Hockenheim.. Man muss einfach dabei gewesen sein – was für viele lustige Geschichten gilt, um deren Tiefgang und Würze komplett zu erfassen, mag auch für den Berliner Comedian Yves Macak und sein Programm „Echt jetzt?!“ gelten. Der seit 20 Jahren als staatlich anerkannter Erzieher arbeitende Zappelphilipp gab am Freitagabend im Pumpwerk in seinem knapp zweistündigen Rundumschlag gegen verschrobene Einrichtungsleitungen, durchgedrehte Kollegen und vor allem Kolleginnen, gegen verhaltenskreative Kinder und ihre nervigen Helikoptereltern tiefe und besonders beherzte Einblicke in seinen Beruf und seine chaotischen Erlebnisse in Kitas, Grundschulen und Freizeitheimen.
Zwischen Arbeitsalltagswahnsinn und Stereotypen
Dass zwischen den ansonsten ausnahmslos sich totlachenden Damen einige wenige eher mäßig belustigte Personen saßen, mag erstaunen – oder auch nicht, wenn man bedenkt, dass die „Mitgeschleppten“ den Arbeitsalltagswahnsinn, den Macak in der ihm eigenen Art auf die Spitze treibend karikierte, nicht kennen können und wie die meisten Menschen dazu neigen dürften, sich den Beruf des Erziehers als lockeren Job zwischen Basteln, Weihnachtsfeier, lustigem Waldausflug und Teerunden vorzustellen.
Ein Glück für den Berliner Komiker, den Desiree Nick beim „Sky Comedy Star(ter)s“-Wettbewerb vor rund zehn Jahren als „Wundertüte aus Treptow“ bezeichnete, dass die weit überwiegende Mehrheit der Zuschauer „Fachpublikum“ war, wie eine kurze Publikumsumfrage ergab. Denen ist die auf den ersten Blick doch leicht überzogen wirkende Geschichtensammlung dieses „pädagogisch fragwürdigen Abends“ aus dem irren Erzieheralltag leidlich bekannt. „Genau!“ war die wohl häufigste Reaktion vorm herzerfrischenden Gelächter.
Damit ist Macaks Show trefflich beschrieben: Herzerfrischend, unverblümt und gnadenlos persifliert der quirlige Endvierziger das Horror-Kabinett institutionalisierter Pädagogik in atemberaubender Geschwindigkeit, der zu folgen gar nicht so einfach ist. Obwohl er „in der Provinz“ schon mit angezogener Handbremse agiert, wie er selbst beteuert. Dabei sind seine Nummern „keine Erzählungen – dat sind Frontberichte!“
Mit vollem Körpereinsatz und einer mitreißenden Mimik
Und doch empfindet er nach wie vor seinen Tun als den „tollsten Beruf“: „Wir dürfen mit Kindern arbeiten – hätt’ man uns mal gesagt, dass die Eltern auch dazugehören!“ Die lässt der Komiker mit vollem Körpereinsatz und einer mitreißenden Mimik auf der Bühne Wirklichkeit werden: Die Eltern von ADHS-Kindern, die meinen, das sei „eine Hochbegabung“ oder die Mütter, die in einem Purzelbaum schon eine Überforderung des Nachwuchses sehen: „Det sind keene Helikoptereltern, det sind Kampfhubschrauber.“
Seine Episoden kommen aus „Stadtteilen mit erhöhtem Erneuerungsbedarf“, wie man politisch korrekt zu ehemaligen „Brennpunktbezirken“ sagt, aus Kindertagesstätten und inklusiven Grundschulen: „Erzieher, die Unterricht vertreten – das könnte ’ne Erklärung für Pisa sein“.
Dass er unter seinen Kolleginnen, also zwischen „Bastel-Berta“, „Tofu-Tina“ und „Häkel-Heike“ zum einen selbst der „komische Knilch“, zum anderen aber vor allem mal ein seltenes Exemplar ist, hat Yves Macak auf eine irrwitzig lustige Art gezeigt: „Der Job wird als nicht sexy angesehen“ war der Aufhänger für eine urkomische Übertragung des Erzieheralltags auf den legendären Cola-light-Mann aus den 1990ern, der einst zu Etta James’ „I Just Want To Make Love To You“ den Beobachter-Frauen den Kopf verdrehte – Heldenethos zwischen Windeleimer und Brechdurchfall.
Abrechnung mit der Erzieher-Ausbildung
Bei all dem erschöpft sich Yves Macak aber nicht in witzigen Alltagsgeschichten, zwischen diese streut der smarte „R-Zieher“ gehörige Portionen Gesellschaftskritik. „Die Leute, die auf unser Geld aufpassen, verdienen mehr, als die, die auf unsere Kinder aufpassen“, beschreibt er eine Schieflage, die ihre Folgen hat, tituliert die zeitgeistliche Selfie-Manie als „spezielle Form von Tourette“ und rechnet auch mit der Erzieher-Ausbildung gnadenlos ab: „Gefühlt hab ich die halbe Zeit getöpfert.“
Nach seiner sexy Schlussnummer donnert der Applaus der sichtlich angetanen Kolleginnen über den Berliner Wort-Flummi – der sich mit einer musikalischen Zusammenfassung des Abends bedankte. Was bleibt, sind wahnsinnig komische Einblicke in den Pädagogen-Alltag, manche Selbsterkenntnis und das Wissen: „Wer überhaupt das Renteneintrittsalter in diesem Beruf erreicht, darf mit Fug und Recht als Veteran bezeichnet werden.“
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