Im Interview

Ketscher Gemeinderat Pascal Sagerer reagiert auf Leserbrief

Dem CDU-Gemeinderat Pascal Sagerer wurde im Zusammenhang mit der Dorfpride in Ketsch im Leserbrief vorgeworfen, den Eindruck erweckt zu haben, „Teil der Neonazi-Szene“ zu sein. Im Interview weist Sagerer die Vorwürfe zurück.

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Henrik Feth
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Knapp 1000 Menschen nahmen an der Dorfpride in Ketsch Anfang des Monats teil – die Demonstration der queeren Bewegung hat im Vorfeld und im Nachgang zu einige Diskussionen im Ort geführt. © Drees

Ketsch. Der 28-jährige Pascal Sagerer ist seit der Kommunalwahl im Juni Mitglied des Ketscher Gemeinderates und sitzt als Teil der CDU-Fraktion am Ratstisch. Nun, gut drei Monate nach seiner Wahl, wird dem Ketscher in dem Leserbrief mit dem Titel „Unvorsichtiges Auftreten“ in der Ausgabe dieser Zeitung vom Samstag, 21. September, vorgeworfen, sich bei seiner Teilnahme an der Dorfpride am 7. September, „das ein oder andere Missgeschick“ geleistet zu haben und „unabsichtlich den Eindruck erweckt“ zu haben, „Teil der Neonazi-Szene“ zu sein.

Der Verfasser des Leserbriefes zweifelt zudem Sagerers Qualifizierung als Gremiumsmitglied an: „Der ein oder andere Lapsus lässt mich als Bürger an seiner Eignung als Ratsmitglied zweifeln“, heißt es in dem Text.

Leserbrief Unvorsichtiges Auftreten

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Auf Nachfrage dieser Zeitung äußert sich der jüngste der neuen Gemeinderäte im Interview zu den Vorwürfen und erklärt seine Sicht der Abläufe. Währenddessen ließ auch seine Fraktion im Gemeinderat, die CDU, verlauten, dass sie sich geschlossen hinter ihr Mitglied stellt.

Herr Sagerer, wie haben Sie den Leserbrief bezüglich Ihrer Person aufgenommen?

Pascal Sagerer: Ich war schockiert und kann bis heute nicht den Zweck des Ganzen verstehen. Grundsätzlich bin ich Kritik gegenüber sehr offen, so lange sie auch konstruktiv ist. Im Leserbrief werden Dinge erwähnt, die schlichtweg nicht der Wahrheit entsprechen. Außerdem verstehe ich nicht, wieso der Verfasser – beispielsweise bei den Besucherfragen in der jüngsten Gemeinderatssitzung – nicht persönlich an mich herangetreten ist und diesen Weg gewählt hat. Daher habe ich mich auch entschieden, mich in diesem Interview zu den Vorwürfen zu äußern.

Im Leserbrief „Unvorsichtiges Auftreten“ heißt es: „Im Vorfeld der Veranstaltung verkündete Sagerer, dass er statt unter der Regenbogen- unter der Deutschlandfahne demonstrieren würde, für die Rechte aller Deutschen“. Stimmt das?

Pascal Sagerer: Nein, das stimmt in dieser Form nicht. Meines Wissens habe ich im Vorfeld der Dorfpride gar nichts zu der Veranstaltung gesagt. Ich war dort mit vier Freunden, weil wir alle voll und ganz hinter dem Kern der Veranstaltung, nämlich die Freiheit und Selbstbestimmung aller Menschen der Welt, stehen. Ich habe niemals gesagt, dass ich nur für die Rechte der Deutschen demonstrieren würde. Auch die Versammlungsfreiheit sehe ich als einen der wichtigsten Aspekte unseres Grundgesetzes. Ich war vorher noch nie bei einer Demonstration und im Nachgang der Dorfpride habe ich auf Facebook zum Ausdruck gebracht, dass ich für die Rechte aller Menschen bin. Ja, wir hatten eine Deutschland- sowie eine Ketschfahne dabei. Was daran falsch sein soll, ist mir ein Rätsel. Dass man mir vorwirft, ich würde nur für die Deutschen demonstrieren, ist absolut an den Haaren herbeigezogen.

Demonstration

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Also sind Sie nicht, wie im Leserbrief geschildert, „der Märchengeschichte aufgesessen, die Pride wolle irgendwelche Sonderrechte“?

Sagerer: Nein, natürlich nicht. Dass ich mich im Vorfeld nicht über die Dorfpride informiert hätte, ist ebenfalls schlichtweg falsch. Ich war beispielsweise bei der Dorfpride-Vorstellung der Organisatoren im Rathaus mit dabei und habe auch Fragen gestellt. Außerdem habe ich mich mit den unterschiedlichen Internetpräsenzen der Dorfpride – ob Facebookseite oder Homepage – intensiv auseinander gesetzt. Ich habe auch vorab den Organisatoren geschrieben, dass ich die Dorfpride als wichtig sehe. Dass mir im Nachgang nun vorgeworfen wird – nicht von den Organisatoren – dass ich in irgendeiner Weise gegen die Grundsätze der Dorfpride stehen würde, hat mich geschockt.

Es wird explizit erwähnt, „die Pride sagt also Freiheit für alle, Sagerer kritisiert dies und entgegnet mit Freiheit für Deutsche“. Das haben Sie bereits abgestritten, doch im gleichen Absatz wird Ihnen hinsichtlich benachteiligter Gruppen vorgeworfen in Ihren Wortmeldungen „Formulierungen und Kontexte, die Menschen mit rechtem Gedankengut gerne nutzen“ und zu verwenden. Können Sie sich das erklären?

Sagerer: Es ist unglaublich, dass mir in den Mund gelegt wird, ich würde die Freiheit aller Menschen kritisieren. Keiner Person oder Gruppe auf dieser Welt wünsche ich Unfreiheit. Außerdem weist der Verfasser darauf hin, dass ich mich zwar zum Feminismus bekennen, aber suggeriere, dass Frauen vor Minderheiten geschützt werden müssen, womit ich widerrum die in der Frage erwähnten Formulierungen rechten Gedankenguts streuen würde. Allein schon, dass der Verfasser hier keine konkreten Beispiele nennt, an welcher Stelle ich Vergleichbares gesagt oder geschrieben haben soll, zeigt die offensichtliche Lüge in dieser Aussage. Ich kenne ihn nicht, habe noch nie ein Wort mit ihm gewechselt und wie er auf solche Vorwürfe kommt, obwohl er noch nie mit mir gesprochen hat, ist mir schleierhaft. Was ist verwerflich, für die Rechte der Frauen zu demonstrieren? Das wird mir in diesem Leserbrief mit einem zugedichteten nicht der Wahrheit entsprechendem Zusatz vorgeworfen. Im Grunde macht doch der Verfasser selbst genau das, was er mir vorwirft. Er interpretiert, dass ich dazu aufrufe, Frauen vor Minderheiten zu schützen, was ich mit keinem einzigen Wort so gesagt habe. Also ist dieser Schluss im Kopf des Verfassers entstanden. Wie das dann zustande kommt, sollte er vielleicht bei sich selbst hinterfragen.

Im Leserbrief heißt es „Sagerer kam dabei zum Umzug von Richtung der NPD-Gegendemonstration“. Sie hätten wohl einfach am Marktplatz geparkt, stimmt das?

Sagerer: Das stimmt ebenfalls nicht. Zum einen bin ich nicht mit dem Auto gekommen und zum anderen war ich schon gut eine halbe bis dreiviertel Stunde, bevor überhaupt jemand von der Gegendemo da war, bei der Dorfpride. Außerdem bin ich auch aus einer komplett anderen Richtung gekommen, aus der Gutenbergstraße, und die NPD stand ja dann an der Ecke beim Nahkauf-Supermarkt. Nach dem Umzug auf dem Marktplatz, als die Gegendemo gegenüber der Dorfpride stand, gab es zwei Möglichkeiten zu den Prideleuten zu gelangen. Man konnte einmal komplett außenrum, an der Volksbank vorbeilaufen oder den kürzeren Weg an der Seite beim Nahkauf und dem Fahrradständer vorbei. Ich bin dann den zweiten Weg gelaufen und vielleicht hat mich der Verfasser hier das erste Mal gesehen und so den Eindruck erhalten, dass ich aus Richtung der NPD komme. Aber es macht einfach keinen Sinn, zu diesem Zeitpunkt sind so viele Personen hin und hergelaufen. Mich hier herauszustellen ist unfair, wenn nicht sogar böswillig. Er bezeichnet es als irrelevant, erwähnt es aber trotzdem, um mich in eine Ecke zu drängen, in die ich nicht gehöre.

Ihr Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft mit der Nummer 18 von Joshua Kimmich wird ebenfalls im Leserbrief thematisiert. Die 18 ist in rechtsradikalen Kreisen ähnlich der 88 eine Erkennungsnummer. Was sagen Sie hierzu?

Sagerer: Mir war zwar bewusst, dass die Nummer 88 als Zeichen der Neonazis gilt, von der 18 wusste ich allerdings nichts. Die Interpretation zu dem Trikot finde ich allerdings trotzdem schwachsinnig und der Verfasser nutzt dies einfach nur als Mittel, um mich in die rechte Ecke zu drängen, wie eben in dem ganzen Leserbrief. Ähnlich wäre es, Jo Kimmich oder Jürgen Klinsmann aufgrund der Wahl ihrer Trikotnummer rechtes Gedankengut anzudichten.

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Haben Sie, wie im Leserbrief vorgeworfen, „vollkommen unabsichtlich den Eindruck erweckt, Teil der Neonazi-Szene zu sein“?

Sagerer: Natürlich nicht und ich finde es auch absolut unverschämt, mir so etwas auch nur im Geringsten vorzuwerfen. Die Argumentationskette im Leserbrief ist nicht nur voller Unwahrheiten, sondern teilweise dermaßen absurd, dass es mir vorkommt, als würde der ganze Text einfach nur darauf abzielen, mir zu schaden. Ich akzeptiere die Meinung des Verfassers natürlich, auch wenn ich diese und den mitschwingenden Groll gegen mich nicht ansatzweise nachvollziehen kann. Ich hätte mir einen vernünftigen Diskurs hierzu gewünscht. Ich kann bezüglich der Intention nur Vermutungen anstellen. Der Verfasser war oder ist ja auch bei den Jungen Grünen aktiv und diese haben vor einigen Jahren während der Fußball-Europameisterschaft das Tragen der Deutschlandflagge als nationalistisch bezeichnet. Vielleicht habe ich bei ihm hier einen wunden Punkt getroffen.

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Abschließend: Wie gehen Sie jetzt weiter mit dem Thema um und was wollen Sie dazu jetzt noch loswerden?

Sagerer: Zunächst möchte ich appellieren, dass man zuerst miteinander spricht, bevor man übereinander spricht. So können etwaige Missverständnisse geklärt werden, denn der Leserbrief-Verfasser hat einiges falsch verstanden und leider auch einige Dinge selbst dazugedichtet. Geht er mit seinem öffentlichen Angriff auf eine einzelne Person nicht sogar selbst entgegen den Pride-Grundsätzen? Das will ich jetzt nicht beurteilen. Bei der Dorfpride selbst habe ich während des Umzuges viele nette Gespräche geführt und kann keineswegs sagen, dass mich alle so gesehen haben, wie es der Leserbrief-Verfasser beschreibt. Wegen der Fahne und des Trikots kann er mich kritisieren, das ist kein Problem, aber die Art und Weise und das Ausmaß dieses „Feldzuges“ gegen mich, ist einfach unglaublich. Ich habe nach dem Leserbrief aber auch einige positive Rückmeldungen bekommen, vor allem von eher unpolitischen Personen. Ich hab auch nach der Veröffentlichung des Leserbriefes versucht, Kontakt mit dem Verfasser aufzunehmen, um die Dinge aus der Welt zu schaffen, jedoch bisher ohne Reaktion. Für mich ist das Thema öffentlich nun beendet.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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