Friedhof

Gedenkstunde zum Volkstrauertag in Ketsch: „Wann wird man je verstehen?“

Bei der Gedenkstunde zum Volkstrauertag in Ketsch erinnerten Volksbund, VdK und Gemeinde an Kriegsopfer. Jugendliche thematisierten in beeindruckenden Worten die Bedeutung des Friedens. Bürgermeister Wangler betonte die aktuelle Relevanz des Gedenkens.

Von 
Volker Widdrat
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Gedenkstunde am Vorabend des Volkstrauertags mit Kranzniederlegung. Drei Kränze wurden am Ehrenmal niedergelegt. Die Freiwillige Feuerwehr Ketsch hält mit Fackelträgern die Totenwache. © Andreas Gieser

Ketsch. Bei der Gedenkstunde am Vorabend des Volkstrauertages erinnerten der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Sozialverband VdK und die Gemeinde auf dem Friedhof an die Kriegstoten und die Opfer von Gewaltherrschaft. Die Feier in der Trauerhalle am Samstagabend wurde begleitet vom Musikverein 1929 und dem Gesangverein Sängereinheit. Die Schüler Blinera Elshani, Maram El Hasasan, Necati Göc, Hanna Gantner, Ayat Hasan, Anna Maria Merkel, Fjolarba Pacolli und Alessia Trautenberger der Klassen 9a und 9b der Neurott-Gemeinschaftsschule hatten sich unter Anleitung ihrer Lehrer Désirée Reidel und Christian Berberich Gedanken gemacht zum Volkstrauertag. In Erinnerung an die, „die ihr Leben gelassen haben oder ihr Leben lang unter den Auswirkungen des Krieges litten und es bis heute tun. Eine für uns unvorstellbare Situation, der wir durch den Krieg in der Ukraine und den Krieg in Nahost wieder so nah wie lange nicht mehr sind“.

John Lennon singt in seinem Lied „Imagine“ von 1971 „Imagine all the people, living life in Peace“, stell dir all die Menschen vor, wie sie ihr Leben in Frieden leben: „Das sollten wir für die Zukunft lernen: Ein friedvolles Leben zu führen.“ Die Jugendlichen skizzierten die Geschichte des Volkstrauertages, der durch den 1919 gegründeten Volksbund zum Gedenken an die Kriegstoten des Ersten Weltkrieges eingeführt worden war.

Alessia, Schülerin der Neurottschule, mit Gedanken über Krieg und Tod. © Andreas Gieser

Die erste offizielle Feierstunde fand 1922 im Deutschen Reichstag in Berlin statt. 1934 bestimmte das nationalsozialistische Regime den Volkstrauertag zum Staatsfeiertag und „Heldengedenktag“. Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland erinnert der Volksbund an den Volkstrauertag. 1950 wurde er erstmals mit einer Feierstunde im Plenarsaal des Deutschen Bundestages begangen.

Es folgten die Strophen des Gedichts „Zum Volkstrauertag“ von Hubert Janssen: „Wir stehn am Ehrenmal, um derer zu gedenken, die Opfer wurden von Gewalt und Krieg, um Herz und Sinn auf Frieden hinzulenken: wann endlich werden Hass und Krieg besiegt?“.

Volkstrauertag in Ketsch: Waffenschmieden bringt nichts

Schülerin Alessia Trautenberger berichtete von ihrer Oma, die ihr oft von dem Lied „Sag’ mir, wo die Blumen sind“ erzählt habe. Das Lied wurde 1955 von dem Amerikaner Pete Seeger geschrieben, wurde ins Deutsche übersetzt: „Und ist auch jetzt noch aktuell. Denn auch wenn sich vieles verändert hat, ist das Thema Krieg gerade jetzt erstmals auch wieder in Europa richtig präsent. Ich denke, viele von uns werden sich genau dieselben Fragen stellen wie Pete Seeger: Wann wird man je verstehen?“ Der Liedtext „Wann ist denn endlich Frieden“ von Wolf Biermann beschloss die beeindruckenden Ausführungen der Neuntklässler. „Wann ist denn endlich Frieden in dieser irren Zeit? Das große Waffenschmieden bringt nichts als großes Leid“, fragt der 1936 geborene Liedermacher und Lyriker.

Volkstrauertag in Ketsch: Frieden zerbrechliches Gut

Der Musikverein brachte das Sanctus „Heilig, heilig“ von Franz Schubert zu Gehör. „Geh im Frieden des Herrn“ sang der Chor.

Bürgermeister Timo Wangler begann seine Ansprache an die Bürgerinnen und Bürger mit der Mahnung, „beständig daran zu erinnern, wie wichtig Frieden für uns alle ist. Denn dieses wertvolle Gut ist sehr zerbrechlich und wird leider immer wieder gegen Hass und Gewalt eingetauscht“.

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Die aktuellen Ereignisse in Israel und im Gazastreifen zeigten dies überdeutlich. An diesem Samstagabend erlebe man bereits den zweiten Volkstrauertag in Zeiten eines blutigen Krieges in der Ukraine.

„Warum lernen wir Menschen nicht aus den Fehlern der Geschichte?“, fragte Wangler. Der Zeitraum des schrecklichen Geschehens der Weltkriege gehöre für die meisten zu einer fernen Vergangenheit. Umso wichtiger sei es, sich die Geschichte immer wieder vor Augen zu führen und „zu erkennen, wie bedeutend es ist, sich konsequent für den Frieden einzusetzen. Mit diesem Gedenktag verleihen wir der Abkehr von Gewalt und Hass Ausdruck. Er ist ebenfalls der Ausdruck von Anteilnahme mit allen, die Leid tragen und um die Toten trauern“.

Volkstrauertag in Ketsch: „Wir dürfen nicht wegsehen“

Man denke an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, die zivilen Kriegsopfer, die Opfer von Massakern, an die Toten der Diktaturen, an persönliche Schicksale in abstrakten Kämpfen um Staatsinteressen, in Glaubenskriegen, in Schlachten politischer Ideologien. „Wir dürfen nicht wegsehen, sondern müssen unsere Stimme erheben und uns für eine friedliche Lösung von Konflikten einsetzen. In unserer globalisierten Welt sind wir alle miteinander verbunden. Daher tragen wir eine Verantwortung für den Erhalt des Friedens und die Bewahrung der Menschenwürde“, appellierte Wangler an die Menschen in der Trauerhalle.

Das Innehalten am Volkstrauertag sei umso wichtiger, wenn man sich vor Augen halte, wie sich die Welt heute darstelle: Die Kämpfe in der Ukraine, der seit Jahren anhaltende blutige Bürgerkrieg in Syrien, die militärische Eskalation im Gazastreifen und die Schreckensherrschaft der Taliban in Afghanistan seien nur die hervorstechendsten Beispiele „einer Welt, in der nach wie vor viel zu viele Menschen Opfer von Krieg, Terror und Blutvergießen sind“.

Bürgermeister Timo Wangler gedenkt den Toten während der Gedenkstunde. © Andreas Gieser

Es sei unsere Verantwortung, sich für eine friedliche Lösung von Konflikten einzusetzen. Nur durch eine konstruktive Zusammenarbeit ließen sich Wege zum Frieden ebnen: „Es liegt in unserer Hand, die Welt zum Besseren zu verändern. Jede Stimme zählt, und wir sollten sie nutzen, um für eine Welt einzustehen, in der Frieden und Freiheit für alle Menschen Realität sind.“

Abschließend lud der Bürgermeister dazu ein, gemeinsam innezuhalten und durch eine Schweigeminute diejenigen zu ehren und zu würdigen, die ihr Leben im Krieg verloren haben. Die Sängereinheit sang „Frieden sei dieser Welt beschieden“. Der Musikverein spielte das Stück „Abide with me“.

Unter den Klängen des Trauermarsches begaben sich die Teilnehmer zum Ehrenmal. Der Weg von der Totenhalle bis zur Gedenkstätte wurde wie immer von Fackelträgern der Freiwilligen Feuerwehr beleuchtet. Der Musikverein spielte das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“.

Bürgermeister Timo Wangler und der stellvertretende Vorsitzende des VdK Ketsch, Michael Rößler, legten Kränze nieder und verneigten sich in stillem Gedenken.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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