute Gespräche zu führen. Dies bei Spezialitäten wie Simit-Sesamgebäck und Irmik Tatlis-Grieß-Dessert aus der Türkei, über indisch-pakistanische Pakoras-Gemüsehäppchen im Kichererbsen-Teigmantel bis hin zu deutschen Schnittchen und italienischen Spezialitäten.
Dazu sang Gürsel Arlier und spielte auf der türkischen Langhalslaute Saz traditionelle Weisen aus seiner alten Heimat. Auch Manfred Kern hatte es sich nicht nehmen lassen, zu singen und Gitarre und Mundharmonika zu spielen. Klassiker wie „Sound of Silence“ von Simon und Garfunkel oder „Blowing in the Wind“ von Bob Dylan gefielen dem Publikum, das bei den Titeln „Knocking on heavens door“, im Original ebenfalls von Dylan und „Über den Wolken“ von Reinhard Mey laut mitsang.
Besucherin Tanja Reinhard vertrat bei der Feier nicht nur das Deutsche Rote Kreuz, sondern war „auch privat hier“. „Es ist wichtig, dass man andere Kulturen kennenlernt. Und das hier ist eine gute Gelegenheit dazu“, meinte sie.
Auch die Hockenheimer Agenda-Beauftrage Elke Schollenberger war dabei. „Ich finde es wichtig, dass man sich begegnet“, meinte sie. Interkulturalität habe in der Rennstadt ja eine lange Geschichte. „Eine unserer Agenda-Gruppen ist interkulturell. Da gab es ja bekanntermaßen schon viele Aktionen, wie das internationale Frühstück oder gemeinsames Kochen. Juli 2020 kam sogar unser interkulturelles Kochbuch heraus.“ Augenzwinkernd ergänzte sie: „Essen geht eigentlich immer.“
Und Nadine Grimmig meinte abschließend: „Ich freue mich sehr über die gelungene Feier, die das erste Mal von mir organisiert wurde. Eine Fortsetzung wäre durchaus möglich.“
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