Im Porträt

Elisabeth Schleicher ist mit 105 Jahren älteste Ketscherin

Elisabeth Schleicher, die im Februar 1918 geboren ist, ernährt sich nach wie vor gesund, baut eigenes Obst sowie Gemüse an und backt ihr eigenes Brot.

Von 
Caroline Scholl
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Eine Hundertjährige ist Elisabeth Schleicher bereits seit fünf Jahren – und somit auch die älteste Bürgerin der Gemeinde Ketsch. Zum Geburtstag erzählt die rüstige Seniorin aus ihrem Leben. © SCHOLL

Ketsch. Wenn man in die Geschichtsbücher schaut, so war Deutschland an jenem Tag im Februar 1918, als Elisabeth Müller das Licht der Welt in Schwetzingen erblickte, noch ein Kaiserreich und der Erste Weltkrieg im Gange. „Mein Vater fiel im Krieg, als ich gerade mal ein Viertel Jahr alt war. Dann heiratete meine Mutter wieder und ich bekam noch einen Bruder und eine Schwester“, erzählt die in allen Belangen noch völlig fitte Seniorin beim Besuch der Schwetzinger Zeitung anlässlich ihres 105. Geburtstages.

Dass sie damals in der Nähe des Leimbaches bei ihrem Großvater wohnte, der im Deutsch-Französischen Krieg 1870 ein Bein verloren hatte, und als älteste Enkelin damals mit auf seinem Dreirad fahren durfte, erinnert sie sich noch genauso gut wie den Tag 1923, an dem die Inflation die damaligen Mark derart entwertet, dass ihr als Fünfjährige beim Bäcker am alten Messplatz das Geld für die Brötchen nicht reichte.

„Wenn ich heute wieder etwas von Inflation höre, denke ich nur, das hatte ich schon mehrfach in meinem Leben, aber es ging irgendwie immer weiter“, führt sie aus. Bescheiden sei sie stets gewesen – und das betont sie deutlich – immer mit allem so zufrieden, wie es eben war.

Im Textilverkauf bei Bender in Schwetzingen

„Ich habe nach der Volksschule Schneiderin gelernt und später im Textilverkauf bei der Firma Bender in Schwetzingen gearbeitet, dort war ich über 30 Jahre tätig“, sagt die 105-Jährige. Ihren Mann Walter habe sie 1941 geheiratet, obwohl sie sich schon vorher kannten. Er habe damals oft Freunde am Leimbach in der Nachbarschaft besucht und so habe man sich näher kennengelernt.

Und einen Führerschein hatte Walter auch: „Der hat damals 7,50 Mark gekostet, aber bis zum ersten eigenen Auto, da vergingen noch einige Jahre“, erzählt sie. „Ich wollte einfach nicht heiraten und mein Mann zieht in den Krieg. Vielleicht war dies so wegen meines Vaters. Walter wurde 1939 eingezogen. Als er aus dem Kriegsdienst entlassen wurde, haben wir im September 1941 geheiratet. Er wurde dann nochmals einberufen, war aber zum Kriegsende bereits wieder in Deutschland. 1945 kam unsere Tochter Charlotte und 1949 unsere Tochter Gabriele, die leider inzwischen bereits verstorben ist, zur Welt. Mit meinem Mann war ich 54 Jahre verheiratet“, erklärt Elisabeth Schleicher.

Älteste Ketscherin hat elf Urenkelkinder

Fünf Enkelkinder und elf Urenkel, von denen der älteste 21 Jahre und die Jüngste sechs Jahre alt ist, gehören zur großen Familie. Die allermeisten Familienmitglieder leben in Ketsch und Umgebung und man sehe sich sehr oft, nur ein Enkel wohnt in den USA, doch in einem Flugzeug, da habe sie nie gesessen, was für sie jedoch keineswegs ein Manko darstellt: „Es war eben nie so und so ist es doch okay.“

Seit 1984 lebt Elisabeth Schleicher in Ketsch und, so betont es die älteste Ketscherin, sie fühle sich in der Enderlegemeinde sehr wohl. Dass schon jemand in der Familie ein so hohes Alter erreicht habe, das wisse sie nicht, allerdings war ihr Großvater, als er 1923 verstarb, auch schon 70 Jahre alt, was damals durchaus ein hohes Alter war. „Viele fragen mich, was ich besonderes mache, um so gut so alt zu werden, aber ich kann dazu nur sagen: Ich habe immer sparsam gelebt, immer was geschafft und war immer zufrieden. Ich koche mir jeden Tag frisch, baue im Garten noch Obst und Gemüse an und backe mein Brot selbst. So bin ich das gewohnt. Dazu kommt, dass ich mich immer viel bewege. Zum 105. Geburtstag habe ich mir einen Schrittzähler gewünscht und der zeigte neulich 6000 Schritte an, als ich meine Einkaufsrunde durch Ketsch machte. Dazu kommen noch alle Schritte, die ich im Haus und Garten laufe. Das hält fit. Ich bin lange noch zur Frauengymnastik, die meine Tochter Gabriele unterrichtete, gegangen und zu meinem 100. Geburtstag bekam ich noch eine Jahreskarte für das Schwimmbad. Doch mittlerweile ist mir das Wasser dort etwas zu kalt. Schwimmen habe ich übrigens im Leimbach gelernt. Dann gab es in Schwetzingen früher das Heringsbad, das kostete 10 Pfennig Eintritt, dafür hat man schon mal die Mama angebettelt und im Haushalt noch extra etwas erledigt. Das Fahrradfahren allerdings habe ich aufgegeben, als ich 102 war“, erzählt die Seniorin eifrig und ohne lange überlegen zu müssen.

Socken werden selbst gestrickt

„Natürlich haben sich die Zeiten geändert, wissen Sie, ich bin in einer Zeit aufgewachsen, da hatte man noch selbst Ziegen, Schweine und Gänse. Gewaschen wurde die Wäsche mit der Hand, zerrissene Kleidung wurde ausgebessert, anstatt weggeworfen und Socken strickte man selbstverständlich selbst. Dies mache ich übrigens noch immer sehr gern, das ist besser als fernsehen“, bekräftigt die Hochbetagte und zeigt direkt ihr Strickzeug.

„Das hat man damals in der Schule gelernt. Als mein Enkel fragte, ob ich nicht einen Computer wolle, sagte ich ihm: Entweder ich sitze am Computer oder ich stricke Socken, beides gleichzeitig geht nicht“, lacht Elisabeth Schleicher.

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Auch habe sie immer einen Plan, was sie an einem Tag alles erledigen möchte. „Ich koche und um Punkt 12 Uhr gibt es Essen. Solange alles geht, mache ich es. Kochen und Backen gehört dazu und ich freue mich, wenn die Familie zum Essen zusammenkommt. Mir schmeckt eigentlich alles, aber die Familie mag Dampfnudeln besonders gern, und die mache ich immer mit Kartoffelsuppe“, lässt die 105-Jährige wissen.

Auf die Frage, auf welche technische Errungenschaft der vergangenen 100 Jahre sie heute nicht mehr verzichten wolle, hat sie eine klare Antwort: „Ich kam mit und ohne vieles immer zu seiner Zeit zurecht, aber eine Waschmaschine erleichtert schon sehr.“

Freie Autorin Freie Journalistin für die Region Rhein-Neckar

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