Geschäftsleben

Ein Meister der Reduktion: Rainer Wedler stellt in Ketsch Lyrikband vor

Rainer Wedler stellt bei Buch und Manufakturwaren seinen neuen Lyrikband „Was sind wir mehr als Buchstaben“ vor

Von 
Elke Barker
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Er jongliert mit Wörtern – Rainer Wedler bei Buch- und Manufakturwaren. © Barker

Ketsch. Rainer Wedler ist ein Beziehungsmensch. Ehemals Lehrer im Fach Geschichte und Deutsch hält er noch immer Kontakt zu einigen Schülern, Lehrern und Vorgesetzten. Und so fiel am Donnerstagabend, als der vielfach ausgezeichnete Autor – zuletzt mit dem Preis der Vontobel-Stiftung Zürich – seinen neuen Lyrikband vorstellte, immer wieder das verbindende Wort „Gauß-Gymnasium“, was im Umkehrschluss nicht heißen soll, dass nicht auch viele Nicht-Gaußianer gekommen waren.

Das Ladengeschäft Buch und Manufakturwaren war gut besucht, und als Rainer Wedler ans Rednerpult trat, richteten sich erwartungsvolle Blicke auf ihn. Neue Gedichte also, „Was sind wir mehr als Buchstaben“, erschienen im Ludwigsburger Pop-Verlag. Der Titel, s betont der Autor selbst, sei eine Frage, auf die es keine wirkliche Antwort gebe, die Gedichte Versuche, ja, so könne man es nennen.

Rainer Wedler in Ketsch: Emotionen besser verstehen

Eine bemerkenswerte Offenheit, die hineinzog in einen Abend, dessen einführende Worte Sandra Schuppert sprach. Die Literaturwissenschaftlerin befragte dazu die Künstliche Intelligenz, warum man heute noch Lyrik lesen solle.

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Gedichte, so die Antwort, könnten helfen, eigene und fremde Emotionen besser zu verstehen, sie seien von sprachlicher Schönheit und geprägt vom Spiel mit Worten und Klängen. Gedichte entwickelten die eigene, unverwechselbare Stimme beim Schreibenden, Lyrik sei Teil von kulturellen Identitäten und nicht zuletzt eine Anregung zum kritischen Denken.

Schuppert bescheinigte Rainer Wedler, von dem bereits 28 Titel erschienen, eine unbestrittene Intimität, er lasse in Kopf und Herz schauen, berücksichtige man Blut, Schweiß und Tränen, die dies im Vorfeld mit sich bringe. Wedler stelle um, er kürze, er streiche und dies immer mit dem Bleistift. Er sei ein Meister der Reduktion und ein Feind jeglichen Geschwätzes, ein Spieler, der jongliere mit Sprache, den Wörtern.

Rainer Wedler in Ketsch: „Die unbefleckte Wahrheit“

Wedler las gut eine Stunde, in einzelnen Blöcken, musikalisch begleitet von Charlotte Steinberg am Keyboard, mit Werken von Mendelssohn, Debussy, Scarlatti und Skrjabin, die auch gedanklich den Anschluss an die Gedichte suchten. Er nahm mit auf einen lyrischen Streifzug, behandelte Themen, die ihn von jeher umtreiben, die er weiterentwickelt, so lange, bis ein neuer Blickwinkel, eine neue Perspektive offenbar wird.

„Meine Liebe zu den Wörtern“ heißt ein Gedicht („zur Lust verdrehe ich/die Wörter/jongliere/bleibe nicht auf dem Boden“) oder „Die unbefleckte Wahrheit“, bei der Wedler zu der Schlussfolgerung kommt, dass sie ein Phänomen bleibe. Es geht um Beziehungen: zu sich selbst, („oft schon/hab ich mich eingeladen/zu mir/auf ein Glas Wein/bitte keine Geschenke“), zu Frauen („komm/weil du so verrückt bist“) oder Freunden wie „Detlev“, der mit dem Satz verabschiedet wird „und überhaupt/du brauchst mich nicht mehr anzurufen“. Und manchmal, da geht es auch darum, was versäumt wurde („warum hab ich die Verzeihung hinausgeschoben/über das Grab?/schuldig bin ich im Zuspät“).

Rainer Wedler in Ketsch: Zeit als Schwierigkeitselement

Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit. Die Zeit, sie ist für Wedler nicht stabil, ein Schwierigkeitselement, das er nutzt, um Geschichte zu kommentieren. Mit dem Satz „ich wäre oft froh/kein Deutscher zu sein“, dem kritischen Gedicht „Blut und Boden“ und dem, was „später“ kam, als die Besatzer da waren, „Amis eben“, und „am Horizont die Ahnung einer neuen Zeit“.

Ein Teil der Gedichte wurde dabei von Skulpturen inspiriert, die Rainer Wedler aus Fundstücken, den sogenannten „Objets trouvés et transformés“, gestaltet hat. Die Skulpturen wurden ausgestellt, traten jedoch bedauerlicherweise, da angeordnet in einem Regal, in den Hintergrund, sodass ihnen nicht die Aufmerksamkeit zuteil wurde, die sie verdient hätten.

Nichtsdestotrotz: Kräftigen Applaus gab es am Ende, aufrichtig der Dank an Inhaberin Gabriele Hönig und lange die Schlange derer, die sich das Buch vom Autor signieren lassen wollten.

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