Ziegelleigelände Herrenteich in Hockenheim - Umfrage bei Fraktionen - es herrscht Uneinigkeit

Was nun: Verkauf oder Renaturierung?

Wie geht es mit der einstigen Ziegellei Herrenteich in Hockenheim weiter? Unsere Redaktion fragte bei den Fraktionen im Gemeinderat nach.

Von 
Matthias Mühleisen
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Das Luftbild zeigt, in welch besonderer Umgebung die ehemalige Ziegelei in der Gewann Herrenteich liegt: Nur wenige Meter entfernt fließt der Rhein vorbei, Hochwasserschutz gibt es nicht. Die Spannseile der Brücke der Autobahn 61 (r.) reichen bis ans Gelände heran. Im Dach der Halle sind dunkel die Löcher zu erkennen, durch die Regen eindringt. Rechts oben am Bildrand sind die Aussiedlerhöfe des Siegelhains sichtbar. © Venus

Wie heißt es: Nichts hält so lang wie ein Provisorium. Fünf Jahre lang, von 2001 bis 2006, hat die MVG Mineralfaser-Verwertungs-Gesellschaft am Herrenteich asbesthaltige Faserzementplatten „recycelt“. Mehr als doppelt so viel Zeit ist vergangen, seit der behördlich stillgelegte Betrieb von den asbesthaltigen Abfällen befreit wurde, die die MVG zurückgelassen hatte, und in einen Dornröschenschlaf verfiel – in einem alles andere als märchenhaften Zustand.

Die einstige Ziegelei liegt seither verlassen und in zunehmend schlechteren Zustand am Rheinufer neben der Brücke der A 61, zwischenzeitlich besucht von Partygänger und Graffitisprayern. Ein Verkauf des Geländes, dessen Erlös die finanzielle Beteiligung an den Abfuhrkosten der Stadt wieder einspielen soll, blieb seit dem Erwerb durch die Stadt 2012 Wunschdenken, die Alternative, eine Renaturierung, für die die Stadt Zuschüsse aus Landes-, Bundes- oder Europaprogrammen kassieren könnte, wurde bislang nicht stringent verfolgt. Wir haben bei den Fraktionen des Gemeinderats nachgefragt, welche Lösung sie anstreben, damit das Provisorium nicht endgültig zur Dauerlösung wird.

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„Eine Renaturierung wird ohne die tatkräftige Unterstützung des Landes nicht funktionieren. Daran hat sich seit unserem Vor-Ort-Termin mit dem CDU-Landtagskandidaten Andreas Sturm nichts geändert“ (wir berichteten am 16. Februar), teilt CDU-Fraktionsvorsitzender Markus Fuchs mit. Das Gelände liege inmitten eines Natur- und Wildschutz- sowie FFH-Gebiets (Fauna-Flora-Habitat). „Ohne Frage wäre eine Renaturierung aus Sicht der Ökologie und der Nachhaltigkeit der beste Weg“, ist sich Christoph Kühnle sicher. Die Verkehrsinfrastruktur sei kaum dafür ausgelegt, den Anforderungen des heutigen Schwerlastkraftverkehrs standzuhalten.

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Die CDU-Fraktion glaubt nicht, dass allein über Fördermittel die städtischen Kosten von zwei Millionen Euro und die Abriss- und Renaturierungskosten in mindestens ähnlicher Höhe ausgeglichen werden können. „Wir wollten die Asbestaufbereitungsanlage nicht. Warum sollen wir überhaupt irgendwelche Kosten tragen?“, fragt sich die stellvertretende Fraktionssprecherin Bärbel Hesping, zumal die Grundlage in dem 2008 abgeschlossenen Vertrag mit dem Land – die anschließende Verwertung des Grundstücks durch die Stadt – entfallen sei.

Die CDU-Fraktion verweist auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU, da Deutschland seit Jahren gegen geltendes Naturschutzrecht verstoße. „Für das Landesumweltministerium ist der Herrenteich eigentlich eine Chance zu zeigen, wie viel Umweltschutz und die Unterstützung einer Kommune wirklich wert sind“, erklärt CDU-Vorsitzender Patrick Stypa abschließend. Davon sei bisher nichts festzustellen. Um den Stein ins Rollen zu bringen, strebt die Union daher einen Ortstermin mit dem Umweltministerium, den Wahlkreisabgeordneten und den Umweltverbänden nach der Landtagswahl an.

FWV: Zeit des Abwartens vorbei

Eine besondere Information hat Gabi Horn, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, parat: „Wir hatten am Freitagabend eine Zusammenkunft und einer meiner Kollegen kündigte an, er habe einen Interessenten an dem Gelände, den er der Stadt vermitteln möchte, einen Namen wollte er noch nicht nennen.“ Die Stadt werde sich von der hohen Preisvorstellung wohl wegbewegen müssen, das ist nun Verhandlungssache.

Es würde wohl 1,2 Millionen Euro kosten, um das Gelände nutzbar zu machen durch Abriss und Dekontaminierung. Man müsse auch berücksichtigen, dass sich die Verwertbarkeit verändert hat – die bebaubare Fläche wurde kleiner, der Anleger schied aus – „die Nutzbarkeit ist schon sehr beeinträchtigt“, erinnert Gabi Horn.

Die Freien Wähler hätten auch eine Renaturierung des Areals durch das Land begrüßt, die auch der Naherholung hätte dienen können, doch die Hoffnung, dass die grün-geführte Regierung hier etwas mehr tun würde, habe sich nicht erfüllt. Nun sei die Renaturierung nicht mehr im Gespräch. Fest stehe: „Es muss endlich was passieren, so kann es nicht bleiben.“ Die FWV wünschen, dass ein Schlussstrich gezogen werde, wollen aber kein konkrete Frist nennen, sagt Horn. Das Abwarten der vergangenen Jahre müsse vorbei sein.

Grüne: Renaturierung alternativlos

„Der Schandfleck inmitten der Rheinauenlandschaft muss weg“, habe die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits vor fünf Jahren gefordert, erinnert Fraktionssprecher Adolf Härdle. Allerdings sei nicht zu erwarten, dass sich für den im Laufe des Bebauungsplanverfahrens Herrenteich von anfangs 95 200 auf letztlich 22 100 Quadratmeter verwertbare Flächen reduzierten Geltungsbereich ein Investor findet. „Mit einer Refinanzierung der bisher aufgelaufenen Kosten von etwa 2,3 Millionen Euro für die Stadt ist nicht zu rechnen“, stellt Härdle fest.

Genauso wenig könne davon ausgegangen werden, dass der zwischen Land und Stadt geschlossene Vertrag eine Kostenübernahme durch die Landesregierung zulässt. Härdle: „Das Haushaltsrecht steht dem offensichtlich entgegen.“ Die Stadt sei durch den vom damaligen Oberbürgermeister Dieter Gummer ausgehandelten Vertrag in Erwartung eines Verkaufserlöses bewusst ein finanzielles Risiko eingegangen, sagt Härdle unter Berufung auf ein Schreiben des damaligen Rechtsbeistands der Stadt.

Die Fraktion vertrete die Auffassung, dass eine Renaturierung des ehemaligen Betriebsgeländes Herrenteich, von den Grünen bereits im Jahr 2008 vorgeschlagen, zwischenzeitlich alternativlos ist. Allerdings: „Die aktuelle Haushaltssituation lässt die Verwirklichung der Renaturierung aus eigenen Mitteln nicht zu.“

Eventuelle europäische Fördermittel könnten zur Kostenminderung beitragen. Auch biete sich an, die nicht landwirtschaftlich genutzte Ausgleichsfläche im naturrechtlichen Ökokonto zu bevorraten. Das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ habe als ein Ziel die Verbesserung des Zustands und die Vergrößerung der Bestände wasser- und auengebundener Arten und ihrer Lebensräume. Darauf habe Härdle jeweils gemeinsam mit Dr. Danyal Bayaz und Dr. Andre Baumann die Verwaltung hingewiesen, aber nichts weiter dazu aus dem Rathaus gehört.

SPD: Müssen jetzt verkaufen

„Dass uns die Industrieruine am Herrenteich noch zwölf Jahre nach der Entsorgung der Asbestschadstoffe die Zornesfalten auf die Stirn treiben würde, das hätten wohl nicht mal die größten Pessimisten im Gemeinderat vermutet“, sagt Marina Nottbohm für die SPD. Jetzt sei es an der Zeit, dass die Verwaltung eindeutig baurechtlich und nutzungsrechtlich klärt, ob und welches Gewerbe dort überhaupt ansiedeln darf.

Wenn die Verwertbarkeit offenliegt, müsse das Gelände ganz professionell vermarktet werden, was bisher nicht geschehen sei. Bisherige Interessenten haben sich in der Vergangenheit immer nur nach Zeitungsberichten bei der Stadt gemeldet.

Keine Frage, eine Renaturierung wäre ein Segen für dieses Gelände. Die Natur könnte sich zurückholen, was die Menschen in vielen Jahren versucht haben zu zerstören. Und dazu müsste die Industrieruine „nur“ abgetragen werden, sagen die Naturschutzverbände. Vermutete Kosten für diesen Rückbau: Mindestens eine weitere halbe Millionen Euro. Sicher gibt es den einen oder anderen Fördertopf für eine solche Maßnahme. Aber unsere Erfahrung sagt uns, dass da noch ein erheblicher Restanteil von Hockenheim zu zahlen wäre. Es ist ein Skandal, dass das „grüne“ Land Baden-Württemberg sich weigert, hier in die Natur zu investieren. Was bleibt uns also übrig? Wir wollen keinen einzigen weiteren Cent mehr in dieses Millionengrab stecken. Wir müssen es jetzt verkaufen.

FDP: Alle an einen Tisch holen

„Unser Standpunkt hat sich diesbezüglich nicht geändert. Wie schon 2015 sehen wir hier in den nächsten Jahren leider kaum Bewegung. Eine gewerbliche Nutzung ist nach der Flächenreduzierung unwahrscheinlich. Die Renaturierung wäre in dem Umfeld die wünschenswertere Lösung. Sie ist für die Stadt aber nicht finanzierbar“, stellt Frank Köcher-Hohn namens der FDP fest.

Solange die, die für den Zustand verantwortlich sind, nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wird sich wohl nichts ändern. Es ist ein Armutszeugnis des grünen Umweltministeriums, hier nicht tätig zu werden. Seit Jahren wird gestritten und gejammert und nichts passiert.

Nach der Wahl sollten die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, um endlich eine Lösung zu finden. Alle Betroffenen müssen an einen Tisch – Land, Kreis und Stadt. Nur so werden wir das Problem lösen. Wir würden uns wünschen, dass hier irgendwann mal wieder eine grüne Lunge entsteht und der Schandfleck verschwindet. Die Natur holt sich bereits das Gelände zurück.

Was für viele romantisch erscheint, birgt leider viele Risiken, denn die Gebäude sind einsturzgefährdet. Zurzeit erinnert das Gelände eher an eine Szene aus einem Science-Fiction-Film als an ein anstrebbares Biotop.

Info: Mehr Bilder vom Gelände unter www.schwetzinger-zeitung.de

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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