Eppelheim. „Sei Mensch.“ Nur diese zwei Worte hatte Walter Läßle auf ein Stück Pappkarton geschrieben. Mehr Aussage brauchte es für den Initiator und Organisator der ersten Demonstration in Eppelheim gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sowie für Demokratie und Menschenrechte nicht. Am Samstag gingen mit ihm trotz Faschingsferien und kurzfristiger Ankündigung rund 500 Teilnehmende auf die Straße, um ein deutliches Zeichen gegen die AfD, deren Pläne zur sogenannten Remigration und des Verbots der Parteienvielfalt zu setzen. Eindrucksvoll bewiesen Kirchen, Vereine, Organisationen, Parteien und Privatpersonen: Eppelheim steht auf, die schweigende Mehrheit wird laut, die Stadt ist bunt und soll es auch bleiben.
Startpunkt der Demo war der Vorplatz der Christkönigkirche. Vom Eppelheimer Polizeiposten war Polizeihauptkommissarin Kim Reichert mit ihren Einsatzkräften vor Ort. Demo-Organisator Läßle wurde von ihr instruiert, auf was er als Veranstalter zu achten habe. Die Hinweise gab er an Teilnehmer und die 30 Ordner, die er bereitstellen musste, weiter.
Durchweg alle Generationen bei Demonstration in Eppelheim
Alle Generationen waren vertreten. Etliche hatten Fahnen, Transparente, Luftballons und handgeschriebene Plakate mitgebracht. Die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde brachte es mit ihrem Transparent „Liebe für alle – Hass für keinen“ für ein tolerantes und friedliches Miteinander auf den Punkt. Ein Schild mit den Aussagen „Knallbunt statt kackbraun“ und „Auffangbecken für Demokratiefeinde, Demagogen und Dummköpfe“ hatte Birgit angefertigt und stellte sich klar gegen die Alternative für Deutschland (AfD). Der Eppelheimerin sei es wichtig, dass auch Bürger kleinerer Kommunen zeigen, dass sie gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind. „Wir müssen unsere Stimme erheben und wollen nicht länger die schweigende Mehrheit sein.“
Hans und Sabine Robker hatten ein Schild mit der Aufschrift „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber! Keine Alternative für Dich!“ gestaltet. Man müsse jetzt wachsam sein, aufstehen und handeln, meinte das Ehepaar. Die Partei Die Linke und deren Jugendverband verteilten süße Berliner gegen braunes Gedankengut. Die Eppelheimer Liste hatte sich die emotionalen Worte des früheren Sportmoderators Marcel Reif zu Eigen gemacht, der anlässlich des Holocaust-Gedenktags im Deutschen Bundestag kundtat, indem er seinen Vater auf Jiddisch und Deutsch zitierte: „Sej a Mensch – Sei ein Mensch!“ Auch die Ortsverbände von SPD und Grünen sowie Vertreter der IG Metall waren zahlreich mit Fahnen und Schildern vertreten.
Mehr Teilnehmer als erwartet bei Eppelheimer Demo
Um 14.45 Uhr setzte sich der Protestzug gegen Fremdenfeindlichkeit leise in Gang. Doch bald wurden Trillerpfeifen und Gesänge laut. Von der Rudolf-Wild-Straße ging es über Scheffel-, Haupt- und Schulstraße auf den Vorplatz der Rudolf-Wild-Halle. Mit dabei waren unter den vielen Demonstranten Mitglieder der beiden Kirchengemeinden, Organisationen und Vereinen und aller im Gemeinderat vertretenen Fraktionen. „Ich bin von höchstens 200 Demonstrationsteilnehmern ausgegangen“, verdeutlichte Läßle. Der 73-Jährige, der seit 40 Jahren mit seiner Frau Helga und seinen beiden mittlerweile erwachsenen Töchtern in Eppelheim zu Hause ist, war von den mehr als doppelt so vielen Mitstreitern, die mit ihm unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ auf die Straße gegangen sind, sichtlich gerührt.
An der Rudolf-Wild-Halle hielt Läßle die „erste politische Rede seines Lebens“ und schilderte seine Beweggründe, eine Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Beine zu stellen. Unfassbar waren für ihn die kürzlich vor laufender Kamera geäußerten Worte des AfD-Landtagsabgeordneten Lars Hünig aus Brandenburg: „Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.“
Antidemokratische Entwicklung in Deutschland
Läßle rief in Erinnerung: „Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, hat es gerade mal sechs Monate gedauert, bis alle Parteien verboten waren!“ Für ihn war die AfD „die politisch legitimierte Speerspitze der aktuellen antidemokratischen Entwicklung“. Deren Frontmann Björn Höcke bezeichnete er als „Demagogen“, der geschichtsverfälschende und niederträchtige Aussagen treffe. Dessen Partei hätte bei geheimen Treffen in Potsdam Pläne zur sogenannten Remigration – ein Wort der rechtsextremen Kreise – geschmiedet.
„Vielleicht haben sie auch schon Pläne zur Machtergreifung in ihren braunen Schubladen?“ Überall seien Menschen schon gegen diese Demokratiefeinde auf die Straße gegangen. In Eppelheim war es dem seit neun Jahren in der Flüchtlingshilfe Engagierten bislang diesbezüglich zu ruhig gewesen. „Wenn nicht jetzt, wann dann? Wachen wir auf und lassen wir uns nicht von diesen rechten Demagogen unser Land zugrunde richten“, rief er in die Menge und bekam kräftigen Applaus als Antwort. „Zeigen wir ihnen, dass wir die demokratische Mehrheit sind.“
Drohende Diktaturen ließen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernehmen. „Eppelheim ist bunt und laut. Wir wollen jetzt so laut sein, dass den AfD-Populisten die Ohren klingeln.“ Die Demonstranten machten mit, jubelten, klatschten und nutzten ihre Trillerpfeifen, um ihre Zustimmung bei Aussagen wie „Wir wollen ein friedliches Zusammenleben mit allen Menschen, egal welcher Herkunft, Religion und Hautfarbe“ und „Wir setzen uns ein für Menschenrechte und Grundgesetz“ zum Ausdruck zu bringen.
Läßle machte deutlich, dass mit Blick auf die vielen Demos gegen Rechtsextremismus und bei der politisch drohenden Gefahr einer Diktatur keiner behaupten könne, er habe davon nichts gewusst: „Denn heute habe ich es Ihnen gesagt, was passieren kann.“
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