Ketsch. „Heute war immerhin mal einiges los“, schloss Bürgermeister Timo Wangler die öffentliche Oktobersitzung des Gemeinderats – herauszuhören war dabei eine leichte Prise an Galgenhumor. Denn das Gemeindeoberhaupt musste seine Räte in einem intensiven, fast dreistündigen Plenum mehrfach zur Räson ermahnen, da bei einigen Tagesordnungspunkten rege Diskussionen aufkamen.
Vor allem bei zwei thematisch zusammenhängenden Punkten neun und zehn, die sich mit der Erhebung der Grund- und Gewerbesteuer befassten. Da diese aufgrund des neuen Landesgrundsteuergesetz ab 2025 einem neuen Veranlagungsmodell unterliegt, sollte der Rat in Punkt zehn eine neue Satzung beschließen. Die AfD-Fraktion hatte diesbezüglich einen Antrag eingereicht, nachdem die neue Grundsteuer ab 2025 seitens der Gemeinde „aufkommensneutral justiert“ werden sollte.
Grundsteuerreform bringt auch für Ketsch einige Änderungen
Um die Zusammenhänge zwischen den beiden Punkten herzustellen, muss zunächst ein Blick in die Änderungen der Berechnungsgrundlage im neuen Veranlagungsmodell geworfen werden: Um den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden, führt das Land Baden-Württemberg eine Reform des Grundsteuergesetzes durch, die einige Änderungen mit sich bringt.
Die Grundsteuer wird zukünftig auf Basis einer Neubewertung der Grundstücke berechnet, die alle sieben Jahre erfolgen soll. Anstelle der bisherigen Einheitswerte werden nun die Grundstücksfläche, die Art der Nutzung – wie beispielsweise Wohn- oder Gewerbeimmobilien – und die Bodenrichtwerte berücksichtigt.
Gleichzeitig wird den Kommunen ein gewisser Spielraum bezüglich der Hebesätze gewährt, was zu unterschiedlichen Werten in den Gemeinden und Städten führen kann. Eben über jenen Hebesatz, den die Verwaltung errechnet hatte, sollte das Gremium in der Oktobersitzung abstimmen.
Be- und Entlastung der neuen Grundsteuer betrifft jeweils Hälfte der Ketscher Grundstücke
Das neue Veranlagungsmodell zielt darauf ab, die Grundsteuer gerechter und transparenter zu gestalten. Dabei kommt es zu gewissen Belastungsverschiebungen zwischen den Grundstückarten. In der Beschlussvorlage der Verwaltung sind hierzu drei essenzielle Änderungen festgehalten. Die Verschiebung wird zugunsten von Gewerbegrundstücken und zulasten von Wohngrundstücken erfolgen und für unbebaute Grundstücke wird sich die Grundsteuer ebenfalls erhöhen. Einfamilienhäuser mit großem Grundstück werden eine höhere Belastung haben, während sich die Verschiebungen zugunsten von Wohneinheiten auswirkt. Nach vorläufiger Auswertung durch die Gemeinde, wird zirka die Hälfte der Grundstücke entlastet und die andere Hälfte belastet.
Diese Verschiebungen sind nun Anlass für den von der AfD-Fraktion eingereichten Antrag, der sich in zwei Punkte aufteilte und über den das Gremium entscheiden sollte. Punkt eins forderte die Gemeinde dazu auf, die Hebesätze so zu senken, „dass in der Summe das neue Grundsteueraufkommen ab 2025 gemäß der Vorgaben des Bundesministerium der Finanzen neutral bleibt und zu keiner Steuererhöhung in der Summe führt“. Im zweiten Punkt hieß es: „Die Gemeindeverwaltung wird aufgefordert, bei der Änderung der Hebesätze darauf zu achten, dass soziale Härten und enteignungsgleiche Eingriffe – wie eine Erhöhung der Grundsteuer um mehrere hundert Prozent – ausgeschlossen sind. Der Gemeinderat fordert die Landesregierung auf, die Sozialverträglichkeit der Gesetzgebung im Bereich der Grundsteuer zu gewährleisten.“ Dieser zweite Punkte wurde noch recht kurzfristig seitens der AfD abgeändert und hatte ursprünglich eine Deckelung von 25 Prozent vorgesehen.
AfD-Rat Thorsten Naujoks gab hierzu zunächst eine Erläuterung: „Das Thema ist sehr brisant und grundsätzlich ist die AfD daran interessiert, die Grundsteuer abzuschaffen. Nun werden Hebesätze erhoben, die zur finanziellen Gesundung der Gemeinde beitragen sollen und es gibt Härtefälle die eine Erhöhung von 100 Prozent oder mehr haben werden. Wir sind mit dem Vorschlag der Gemeinde nicht einverstanden und weisen auf das Transparenzregister des Landes zur Anpassung der Hebesätze hin.“ In der eingereichten Antragsbegründung heißt es außerdem, dass die „Angst bei Haus- und Wohnungsbesitzern groß ist, durch die neue Grundsteuerreform ab 2025 eine weitaus höhere Grundsteuer bezahlen zu müssen als bisher“.
Zustimmung zu AfD-Antrag würde Verlust von 1,8 Millionen Euro für Ketsch bedeuten
Bevor die Fraktionen Stellung bezogen, ergriff Bürgermeister Wangler das Wort: „Wir können wegen der aktuellen Haushaltslage nicht auf diese Einnahmen verzichten. Wir haben den Antrag durchsimuliert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir bei Zustimmung auf 1,8 Millionen Euro verzichten müssten. Die Verwaltung wird dem Antrag daher aus Finanznot nicht zustimmen. Wir müssen uns an das Landesgesetz halten und bleiben bei unserem vorgeschlagenen Hebesatz von 190 von Hundert.“
Mit den Stellungnahmen der Fraktionen entfachte dann eine größere Diskussion. Rainer Fuchs von der CDU betonte, dass seine Fraktion allein schon aufgrund der Mindereinnahmen nicht zustimmen werde und wie darauf hin, dass die erwähnte Absicht der AfD, die Grundsteuer abzuschaffen, nicht in den Ketscher Gemeinderat gehöre. SPD-Rat Tarek Badr wurde in seinen Ausführungen schon deutlicher: „Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Die Umstellung auf einen unbestimmten Antrag in Punkt zwei ist für mich ein reiner Taschenspielertrick, weil beides auf das Gleiche hinausläuft. Wir haben nur die eine Stellschraube beim Hebesatz und wir können diesen nur heben oder senken und nicht unterschiedliche aufrufen. Der ganze Antrag erscheint uns unlogisch und widersprüchlich – wir werden ihn ablehnen.“
Auch für die Freien Wähler war der Antrag nicht nachvollziehbar, wie Heino Völker beschrieb: „Ganz in AfD-Manier wird ein optisch ansprechender Vorschlag eingebracht, doch wo sollen die dann fehlenden Einnahmen herkommen? Wir als Gemeinderat und auch die Verwaltung sitzen fiskalisch nun mal am unteren Ende der Nahrungskette, sind praktisch ,Plankton’. Der Antrag scheint unter dem Credo ,Wir wollen euch etwas Gutes tun, man lässt uns aber nicht’ zu laufen. Wir stimmen nicht zu.“
Ketscher Gemeinderat der Grünen nimmt AfD-Antrag mit Humor
Günter Martin von den Grünen nahm den Vorschlag zunächst mit Humor, Steuern abzuschaffen wäre natürlich ganz toll. Doch er ergänzte: „Als Alt-Ketscher leiste ich die Grundsteuer sehr gerne. Es ist nur gerecht, dass nun Altgrundbesitzer genauso viel zahlen müssen wie Neuzugezogene. Wir schließen uns den Vorrednern an und stimmen nicht zu.“
FDP-Rat Chris Brocke betonte, dass die Umsetzung des Antrages nicht fair gegenüber neuen Grundstückseigentümern sei und dass es vor allem auch nicht die Aufgabe der Verwaltung sei, etwas von der Landesregierung zu fordern.
Mit dem Ende der Stellungnahmen wurde die Diskussion dann hitziger. AfD-Rat Naujoks reagierte auf die Ausführungen mit dem Wunsch nach mehr Konstruktivität. „Wer damals gebaut hat, der hat jetzt eine große Last und wer neu baut, der baut groß und vermietet oft noch. Es war damit zu rechnen, dass unser Antrag auf Ablehnung stoßen wird, doch ich bin erschüttert, wie sehr die Parteipolitik in den Stellungnahmen herauskommt.“
Parteipolitischer Aspekt: Ketscher Bürgermeister weist auf Ursprung hin
Daraufhin schaltete sich Wangler ein und betonte, dass der parteipolitische Aspekt von der AfD-Fraktion selbst als erstes eingebracht wurde. Naujoks forderte anschließend Einsicht in die Daten, mit denen die Verwaltung den Antrag durchsimuliert hatte, woraufhin der Bürgermeister klarstellte, dass er nichts behaupten würde, ohne dieses auch belegen zu können und versprach, den Gremiumsmitgliedern die Werte, sobald diese entsprechend des Datenschutzes bearbeitet wurden, zukommen zu lassen.
Bevor es letztlich zur Beschlussfassung kommen konnte, gab es noch zahlreiche Wortmeldungen. So äußerten sich sowohl Rainer Fuchs (CDU) als auch Tarek Badr (SPD) zum Vorwurf, parteipolitische Gründe aufgeführt zu haben. „Das hat nichts mit parteipolitisch zu tun. Wir haben schon immer blödsinnige Anträge abgelehnt. Dass sich die AfD jetzt in der Opferrolle sieht, ist hingegen parteipolitisch“, so Badr.
Mehrheit des Ketscher Rates stimmt gegen den AfD-Antrag
Nachdem Bürgermeister Wangler mehrfach spontane Wortmeldungen unterbinden musste, mahnte er noch zur Sachlichkeit und zum Verzicht auf Emotionalität. Letztendlich erhielt der erste Punkt des AfD-Antrags drei Pro-Stimmen bei einer Enthaltung und Punkt zwei wurde von zwei Räten zugestimmt bei einer Enthaltung. Damit war der Antrag der AfD abgelehnt.
Nachdem die Thematik bei Tagesordnungspunkt neun ausgiebig diskutiert wurde, folgten für Punkt zehn noch die Ausführungen von Kämmerer Gerd Pfister zu den Änderungen der Grundsteuer. Der Beschlussvorlage der Verwaltung, den Hebesatz ab 2025 auf 190 pro Hundert zu setzen, wurde anschließend bei drei Gegenstimmen gefolgt.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/ketsch_artikel,-ketsch-grundsteuer-ketscher-gemeinderat-lehnt-afd-antrag-ab-_arid,2252295.html