Landgericht

Altenheim St. Elisabeth stoppt Unterbringungspläne der Stadt Hockenheim

Das Altenheim St. Elisabeth hat erfolgreich gegen die Stadt Hockenheim geklagt. Die Verwaltung darf in der der früheren Geriatrischen Rehaklinik des Rhein-Neckar-Kreises keine Geflüchteten unterbringen, solange das Heim sie nutzt.

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Matthias Mühleisen
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Streitobjekt: Die Stadt möchte im Dachgeschoss der ehemaligen Geriatrischen Rehaklinik Geflüchtete unterbringen, Mieter St. Elisabeth sieht dadurch Probleme. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Um die Nutzung des Dachgeschosses im Gebäude Rathausstraße 8 für die Unterbringung Geflüchteter ist ein Rechtsstreit zwischen der Stadtverwaltung und dem Altenheim St. Elisabeth im Gange. Der Trägerverein der Alten- und Pflegeeinrichtung hat die Immobilie der ehemaligen Geriatrischen Rehaklinik des Rhein-Neckar-Kreises bis Ende 2024 gemietet, um einen Teil der Bewohner dort zu betreuen, bis der zweite Teil seines Neubaus bezogen werden kann. Das vertrage sich nicht mit der Nutzung als Flüchtlingsunterkunft. Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim hat dem Altenheim in erster Instanz Recht gegeben.

Die Stadt ist gegen das Urteil vom 31. Mai per Eilantrag in Berufung gegangen, sagten Oberbürgermeister Marcus Zeitler und Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg im Gespräch mit unserer Zeitung. Zeitler bezeichnet die vom Gericht genannten Entscheidungsgründe als merkwürdig. So heißt es unter anderem, dass der Lärm durch die Geflüchteten alten Menschen nicht zumutbar sei. Thomas Jakob-Lichtenberg bedauert, dass bei der Verhandlung nicht auf Kompromissvorschläge der Stadt eingegangen worden sei, beispielsweise die Reduzierung auf 50 Unterzubringende statt wie geplant rund 67.

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Marcus Zeitler betont: „Wir wollen weiter die Hand ausstrecken für eine gemeinsame Nutzung des Gebäudes.“ Jede Seite vertrete ihre Interessen, das sei auch in Ordnung. Kein Verständnis bringt er dagegen für Fragen wie „Wer ist Ihnen wichtiger: Senioren oder Geflüchtete?“ auf. Das sei nicht zielführend. Er erwartet in der Berufung die Unterstützung durch das Landratsamt, dessen Eigenbetrieb Bau, Vermögen und Informationstechnik zunächst 2021 die ehemalige Rehaklinik an St. Elisabeth vermietet und dann 2023 an die Stadt verkauft hat.

Unterbringung als Pflichtaufgabe für die Stadt Hockenheim

Die Unterbringung Geflüchteter sei eine Pflichtaufgabe, die die Stadt zu erfüllen habe. Wenn dafür das leerstehende Dachgeschoss in der Rathausstraße 8 nicht genutzt werden kann, müsse er zur Erfüllung dieser Aufgabe Turnhallen oder die Stadthalle heranziehen, das wolle auch keiner, gibt der Oberbürgermeister zu bedenken. Die Stadt muss dieses Jahr 200 Menschen unterbringen: 70 aus dem Jahr 2022, 130 für dieses Jahr lauten die Zuweisungen.

Dass aktuell die Zuweisungszahlen etwas zurückgehen, ändere nichts daran, dass die Stadt das Gebäude brauchen werde, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Mit dem Rückstand aus 2022 stehe Hockenheim im Kreis als Schlusslicht da. Die Möglichkeiten zur dezentralen Unterbringung seien weitgehend erschöpft.

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Die Vertreter von St. Elisabeth, Heimleiter Markus Hübl und der Vorsitzende des Trägervereins Hartmut Beck, bedauerten im Redaktionsgespräch, dass die Stadt sie nicht von Anfang an mit ins Boot geholt habe: „Wir haben von den Plänen aus der Zeitung erfahren“, sagt Hübl. Die Stadt habe gewusst, dass St. Elisabeth das Gebäude mindestens bis Mitte 2024 nutzen werde, „da hätte ich eigentlich erwartet, dass sie auf uns zukommt und fragt, wie wir die Sache mit der Unterbringung von Flüchtlingen sehen“, ergänzt Beck.

Die Schwierigkeiten fingen schon beim Zugang an: „Wir können die Leute nicht durchs Pflegeheim durchlassen.“ Früher sei das ein Komplex gewesen mit dem Betreuten Wohnen im dritten Obergeschoss, die Fahrstühle hielten in jedem Stockwerk. Das gute Miteinander hätte es geboten, dass man vorher miteinander spricht, wir sind ja keine Unbekannten, sondern seit 40 Jahren in Hockenheim aktiv“, sagt Beck.

Gespräch zwischen Altenheim und Stadt Hockenheim: Kompromissvorschlag abgelehnt

Bei einem Gespräch auf Initiative des Altenheims mit Stadtspitze, Sozialdezernentin und Ordnungsamtsleiterin des Rhein-Neckar-Kreises und der Heimaufsicht habe man versucht, eine Lösung zu finden. Gegen den dabei besprochenen Kompromiss habe sich die Führungsspitze der Stadt im Nachhinein entschieden. Dabei ging es um die Zugangsmöglichkeit unters Dach. Die Stadt favorisierte dafür einen Treppenturm im Innenhof. Dieser hätte direkt an den Bewohnerzimmern vorbeigeführt. Die Geräusche bei dessen Benutzung und der Aufenthalt dort hätten unvermeidlich zu Problemen geführt, sagte Markus Hübl, das habe auch die Sozialdezernentin bestätigt.

Stattdessen solle die Treppe außen in der Parkstraße errichtet werden, „nach unserer Wahrnehmung war die Mehrheit dafür“, blickt Markus Hübl zurück. Die Stadt habe zugesagt, das zu prüfen - und sich dann nicht mehr gemeldet. Dafür habe man aber Farbaufträge im Innenhof bemerkt, wo der Treppenturm errichtet werden sollte.

Hartmut Beck betont Interesse an akzeptablen Bedingungen

Hartmut Beck äußert Verständnis für die Stadtverwaltung, die ihrer Verpflichtung nachkommen muss, verweist aber auch auf das Interesse von St. Elisabeth, den Bewohnern akzeptable Bedingungen im Übergangsdomizil anzubieten: „Das ist für uns auch eine wirtschaftliche Frage, wenn uns Interessenten für die Plätze verloren gehen.“ An einem dadurch eventuell entstehenden Defizit wolle sich die Stadt nicht beteiligen, habe der OB auf Anfrage Hübls deutlich gemacht.

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Die Altenheim-Vertreter glauben, die Stadt könne eine andere Lösung für die Unterbringungsfrage finden, eventuell durch eine Containerunterkunft etwa auf dem Reiterplatz oder in einer ehemaligen Unterkunft im Talhaus. Oder nochmals einen Aufschub bei der Zuweisung Geflüchteter erwirken. Sie bezweifeln, dass ein konfliktfreies Nebeneinander von Altenheim- und Unterkunftbewohnern in der Rathausstraße möglich ist.

Als Beispiel nennt der Heimleiter die Brandmeldeanlage, die nur für das Gesamtgebäude funktioniere. Experten hätten berichtet, dass Anlagen in Flüchtlingsunterkünften fünf bis sechs Fehlalarme pro Woche produzierten, oftmals nachts. „Das würde jedes Mal bedeuten, wir müssen unsere Bewohner evakuieren - da hätten wir nach vier Wochen keine Bewohner und keine Nachtwachen mehr“, sagt Hübl. Dazu komme die Angst der Mitarbeiterinnen - über 90 Prozent der Beschäftigten sind Frauen - besonders wenn es im Winter früh dunkel wird. Das könne man nicht ignorieren.

Hockenheims Bürgermeister Jakob-Lichtenberg: „Als Chance begreifen“

Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg bedauert, dass es nicht zu einer Einigung gekommen wäre. Er kann sich einen Gewinn für beide Seiten vorstellen, wenn Menschen in der Unterbringung sich für Bewohner des Altenheims engagieren: „Das kann man als Chance begreifen im Sinne eines Mehrgenerationenwohnens.“ Wie der OB betont er, die Stadt werde alles an Betreuungsmöglichkeiten für die Geflüchteten nutzen: „Es wird keiner allein gelassen“, sagt Marcus Zeitler.

Vorerst ist das Thema Unterbringung in der Rathausstraße gestoppt, bis das Altenheim in den Neubau umgezogen ist. Bauarbeiten sind ebenfalls untersagt.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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