Marktplatz (mit Fotostrecke)

Bunter Protest gegen die AfD in Ketsch

Rund 300 Bürger jedes Alters sowie Vertreter von Parteien und Institutionen demonstrieren gegen rechtsextreme Strömungen. Außerdem hat die Gemeinde ein neues Bündnis.

Von 
Catharina Zelt
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Viele Teilnehmer haben Plakate dabei. © Drees

Ketsch. Ein Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus setzten am Sonntagmittag laut Veranstalter über 300 Menschen auf dem Ketscher Marktplatz. Kinder, Erwachsene, Opas, Uromas, Vertreter der Kirche sowie Berufs- und Lokalpolitiker versammelten sich als Reaktion auf das Treffen von hochrangigen AfD-Politikern mit Neonazis und finanzstarken Unternehmern, die zusammen die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant haben sollen. Damit reiht Ketsch sich in eine Menge von Kommunen ein, in denen in den vergangenen Wochen gegen rechtsextreme Tendenzen in der Bundesrepublik protestiert wurde.

Das neugegründete „Bündnis für Demokratie und Vielfalt Ketsch“ hatte die Kundgebung mit dem Slogan „Ketsch steht auf! Nie wieder ist jetzt!“ organisiert. Dem überparteilichen Bündnis angeschlossen haben sich bislang die SPD Ketsch, Dorfpride, Bündnis 90/Die Grünen, die FDP, die katholische Kirchengemeinde Brühl-Ketsch, die Linke Rhein-Hardt sowie die „Omas gegen Rechts“ Rhein-Neckar.

Erinnerung an Opfer der Nazis bei Kundgebung in Ketsch

„Nichts tun, ist keine Option – auch und gerade in Ketsch“, betonte Birgit Ackermann aus dem Organisationsteam eingangs. Sandra Reiff, ebenfalls Organisatorin, erzählte bewegend die Geschichte des Ketschers Karl Kemptner. Im Jahre 1898 geboren, war es ein einziger Satz, der das Todesurteil des Sozialdemokraten sein sollte. In Sorge um seinen Sohn äußerte er sich kritisch gegen den Krieg und Adolf Hitler – und wurde daraufhin ermordet. „Es beginnt mit Worten“, meinte Reiff. „,Aber das darf man ja heute gar nicht mehr sagen.‘ Doch, genau hier darf man seine Meinung haben, man muss aber mit Gegenwind rechnen.“ Was passiere, wenn man seine Ansichten tatsächlich nicht mehr äußern dürfe, das zeige die Historie Karl Kemptners. „Es ist daher unser Recht und unsere Pflicht, der Gegenwind zu sein, laut zu sein“, sagte die Ketscherin.

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Der Landtagsabgeordnete Dr. Andre Baumann (Grüne) sprach sich ebenfalls entschieden für die Demokratie und gegen die AfD aus. „Es ist egal, woher jemand kommt. Die Menschen, die hier in Ketsch leben, gehören zu uns“, akzentuierte er. Die AfD lebe von Krisen; es sei ihr Geschäftsmodell, dass es diese Krisen in Deutschland gebe. „Wir müssen die AfD-Wähler zurückholen. Widersprechen Sie ihnen, diskutieren Sie, mischen Sie sich ein – und vor allem: Gehen Sie wählen“, rief er zum Gang zur Urne am 9. Juni auf, wenn die Europawahl ansteht.

Daniel Born sieht AfD als Gefahr für Demokratie

Daniel Born (SPD) freute sich, dass so viele Kinder zur Kundgebung gekommen waren. Denn sie seien die Zukunft der Demokratie. „Wir stehen für die Vielfalt, egal, was man glaubt, wen man liebt oder woher man kommt“, verdeutlichte er. Er wolle klar benennen, vom wem die Gefahr für die Demokratie aus seiner Sicht ausgehe – und das sei die AfD. „CDU und Freie Wähler, wir vermissen euch“, sprach er außerdem direkt jene Gemeinderatsfraktionen der Enderlegemeinde an, die sich dem Bündnis bisher nicht angeschlossen haben.

Landtagsvizepräsident Daniel Born (SPD) spricht sich für Vielfalt aus. © Drees

Die örtliche CDU hatte erst kurz vor der Kundgebung in einer öffentlichen Stellungnahme erklärt, dass sie dem Bündnis nicht beitrete. Zwar danke man dem Bündnis für sein Engagement, es fehle aber unter anderem eine klare Abgrenzung zum Linksextremismus (wir berichteten). Nichtsdestotrotz waren unter den Teilnehmern am Sonntag auch Mitglieder der Ketscher CDU sowie der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Sturm. Letzterer hielt sogar eine Rede und betonte darin, dass die Parteien bei einzelnen Themen zwar anderer Meinung sein mögen, „aber wenn es um unsere Demokratie geht, halten wir zusammen“. Ein wichtiger Pfeiler sei dabei die Bildung, denn sie helfe gegen Extremismus.

„Notes from the livingroom“ bei Kundgebung in Ketsch

Untermalt wurde die Kundgebung von Musik der Ketscher Gruppe „Notes from the livingroom“. Das Duo sang Lieder wie „Ein Kompliment“ von den Sportfreunden Stiller und „Je ne parle pas francais“ von Namika. Die Teilnehmer, die teilweise Schilder mit Aussagen wie „Vielfalt, Solidarität, Jetzt!“, „Gegen Rechtsextremismus“ oder „Hier wohnte Karl Kemptner“ dabei hatten, folgten friedlich der Kundgebung, applaudierten und stimmten den Rednern lautstark zu.

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Ketsch setzt ein Zeichen gegen Rechtsextremismus

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„Es gibt auf komplexe Fragen keine einfachen Antworten“, betonte Mara Zeltmann (Die Linke). Die AfD suggeriere das zwar, die Realität sehe aber anders aus. Es sei wichtig, laut zu sein und sich mit anderen zusammenzuschließen. „Mit vereinten Kräften können wir verhindern, dass sich einzelne radikalisieren.“

Fortsetzung bei der Dorfpride in Ketsch

Mit dabei waren auch die „Omas gegen Rechts“, für die Tanja Hilton ans Rednerpult trat. „Faschismus fängt daheim am Küchentisch an“, meinte sie, „und jedes Mal, wenn ihr nichts sagt, macht ihr euch mit schuldig!“

Der katholische Pfarrer Erwin Bertsch – der evangelische Pfarrer Christian Noeske war ebenfalls anwesend – zitierte aus dem Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Globale Probleme könne man nur gemeinsam lösen, für Hass dürfe es keinen Millimeter Platz geben. „Unsere Demokratie und Freiheit sind in Gefahr. Die Zeichen sind für mich eindeutig.“

Dem schloss sich Julian Raddatz von der Dorfpride an. Seit fünf Jahren setzt sich die Organisation für die Sichtbarkeit verschiedener Geschlechts- und sexueller Identitäten und die LGBTQ+-Community ein. Die Dorfpride, eine Veranstaltung ähnlich wie der Christopher-Street-Day (CSD), werde am 7. September nach Ketsch kommen. Dann soll dort erneut für mehr Vielfalt demonstriert werden.

Freie Autorin Frei Mitarbeiterin Print und Online

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