Zukunftsfähigkeit

Thema Schwammstadt: Klimaschutz in Hockenheim braucht mehr Schwung

Der Hockenheimer Biologe Uwe Heidenreich mahnt zu einer schnelleren Reaktion der Stadt auf besorgniserregende Entwicklungen wie Starkregenereignisse und Hitzeperioden.

Von 
Andreas Wühler
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Grünschneisen, wie hier im Ziegelstücker, bringen Sauerstoff in die Stadt, senken die Temperatur und helfen, Niederschläge zu sammeln. © Heidenreich

Hockenheim. Krieg in der Ukraine, eine angespannte Situation im Nahen Osten und ein banger Blick über den Atlantik in Richtung USA – angesichts der weltpolitischen Lage ist es nicht verwunderlich, wenn das Thema Klimaschutz langsam aus dem öffentlichen Bewusstsein schwindet. Dieses Gefühl hat wohl nicht nur der Hockenheimer Biologe Uwe Heidenreich. Von Europa bis hinein in die Kommunen, so sein Empfinden, werde das Thema nicht mehr so vorangetrieben wie nötig und er fügt resignierend hinzu: „Es hat an Schwung verloren.“

Das ist für ihn nicht akzeptabel, denn es gehe um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit des Landes. Natürlich liege es auf der Hand, dass sich der Einzelne Sorgen um seine Zukunft mache, Angst vor den wirtschaftlichen Folgen der allgemeinen Entwicklung habe, doch sei dies nicht zielführend. Klar, der Mensch lebe in der Gegenwart, rühme allenfalls die Vergangenheit, in der anscheinend alles besser war, und verschließe die Augen vor der Zukunft. Doch wer sich aktuell den im Zuge des Klimawandels notwendigen Kosten verschließe, der vergesse, dass mit einem „Weiter-so“ der Wohlstand im Land nicht halten lasse.

Biologe sieht die Stadt Hockenheim sowie Bund und Land in der Verantwortung

Eine Aussage, die Heidenreich in erster Linie dem Bund, den Landesregierungen und den Kommunen ins Gewissen schreiben möchte. Wobei der Bund zumindest im Juli das Klimaanpassungsgesetz – Stichwort klimaresiliente Städte – verabschiedet habe, was in den Kommunen und auch in Hockenheim bisher ohne Folgen blieb.

Doch Handeln sei dringend notwendig, stellt Heidenreich fest und verweist auf verschiedene Bereiche, die derzeit brachliegen, so der Hochwasser- und Klimaschutz oder die notwendigen Hitzeaktionspläne. Zwar habe es zeitweilig reichlich geregnet – ein Phänomen, das dank der Klimaerwärmung weiter zunehmen wird – doch rinne das kostbare Nass den Kommunen unter den Händen davon. Da sich Nässephasen und Hitzeperioden nicht nur immer häufiger abwechseln, sondern auch länger Bestand hätten, gelte es, das Wasser vor Ort zu binden, es nicht über Kanäle in Flüsse zu leiten – Stichwort Schwammstadt.

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Die Starkregenereignisse werden zunehmen, warnt Heidenreich mit Blick auf Untersuchungen. Eine einfache Rechnung – pro Grad Erwärmung kann die Atmosphäre etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf speichern, führt Heidenreich aus und verweist auf die Statistik: In Deutschland ist es mittlerweile zwischen 2,3 und 2,5 Grad Celsius wärmer als noch in den 1950er Jahren. Mit anderen Worten: Ein Tief bringt heute bis zu 20 Prozent mehr Wasser mit als bei gleicher Wetterlage noch vor 70 Jahren.

Überschwemmungen sind in Hockenheim bei Starkregen gut zu beobachten

Mehr Niederschlag, der auf einen immer stärker versiegelten Boden trifft, der von den durch die Dürre ausgetrockneten Böden nicht gehalten wird, der kaum eine Chance zum Versickern hat – Überschwemmung sind die Folge. In der Rennstadt bei Starkregen im Bereich zwischen Karlsruher Straße und Stiegwiesenpark gut zu beobachten.

Was tun? Eine Frage, mit der Heidenreich schon beim Thema Hitzeaktionspläne angelangt ist. Eine wichtige Forderung dabei: Mehr Grün in die Städte. Baumpflanzungen, begrünte Fassaden, mobile Bepflanzung und vieles mehr sorgen für Kühle im Ort und gleichzeitig dafür, dass mehr Wasser gespeichert werden kann.

Womit Hochwasserschutz und Hitzeaktionspläne Hand in Hand gehen. Ein sehr gutes Beispiel in der Stadt sei das HÖP-Gelände, das nicht nur einen Grüngürtel im Herzen der Kommune darstellt, sondern dem Wasser auch Überflutungsflächen bietet. Doch leider, so Heidenreich, sei das HÖP kein Beispiel, das Schule mache – für weitere Maßnahmen fehlt dem Land das Geld. Dabei sei eine Aufwertung der Gewässer durch ökologischen Umbau unabdingbar.

Trinkhähne und weniger Versiegelung: Das muss in Hockenheim getan werden

Daher seien die Rathäuser gefordert, verlangt der Biologe eine „wassersensible Stadtentwicklung“. So wenig Boden versiegeln wie möglich, so viele Hausfassaden und -dächer begrünen wie machbar und Grünzüge, wo immer möglich. Im Kampf gegen die Hitze müssten über das Stadtgebiet verteilt auch Trinkwasserhähne installiert werden, müsse mehr Grün in die Straßen und müssten Plätze beschattet werden.

Maßnahmen, die möglichst schnell in Angriff genommen werden sollten, fordert der Biologe. Denn niemand dürfe sich durch die vermehrten Niederschläge täuschen lassen, die Temperaturen steigen im Durchschnitt weiter an, genau wie die Niederschlagsmengen im Schnitt rückläufig seien. Gerade hier am Oberrhein würden die Klimaextreme deutlich, warnt Heidenreich vor einem weiteren Anstieg der hitzebedingten Todesfälle.

Es gibt in Sachen Naturschutz auch positive Entwicklungen in Hockenheim

Doch der Biologe will nicht nur schwarzmalen, er sieht auch punktuelle Verbesserungen. Bürger würden Baumscheiben pflegen, Bäume bewässern, heimische Pflanzen in ihren Gärten nutzen und diese zum Teil „verwildern lassen“. Die Stadt hat die Pflege der öffentlichen Flächen verändert, nehme mehr Rücksicht auf die Belange der Natur.

Doch trotz dieser Schritte in die richtige Richtung sei noch ein langer Weg zu gehen, fordert Heidenreich die Entscheidender in der Stadt – vom Rathaus bis zum Gemeinderat – zum Handeln auf. Ein Handeln, von dem nicht zuletzt die Enkel profitieren würden, für die der Klimawandel traurige Realität sein wird.

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