Handball

Die legendären Tage des Ketscher Feldhandballs: Rückblick auf glorreiche Zeiten

Die TSG Ketsch prägte mit ihrem Feldhandball in den 1950er und 1960er Jahren eine goldene Ära. Unter der Führung von Walter Löbich nahm das Team zweimal an der Endrunde um die deutsche Meisterschaft teil.

Von 
Marco Brückl
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So leicht kriegen die Ketscher kein Tor eingeschenkt: Walter Löbich war ein ausgezeichneter Torwart im Feldhandball – wie hier bei einer seiner frühen Flugshows zu sehen ist. © Thome/Repro Brückl

Ketsch. Der Handball in Ketsch ist seit Ende der 1980er Jahre mindestens drittklassig, die Frauen-Mannschaft der TSG stieg in den Jahren 1994, 1999, 2005 und 2019 sogar in die erste Bundesliga auf und reist aktuell in der zweiten Bundesliga durch die Republik. Das Ketscher Faible für den Handball-Sport liegt tief und ist unter anderem auch mit Erfolgen in einem nahezu vergessenen Betätigungsfeld begründet: „Wir waren zweimal bei der Endrunde um die deutsche Meisterschaft dabei“, sagt Walter Löbich und denkt an seine aktive Zeit im Feldhandball.

Dass Löbich mal ein toller Torhüter im Feldhandball war, kann man sich leicht vorstellen, denn angesichts seines Alters von 92 Jahren verdient seine Erscheinung den Zusatz „fit wie ein Turnschuh“. Löbich hat noch viele schwarz-weiß Fotos, die über seine Sportlerkarriere Auskunft geben. Darunter befindet sich eine Fotografie, die Löbich bei einer Parade zeigt – die „Flugshow“ beeindruckt. Die größten Erfolge sind mit den Jahren 1955 und 1963 verbunden, denn in diesen beiden Jahren kam die TSG Ketsch mit Torhüter Löbich dem nationalen Titel im Feldhandball am nächsten.

Vor 15 000 Menschen – Die Glanzzeit des Ketscher Handballs

1955 qualifizierte sich die TSG Ketsch als süddeutscher Vizemeister für die Endrunde der deutschen Feldhandball-Meisterschaft. Ketsch hatte TuS Schutterwald zweimal mit 14:8 und TSV Zirndorf mit 10:9 bezwungen. Bei zwei Niederlagen – beim späteren Regionalmeister Frisch Auf Göppingen und in Zirndorf – sowie einem Remis gegen Göppingen war Platz zwei sicher.

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Am 15. Mai 1955 bekamen es die Ketscher mit den Reinickendorfer Füchsen zu tun und mussten sich mit 7:17 geschlagen geben. Letztgenannte Berliner unterlagen hierauf Leverkusen. Und im Stadion Hoheluft in Hamburg sahen dann 15 000 Menschen den 15:12-Final-Sieg nach Verlängerung des SV Polizei Hamburg gegen SV Bayer 04 Leverkusen, sodass der deutsche Meister im hohen Norden gefeiert wurde.

1963 wurde in Wuppertal im Stadion am Zoo der nationale Meister ermittelt: Der BSV Solingen 1898 und der VfL Wolfsburg standen sich vor 30 000 Zuschauern gegenüber, wobei sich die Niedersachsen mit 9:6 durchsetzten. Die Ketscher bugsierten sich erneut ins Viertelfinale. Zum Start in der Endrunde gastierten die Ketscher am 22. September 1963 beim OSC Berlin, setzten sich mit 16:10 durch. In der Zwischenrunde unterlag die TSG dann zweimal dem späteren deutschen Meister aus Wolfsburg (11:16 am 29. September 1963 in Ketsch und 10:20 am 6. Oktober in Wolfsburg).

Erfolge und Herausforderungen auf dem Weg zur Meisterschaft

An die Fahrt im „Interzonen-Zug“ nach Berlin erinnert sich Walter Löbich nur allzu gut, denn durch die damalige DDR zu reisen, glich mitunter einem Abenteuer, wusste man doch nicht, wie einem bei den Kontrollen der DDR-Zöllner zugesetzt würde. Auch die Ketscher Delegation wurde über Gebühr in die Mangel genommen, weil ein Mitglied zurückgeschickt wurde.

Da muss er schmunzeln: Walter Löbich schaut die alten Feldhandball-Bilder an. Von seiner aktiven Sportlerzeit hat er rund 100 Fotos. © Brückl

Ab 1959 war die Oberliga Süd maßgebend für die DM-Endrunde und die TSG Ketsch gehörte dieser Liga erstmals 1962 an. 1963 qualifizierte sich die TSG Ketsch als Oberliga-Vierter für die DM-Endrunde. Ketsch stieg 1965 aus der Feldhandball-Oberliga ab.

Franz Lemberger, der frühere Handball-Abteilungsleiter der TSG, dessen Schwiegervater Heinrich Schmeißer zwölf Jahre mit Walter Löbich in der ersten Mannschaft spielte, erinnert sich noch gut an die Spieltage der Feldhandballer. „Da waren immer so um die 1000 bis 1500 Zuschauer rund um den Sportplatz.“ Es sei normal gewesen, dass man sich beim Spiel der Ketscher Männer trifft.

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Wie bereits angedeutet verbuchte das Feldhandball tatsächlich enorme Zuschauer-Resonanz in Deutschland. Die Endspiele zwischen 1950 und 1975 um die deutsche Meisterschaft beispielsweise verfolgten im Durchschnitt nicht ganz 20 000 Menschen. Da konnte nur der Fußball mit noch größeren Zahlen mithalten.

Sehr gute Kameradschaft bei den Feldhandballern in Ketsch

Für Löbich war ab 1946 klar, dass es zum Handball geht – „da bin ich wie meine Schulkollegen hin“, sagt er. Die Kameradschaft sei stets ein großes Pfund gewesen. Als er mit 18 Jahren in die erste Mannschaft gekommen sei, hätten quasi drei Generationen in der Mannschaft gespielt. Aus den eigenen Reihen seien die Leute immer wieder nachgerückt. Die Leistungsstärke war vorhanden, denn 1948 wurde Löbich inmitten der TSG-A-Jugend zweiter deutscher Meister (Nach einer Niederlage gegen TuS Lintfort) und 1949 dritter deutscher Meister.

„Geld haben wir keines bekommen“, sagt Löbich für sich und Mitspieler wie Peter Weibel, Dieter Gaa oder Franz Ochs – auch für die Spiele nahe der deutschen Meisterschaft habe dies gegolten. Trainer Eugen Baro sei ursprünglich ein Turner gewesen – „da war Zug drin“, sagt Löbich über die Trainingseinheiten seiner Zeit.

Die A-Jugend der TSG Ketsch, die 1948 zweiter deutscher Meister im Feldhandball wurde – mit Torhüter Walter Löbich (M.) und Trainer Eugen Baro (l.). Ein Jahr später landete das Ketscher Team auf Rang drei im Land. © Thome/Repro Brückl

Feldhandball wurde auf einem Sportplatz gespielt, der einem Fußballplatz entspricht (Länge 90 bis 100 Meter, Breite 55 bis 65 Meter). Zwei Mannschaften mit jeweils zehn Feldspielern sowie einem Torwart standen sich gegenüber. Die beiden Torraum-Spielfelddrittel durften nur mit höchstens sechs Spielern einer Mannschaft (Torwart nicht mitgerechnet) betreten werden. Somit bestand ein Team bei den Feldspielern aus vier Verteidigern und sechs Angreifern.

Das Tor entsprach einem Fußballtor. Der Torraum ergab sich als Halbkreis in 13 Metern Abstand zum Tor. Dieser durfte nur vom eigenen Torwart betreten werden. Die Freiwurflinie befand sich mit sechs Metern Abstand parallel zum Wurfkreis in 19 Metern Abstand zum Tor. Ferner gab es einen 14 Meter von der Tormitte entfernten kurzen Strich, der die Wurfmarke für einen Strafwurf darstellte.

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Den wichtigsten Unterschied zum Hallenhandball betraf die Prellregelung beim Ballführen. Im Gegensatz zur Regel in der Halle durfte der Ball zwischen dem Prellen aufgenommen und anschließend wieder weiter geprellt werden.

Die Glanztage der Ketscher Feldhandballer: Konter als besondere Stärke

Die Ketscher Feldhandballer verstanden sich besonders gut aufs Kontern, wie Löbich erzählt. Neben seinem Tor seien zwei Balljäger postiert gewesen, die das Spielgerät nach einem Fehlversuch so schnell als möglich wieder zu ihm als Torhüter befördern sollten, damit er den nächsten eigenen Angriff einleiten konnte. „Ich konnte schon weit werfen“, sagt Löbich nur.

Dass zur Eröffnung der Rheinhalle 1959 Frisch Auf Göppingen als Sparringspartner in Ketsch vorbeischaute, lag auf der Hand. Die Handballer stellten das sportliche Aushängeschild. Und Süd-Super-Konkurrent Göppingen mit Trainer Bernhard Kempa (bekannt geworden im Handball ist der „Kempa-Trick“ mit Zuspiel und Wurfabschluss noch im Sprung) war national und später sogar international (Europapokalsieger 1960) eine absolute Nummer.

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Die Ära des Feldhandballs, wobei es von 1967 bis 1973 die Bundesliga als höchste Spielklasse hierzulande gab – der TSV Oftersheim war drei Spielzeiten mit dabei – ging Mitte der 1970er Jahre zu Ende. Bei der letzten Weltmeisterschaft 1966 in Österreich nahmen nur noch sechs Mannschaften teil. Den Titel gewann zum fünften Mal in Folge Deutschland. Und als der Hallenhandball für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München erstmals in das Programm aufgenommen wurde, war spätestens klar, dass die Zukunft der Halle gehört. Drei Jahre danach schloss der Deutsche Handball-Bund (DHB) die Akte Feldhandball. Letzter deutscher Meister im Feldhandball war 1975 die TSG Haßloch.

Walter Löbich indes, dessen Sohn Thomas in Fußstapfen trat und beispielsweise die Ketscher A-Jugend-Mädchen 2007 zur deutschen Meisterschaft wohlgemerkt in der Halle führte, ist derweil bescheiden und betont beim Besuch unserer Zeitung, seine Person und die Feldhandball-Leistungen von damals nicht zu hoch zu hängen. Keine Angst, das würden wir nie machen – allerdings: Ehre, wem Ehre gebührt.

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