Hockenheim. Von der im Zusammenhang mit dem Klima magischen Zahl von 1,5 werde man sich wohl endgültig verabschieden müssen. Davon ist der in der Region für den Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und den Naturschutzbund (Nabu) aktive Biologe Uwe Heidenreich gleich in zweierlei Hinsicht überzeugt: Das Ziel, den Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist nicht mehr zu erreichen, nach dem Ende der Weltklimakonferenz im Dezember scheine fraglich, ob die Erwärmung auf ein Plus von zwei Grad Celsius gedeckelt werden kann.
Schon jetzt zeichnen sich die Folgen einer drohenden Klimakatastrophe ab
Doch der zweite Aspekt wirkt in den Augen Heidenreichs noch weit fataler: Immer mehr zeige sich, dass die Folgen der drohenden Klimakatastrophe nicht erst jenseits der 1,5-Grad-Grenze sichtbar würden. Schon bei einer geringeren Erderwärmung fielen sie drastisch aus. Grund hierfür sei die Erkenntnis, dass der Zusammenhang zwischen Natur und Klima viel komplexer und fragiler ist als bisher angenommen.
Heidenreich rechnet mit drastischen Auswirkungen auf Fauna und Flora, aber auch mit einer Verschlechterung der sozialen Lage vieler Menschen. Denn die Folgen des Klimawandels würden besonders die ärmeren Menschen zu spüren bekommen – auch hierzulande.
Aktuell lassen sich die Folgen des Klimawandels schon beim Blick aus dem Fenster sehen – frühlingshafte Temperaturen statt dezemberliche Kälte. Anhaltende Niederschläge im Winterhalbjahr würden sich häufen, Trockenheit im Sommer zunehmen, dann, wenn die Landwirtschaft den Regen braucht. Und wenn es im Sommer regnet, dann meist in Form von Starkregenereignissen – Überschwemmungen und sonstige Katastrophen seien die Folgen.
Das HÖP-Gelände in Hockenheim leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz
Beim Klimawandel sei Hockenheim keine Insel der Glückseligen, ist Heidenreich überzeugt, der nicht müde wird, die Sinnhaftigkeit des HÖP-Geländes zu unterstreichen. Nicht nur gegen Überschwemmungen sei der renaturierte Bachlauf ein Gewinn für die Stadt, auch zur Verbesserung des Kleinklimas leiste er seinen Beitrag. Und ganz nebenbei sei er für die benachbarten Schulen eine gern genutzte Anlaufstelle, um sich über die Natur und deren Schutz zu informieren.
Stichwort Überschwemmungen: Auf dem Weg zur Schwammstadt könne noch viel mehr in Hockenheim gemacht werden, ist Heidenreich überzeugt. Mit dem Begriff der Schwammstadt umschreibt er dabei die Möglichkeit einer Kommune, Wasser zu binden, zu bevorraten für Zeiten, in denen Trockenheit herrscht. Regenrückhaltebecken und Gebiete, in denen das Wasser stehen kann, beispielsweise im Stiegwiesenpark, seien passende Instrumente, sagt der Biologe.
Doch auch der Einzelne könne seinen Beitrag leisten. Wie es Generationen von Kleingärtner schon immer machen: Bei Regen die Tonne füllen und bei Trockenheit das Wasser zum Gießen nutzen – die perfekte Beschreibung der Schwammstadt im Kleinen.
Und was kann Otto Normalverbraucher noch leisten, um der Natur zu helfen? Heidenreich nennt eine Reihe von Kleinigkeiten, die in der Summe große Wirkung haben. So sollte man den heimischen Garten ruhig etwas „unaufgeräumter“ lassen, Insekten, Igel & Co. werden es danken. Vogelkästen aufhängen wäre anderer Punkt und weniger Düngen würde gar Geld sparen.
Bei zwei anderen Punkten ist der Biologe rigoros, da macht er keine Kompromisse: Kunststoffrasen hätten weder im Vorgarten noch hinter dem Haus etwas verloren. Und Steingärten sind ihm ein wahrer Dorn im Auge. Hier hofft Heidenreich, dass die Stadt bald durchgreift und dieser Unsitte ein Ende bereitet. Denn Steingärten tragen, wie jede versiegelte Fläche, ihren Teil dazu bei, dass Regenwasser nicht im Boden versickert, sondern ungenutzt in der Kanalisation verschwindet.
Ein Blick auf die Zahlen: Momentan häuften sich die Meldungen, dass sich die Grundwasserbestände erholten, berichtet Heidenreich. Was der Realität entspreche: Im Winter seien sie höher, im Sommer niedriger. Doch schaue man sich den Grundwasserstand über einen längeren Zeitraum, über Jahrzehnte an, so kennt dieser seit Mitte der 1950er Jahre nur eine Richtung – kontinuierlich sinkend.
Über den Zustand des Waldes will der Biologe eigentlich keine Worte mehr verlieren, ein jeder könne ihm beim Sterben zuschauen. Gute Kritiken hat er hingegen für die Forstverwaltung, mit der ein offener Austausch stattfindet, die sich bemühe, den Wald umzubauen, seine Klimaresilienz zu erhöhen.
Ökosystem ist durch invasive Arten wie der asiatischen Hornisse oder Waschbären bedroht
Nicht nur der Wald wird sich ändern, auch die Zahl der Neophyten werde zunehmen. Manche weniger, mancher stärker bedrohlich für die hiesigen Populationen. So bedrohten Holzkäfer den Wald, die asiatische Hornisse die heimischen Bienen und auch Waschbären könnten fürs Ökosystem gefährlich werden. Von dem, was auf Menschen mit einer Spinnenphobie zukommt, ganz zu schweigen.
Und nun? Hände in den Schoß und abwarten? „Auf keinen Fall“, sagt Heidenreich. Solange es geht, müsse gegen den Klimawandel angekämpft werden. Dies schon aus Verantwortung den Enkeln gegenüber und auch aus dem Wissen um den steten Tropfen. Wenn er denn genügend Zeit hat. Doch Mut macht dem Biologen dabei auch, dass sich viele Kommunen auf den Weg gemacht haben, sich dem Klimawandel zu stellen.
Ausdrücklich lobt er die Stadt Hockenheim, die derzeit eine Wärme- und Klimaplanung erstellen lässt. Mehr Photovoltaik, energetische Sanierungen, LED-Leuchten im öffentlichen Raum – die Möglichkeiten der Städte, ihren Beitrag zu leisten, seien enorm, lässt sich Heidenreich seine Optimismus nicht nehmen.
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