Energieeffizienz

Gebäudeanalyse in Ketsch: Thermografie für Klimaschutz

Die MVV-Tochter Climap informiert beim Ketscher Wochenmarkt über eine innovative Technik, bei der eine Wärmebildkamera Lücken bei der Energieeffizienz von Häusern aufdeckt.

Von 
Benjamin Jungbluth
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Blick durch die Thermografiekamera auf den Ketscher Wochenmarkt: Rote Stellen sind – in diesem Fall durch die Sonne – wärmer, grüne und blaue hingegen kühler. © Benjamin Jungbluth

Ketsch. Es braucht nur ein paar Sekunden Einschaltzeit, dann zeigt das große Display auf Nico Refferts Spezialkamera den Ketscher Wochenmarkt auf ungewöhnliche Weise: Der Pfälzer Dampfnudelstand ist leuchtend rot zu erkennen, ebenso das von der Mittagssonne aufgeheizte Dach der Fahrradständer nebenan. „Je rötlicher die Stelle, desto höher ist die dort gemessene Temperatur, während grüne und blaue Flächen kältere Bereiche zeigen. Tagsüber und bei Sonne ist das natürlich nicht sehr aussagekräftig, aber nachts im Winter lässt sich auf diese Weise gut erkennen, wo bei Gebäuden energetische Schwachstellen sind und viel Heizwärme verloren geht“, erklärt Nico Reffert.

Der gebürtige Brühler ist Energieberater bei der MVV Regioplan, einem Tochterunternehmen des Mannheimer Energieversorgers, und an diesem Tag für das wiederum dort angegliederte Unternehmen Climap auf dem Ketscher Marktplatz im Einsatz.

Mit Flugzeugen und Luftschiffen: Climap präsentiert in Ketsch hochpräzises Verfahren

Dessen junges Team hat mit einer innovativen Idee ein neues Geschäftsfeld für die MVV aufgetan: Mit teils selbstentwickelter Technik erfasst Climap den Gebäudebestand von ganzen Gemeinden und Städten mit hochpräzisen Thermografiekameras. Die mit speziell umgebauten Autos, aber auch mit kleinen Flugzeugen und sogar Luftschiffen aufgenommenen Wärmebilder zeigen selbst Laien recht anschaulich, wo energetische Schwachstellen an Gebäuden versteckt sind.

Ketsch ist dabei eine Kommune in der Region, die mit Climap eine Kooperation eingegangen ist, um den eigenen Bürgern eine erste Hilfestellung beim Thema energetische Sanierung zu bieten. „Wir haben zusammen mit unseren beteiligten Nachbarkommunen einmalig die Kosten für unsere Gesamterfassung bezahlt, sodass unsere Bürger jetzt zu einem vergünstigten Preis die individuelle Auswertung für ihr Eigenheim anfordern können. Dadurch erhoffen wir uns, dass möglichst viele Ketscher das Thema für sich angehen und somit ganz konkret etwas für den Klimaschutz tun“, erklärt die kommunale Klimaschutzmanagerin Julia Berberig, die die Aktion im Rathaus koordiniert.

Ketschs Klimaschutzmanagerin Julia Berberig und Nico Reffert von der MVV Regioplan informieren auf dem Marktplatz über die Climap-Aktion für Bürger der Enderlegemeinde. © Benjamin Jungbluth

Die allgemeine Wärmebildkarte für Ketsch wurde am 11. März 2023 mit einem kleinen Flugzeug aus 800 Metern Höhe aufgenommen und ist online unter www.climap.de öffentlich einsehbar. Allerdings handelt es sich dabei nur um eine ganz grobe Orientierung, wie Mara Kutal vom Climap-Team erläutert.

Auch der Datenschutz ist bei dem in Ketsch verfügbaren Angebot abgesichert

„Die einzelnen Straßen und Bereiche sind wolkenartig aufbereitet, damit der Datenschutz sichergestellt ist. Ich kann also ganz bewusst nicht erkennen, wie etwa das Haus meines Nachbarn abschneidet. Die präzisen Informationen kann immer nur der jeweilige Eigentümer für sein eigenes Gebäude bei uns anfordern“, so Kutal.

Dieser sogenannte Energiebericht kostet für Ketscher 59,50 Euro, ist online sofort verfügbar und umfasst unter anderem drei bis vier Detailaufnahmen, die von der Straßenseite aufgenommen worden sind. Zwischen dem 19. Dezember 2022 und dem 17. Januar 2023 war dafür ein mit Kameras ausgestattetes Auto von Climap im gesamten Ortsgebiet unterwegs. „Wo Bilder von der Straße aus nicht möglich waren, kommen wir auf Anfrage natürlich noch einmal mit einer mobilen Kamera extra vorbei“, versichert Kutal.

Energiebericht von Climap

Climap ist ein an die MVV Energie AG angeschlossenes Start-up, das seit rund drei Jahren ein spezielles Thermografieverfahren entwickelt und vermarktet, um stadtweit Gebäude auf Wärmeverluste hin zu analysieren und individuelle Energieberichte zu erstellen.

Neben Ketsch sind in der Region auch Schwetzingen, Brühl, Plankstadt, Oftersheim und Eppelheim an einer Kooperation beteiligt. Für 59,50 Euro können Bürger der jeweiligen Kommunen den Energiebericht vergünstigt erwerben.

Thermografieaufnahmen vom eigenen Gebäude bieten auch andere Dienstleister an, unter anderem die AVR Energie. Eine Kooperation mit Kommunen in der Region besteht hier aber bislang nicht.

Durch den Energiebericht sollen exemplarische Schwachstellen aufgezeigt und ein Vergleich zum restlichen Gebäudebestand in Ketsch und ganz Deutschland möglich werden. Der Bericht enthält außerdem weitere Auswertungen, für die Climap zusätzlich auf öffentlich zugängliche Daten der Gemeinde und des Landes zurückgreift. Auch Künstliche Intelligenz soll nach Angaben des Unternehmens zum Einsatz kommen, die eine automatisierte Erkennung und Bewertung von Wärmeverlusten erlaubt.

Photovoltaik- und Solarthermie: Wo können sich Ketscher Gebäude upgraden?

Mit all diesen Daten erhalten die Eigentümer also erste Anhaltspunkte, wie es um ihr Haus steht und was mögliche konkrete Schritte bei einer Sanierung von Fassade, Dach oder Fenstern sein könnten. Zusätzlich nennt Climap Ansprechpartner für Rückfragen und das weitere Vorgehen – auch ein für viele Förderprogramme verpflichtender „Individueller Sanierungsfahrplan“ kann über das MVV-Unternehmen beauftragt werden. Dabei wird dann zusätzlich die Haustechnik – also die Heizung sowie potenzielle Photovoltaik- und Solarthermieanlagen – in den Blick genommen.

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„Auch wir als Gemeinde nutzen die von Climap erhobenen Daten, um unsere kommunalen Liegenschaften genauer analysieren zu können. Denn natürlich haben auch wir einigen Handlungsbedarf“, kündigt Klimaschutzmanagerin Berberig an. „Insofern lohnt sich die kommunale Investition in das Projekt gleich doppelt.“

Die Ketscher Bevölkerung zeigt zunächst großes Interesse an der Wärmeanalyse

Welche Kosten der Gemeinde durch die Kooperation mit Climap entstanden sind, will die Verwaltung allerdings nicht öffentlich machen. Das Interesse der Bevölkerung ist an diesem Markttag zunächst recht groß, erst gegen Nachmittag kommt etwas Flaute am Stand vor den Banken auf.

„Neun Ketscher haben heute einen Energiebericht gebucht, insgesamt liegen wir damit jetzt seit dem Start der Aktion im vergangenen Sommer bei 36 Gebäuden. In Brühl, wo die Aktion als Pilotprojekt bereits 2020 gestartet ist, haben wir bislang über 140 Berichte erstellt“, erklärt Nico Reffert. „Mit dieser Größenordnung rechnen wir langfristig auch in der Enderlegemeinde.“

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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