Ketsch. Eine Minute und 40 Sekunden nur dauert der französische Animationsfilm, doch die Szene ist perfekt. „Maestro“ zeigt einen dunklen Wald, in dem sich Tiere auf ein Konzert unter dem Dirigat eines Eichhörnchens vorbereiten. Als Sänger haben sich Vögel, Schildkröten, Frösche und Igel versammelt, die eine nächtliche Oper zur Aufführung bringen. Das kleine Meisterwerk ist die letzte Sequenz der Kurzfilme „Augenblicke 2022“, die am Montagabend mit einer Gesamtlaufzeit von 94 Minuten im Central Kino zu sehen waren. Doris Steinbeißer und Matthias Rey vom Kirchenkino-Team begrüßten 30 Gäste zu den Filmen mit ganz unterschiedlichen Themen.
16 Minuten dauert der Dokumentarfilm „Seepferdchen“ der Regisseurin Nele Dehnenkamp. Die junge Hanan begleitet ihren Bruder zum Schwimmunterricht. Das erste Abzeichen heißt „Seepferdchen“, weil es aufrecht im Wasser stehen kann. Hanan denkt daran, wie sie in einem Schlauchboot mit 60 Leuten übers Mittelmeer nach Europa kam und damals noch nicht schwimmen konnte. Heute geht sie nicht mehr unter – wie ein Seepferdchen.
Die Filme präsentieren animiert, dokumentarisch oder gespielt Bilder mit Fantasien, Ängsten, Verstörungen und Belustigungen. In „Bambirak“ der gebürtigen Afghanin Zamarin Wahdat hilft die achtjährige Kati ihrem Vater Faruk auf seiner Paketauslieferungstour. Im Laufe des Tages merken Vater und Tochter, dass sie doch etwas verbindet. Ein Missverständnis, Kati wird beschuldigt gestohlen zu haben, setzt die neu gewonnene Nähe fast aufs Spiel.
Genug von Besserwisser-Eltern
Action bringt der niederländische Kurzfilm „Elterngespräch. School’s Out“ von Jamille van Wijngaarden auf die Leinwand. Marit möchte beim Elternsprechtag das Verhalten ihres Sohnes mit Lehrerin Yvonne besprechen. Doch die weiß sich zu wehren, sie hat genug von besserwissenden Eltern und dreht plötzlich völlig ab. Die kleine mörderische Komödie läuft mit Untertiteln. Der Werbefilm „Myborder’s Joyfence“ von Michael Kranz macht betroffen. Ein internationales Unternehmen bietet für jeden eine Art persönliche Grenzmauer, einen praktischen und mobilen Schutzzaun gegen fremde und arme Menschen.
In schwarz-weißen Strichzeichnungen kommt „Dieser Film heißt aus rechtlichen Gründen Breaking Bert“ von Anne Isensee daher. Die Absolventin der Filmuniversität Babelsberg, die seit 2020 in New York studiert, ist Animatorin, Drehbuchautorin und Regisseurin des Lehrstücks. „The Beauty“ von Pascal Schelbli, eine Abschlussarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg, beschämt uns alle: Die zunächst poetische Reise durch eine faszinierende Unterwasserwelt endet in einem Meer aus Plastikmüll. Der Mensch zerstört sogar die geheimnisvollen Tiefen der Ozeane. „Feeling Through“ von Doug Roland ist der erste Film mit einem taubblinden Hauptdarsteller. Der obdachlose Jugendliche Tereek hängt mit seinen Freunden draußen rum. An einer Straßenecke trifft er auf den taubblinden Artie, der nicht weiterweiß. Er hilft ihm durch die Nacht und setzt ihn in einen Bus. Die zehn Dollar, die er unterschlagen hat, gibt er einem Obdachlosen.
„Checkpoint“ von der Finnin Juulia Kalavainen zeigt einen einsamen Militärkontrollpunkt in einem Kriegsgebiet. Ein Soldat steht allein Wache, da entdeckt er ein Mädchen, dass mit einem Fußball vorbeikommt. Der Film „Oh, Sh*t“ von Elsa van Damke begleitet die 27-jährige Maggie bei einem Date in der Wohnung ihres Schwarms. Als sie plötzlich während des Abendessens ihre Periode bekommt, flüchtet sie ins Badezimmer. Dort passiert ihr ein Missgeschick. Sie schämt sich. Aus dem Off prasseln ihre Gedanken auf sie ein. Eine amüsante Geschichte.
„Die letzten 5 Minuten der Welt“ des Berliner Filmemachers Jürgen Heimüller fragt nach, was wichtig ist, wenn nichts mehr geht. Zwei zerstrittene Paare und ein Einzelner auf einer Bank, dazwischen letzte Geständnisse, Streit und Versöhnungen. Das Ende ist nah, aber geht die Welt auch wirklich unter?
Das fragten sich die Zuschauer in der kleinen Diskussionsrunde zum Schluss auch. „Jeder Film ist sehenswert“, meinte Pfarrer Christian Noeske vom Kirchenkino-Team. Die Besucher wurden überrascht von den Streifen, die oft auch existenzielle Fragen ansprechen. Alles sind kleine Kunstwerke, alle sind preisgekrönt. Manche Filme entfalten ihre Wirkung durch Übertreibung. Am längsten diskutierten Publikum und Kirchenkino-Macher über das „Elterngespräch“ zwischen der empörten Mama und der engagierten Pädagogin.
Die kirchliche Kurzfilmarbeit „Augenblicke“ gibt es seit 30 Jahren. Von Corona waren und sind auch die Kinos betroffen, deshalb startete das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz die Kurzfilme auch im Stream. Der Online-Kinosaal öffnet unter https://augenblicke-kurzfilme.de/ ab Mitte September.
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