Pumpwerk

Von Hockenheim in die ganze Welt, von tabulos bis sanft-anmutig

Claus Boesser-Ferraris Internationale Gitarrennacht begeistert die Zuhörer im ausverkauften Haus mit Kontrasten von Ian Melrose, Franco Morone und Raffella Luna.

Von 
Matthias H. Werner
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Von Schottland bis Italien reicht der Herkunftshorizont der Künstler bei der Internationalen Gitarrennacht im Pumpwerk: Ian Melrose (v.l.), Franco Morone, Raffaella Luna und Gastgeber Claus Boesser-Ferrari nehmen die Zuhörer mit auf eine stimmungsvolle Reise. © Lenhardt

Hockenheim. Was die Kunst vom reinen Können unterscheidet: Wer drei Künstlern den gleichen Malkasten und die gleichen Leinwände gibt, wird drei Werke von so verblüffender Unterschiedlichkeit erhalten, dass sich das Wesen der Kunst und ihre Unendlichkeit auf Anhieb erschließt. Ein Beispiel dafür konnte am Samstagabend das Pumpwerk-Publikum erleben, das den Kulturtempel bis auf den letzten Platz füllte.

Seit mehr als 20 Jahren versammelt dort der Laudenbacher Ausnahmegitarrist Claus Boesser-Ferrari Hochkaräter aus aller Welt zur Internationalen Gitarrennacht und kann ein ums andere Mal kulturelle Highlights platzieren. Diesmal waren neben dem Gastgeber der aus Schottland stammende Wahl-Berliner Ian Melrose und der italienische Fingerstyle-Spezialist Franco Morone zu hören, der – eine absolute Ausnahme in der ansonsten strikt saitenorientierten Programmatik – Raffaella Luna als Sängerin dabei hatte.

„CBF“, wie der international als Gitarrist, Komponist und Dozent renommierte Claus Boesser-Ferrari von seinen Fans liebevoll genannt wird, gab zum Opener einen weiteren Leckerbissen seines weltweit einzigartigen Stils, aus der Gitarre einen Erzählraum zu machen, dem keinerlei klangliche Grenzen auferlegt sind. Schnarrend, klopfend, girrend gab er an seinem doppelhalsigen Instrument ein zwar über weite Passagen ungewöhnlich harmonisches, fast heimelig anmutendes Exempel seiner herausragenden Spielkunst, ließ aber die für ihn so typische und stilprägende Freizügigkeit dabei nicht missen. CBF kennt in seinem solitären Stil, für den er unter den Kennern geschätzt und teils geliebt wird, kein Halten, keine Form und kein Tabu.

Pumpwerk: Sanfter und anmutiger Kontrast zum „großen Kino“

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Sanft und anmutig übernahm Ian Melrose den Stab – „nach dem großen Kino“ Boesser-Ferraris kein leichtes Unterfangen, wie der charmante Schotte noch anmerkte, bevor er sein Publikum mit einem völlig andersartigen Musikgenuss, der aber an Qualität und Kraft keineswegs hintanstehen musste, begeisterte. Ein virtuoser Geschichtenerzähler in Tönen, dessen besonderer Swing phänotypisch ist. Ob die vertonte Episode „Pumpernickel Blues“, die seinen „ersten deutschen Kulturschock“ in Kamp-Lintfort humorvoll aufnimmt, die mit einer atemberaubend hingebungsvollen Ehrerbietung interpretierte libanesische Hymne „Wa Habibi“ oder das klangmalerische, begeisternd filigran ausgestaltete „Molli versus 121“, das Erinnerungen an einen Aufenthalt an der Ostsee in Töne kleidet – immer ist Melroses Musik angetan, auf eine faszinierend entspannte, unaufgeregte Art mitzureißen.

Der „Melrosian Touch“ verführt zum Lauschen und dazu, völlig sprachlos die Fingerpickings zu bewundern, die diesen unbeschreiblichen Swing ergeben.

Franco Morone, dessen Fingerstyle-Sound vom US-Fachmagazin „Acoustic Guitar“ als „einzigartig“ geadelt wurde, brachte dann ein sehr akzentuiertes, lebhaftes Spiel, dessen ausgefeilte Technik und klangliche Leidenschaft begeistern. Morone feuerte mit „Noises in the Night“ pronocierte Töne auf sein Publikum, von denen jeder einzelne eine Funktion hat – anzutreiben, mitzureißen, aufzuwühlen.

Pumpwerk: Begeisterte Bravo-Rufe für charakterstarke Interpretation

Dieser besondere Stil, die herausragende Klasse, vor allem aber die ungebremste interpretatorische Kraft des verschmitzten Italieners trieb mit einer charakterstarken eigenen Fassung von „House of the Rising Sun“ besondere Blüten: Ein Werk, das man ob seiner Popularität eigentlich gar nicht mehr spielen kann, wurde unter Morones flinken Fingern zu etwas rundum Neuem, das mit begeisterten Bravo-Rufe aus dem Publikum quittiert wurde.

An seiner Seite beispielsweise mit dem Jazz-Standard „My funny Valentine“: Raffaella Luna. Die in Turin geborene Sängerin bringt eine natürliche, anschmiegsame Stimme mit, die auf den filigranen Figuren Morones förmlich zu tanzen scheint – mediterranes Flair, das sie im zweiten Programmteil mit den drei Gitarristen zusammen vor einem begeisterten Publikum ausleben konnte, das nach einem herausragenden Konzert seinerseits sehnsüchtig auf die nächsten Glanzpunkte in Claus Boesser-Ferraris Gästeliste warten dürfte: „Bella Ciao“.

Freier Autor Seit Mitte der 1990er Jahre als freier Journalist vorrangig für die Region Hockenheim/Schwetzingen tätig - Fachbereich: Kultur.

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